Deutsche Architekten interessieren sich vor allem für die EU, allen voran für die Länder Österreich, Schweiz und Frankreich. Warum gerade für diese Länder? Frankreich gilt als schwierig wegen der Sprache und der heiklen Haftpflichtversicherung und die Schweiz gilt als ein Land, das sich tendenziell sehr gerne abschottet.
Der Markt für Architekturdienstleistungen ist tendenziell ein lokaler Markt. Man spricht von einem Umkreis von etwa 100 km in dem die meist klein- oder mittelständisch organisierten Architekturbüros vorrangig ihre Aufträge finden. Das ist selbst in Ländern so, die im Export von Planungsleistungen noch besser aufgestellt sind, als wir. Die Nähe zum Auftraggeber, ein gemeinsames kulturelles Verständnis, die Kenntnis der Marktbedingungen, der überschaubare Aufwand, ein Projekt auch von seiner Niederlassung im Heimatland aus abwickeln zu können, sind Faktoren, die den Blick natürlich in Richtung der unmittelbaren Nachbarländer richten lassen; auch den von größeren Büros, die natürlich globaler aufgestellt sind. In der Schweiz und in Frankreich werden viele öffentliche Aufträge in Architektenwettbewerben vergeben. Zwar sind die Teilnahmebedingungen häufig so, dass sie einheimische Architekten bevorteilen, aber wenn man sie einmal verstanden hat und es gelingt, Netzwerke mit ortsansässigen Planern zu bilden, sind die Marktchancen gar nicht so schlecht. Die Versicherer haben sich zwischenzeitlich auch darauf eingestellt, durch Zusätze zu den normalen Verträgen Haftungsrisiken abzusichern, die sich aus den unterschiedlichen Rechtssystemen ergeben. Der Sprache des Nachbarlandes sollte man aber selbstverständlich mächtig sein, oder zumindest einen fachlich versierten Partner an seiner Seite haben, der die planungs- und baurechtlichen Fallstricke kennt. Denn umgekehrt ist es ja genauso: das Baurecht hierzulande in all seinen Verästelungen und Widersprüchen zu verstehen, gelingt häufig nicht mal uns Deutschen.
Außerhalb der EU sind es laut einer Umfrage vor allem die USA und China, die im Fokus des Interesses stehen. Warum?
Es sind nun einmal die größten Volkswirtschaften der Welt mit entsprechend großen Bauvolumen, aber es gibt noch andere Gründe. In China zum Beispiel geht die Entwicklung weg von den Gründungen neuer Ansiedlungen aus dem Nichts hin zur Revitalisierung bestehender Städte, weil Industrieanlagen wegen ihrer Emissionen aus den Innenstädten verbannt werden und sich Millionenstädte abseits der Hot-Spot-Metropolen neu erfinden müssen. Durch unsere Erfahrungen mit der Konversion militärischer oder industrieller Areale, wie etwa im Ruhrgebiet, haben wir dort Expertisen einzubringen, die hoch geschätzt werden. Die Dimensionen sind freilich häufig um ein Vielfaches größer. Allerdings mahnen die Unberechenbarkeit der staatlich gelenkten Vertragspartner und das unbekümmerte Abschöpfen ausländischen Know-hows zur Vorsicht. In den Vereinigten Staaten hat das Label „Made in Germany“ nach wie vor einen guten Klang. Wenn also deutsche Präzision und technologische Marktführerschaft, wie bei der künstlichen Intelligenz, aufeinander treffen, ergeben sich daraus spannende, zukunftsweisende Projekte. Die Hindernisse für den Marktzugang sind allerdings groß und das nicht erst seit der „America-first“-Politik von Donald Trump. Trotzdem versuchen wir, in bilateralen Abkommen zwischen den Architektenorganisationen der EU und den USA zu Erleichterungen zu kommen. Mit Kanada ist es schon gelungen und das dort erzielte Abkommen könnte auch eine Blaupause für die Verhandlungen mit den Vereinigten Staaten sein.
Welche Länder haben Ihrer Meinung nach Potential für deutsche Architekten?
Leider ist das bei den gegenwärtig sehr volatilen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen nur sehr schwer einzuschätzen. Noch vor drei Jahren haben wir durch das Atomabkommen mit dem Iran dort auf einen sich öffnenden Wachstumsmarkt gesetzt; mit besonderer Affinität zu Deutschland. Heute sind diese Erwartungen zerplatzt. Wenn man sich die dynamische Bevölkerungsentwicklung in vielen Teilen Afrikas anschaut, das exponentielle Städtewachstum und den gewaltigen Nachholbedarf in der Infrastruktur, müsste sich dort ein weites Betätigungsfeld auftun, soweit es nicht bereits vom chinesischen Expansionsdrang besetzt ist. Dies bedürfte aber mehr politischer Verlässlichkeit vor Ort einerseits und andererseits eines noch stärkeren und mutigeren wirtschaftspolitischen Engagements Deutschlands und der Europäischen Union insgesamt. Indien ist natürlich ein riesiger Markt, bislang aber auch sehr stark von Abschottung geprägt. Die kleineren südostasiatischen Länder sollte man nach wie vor nicht aus den Augen verlieren, denn auch dort sehe ich noch ein nicht ausgeschöpftes Potenzial.
Interessante und wahrscheinlich vielversprechendere Märkte bleiben bei der aktuellen Entwicklung viele europäische Länder wie z.B. Portugal, Spanien und Frankreich, aber auch Norwegen und die osteuropäischen Staaten.
Gibt es eine finanzielle Unterstützung für Exportneulinge? Die Teilnahme an der Messe MIPIM ist durch das Messeprogramm des BMWi gefördert. Gibt es andere Förderungen?
Die KMU-Förderung durch das Messeprogramm des BMWi ist eine hervorragende Möglichkeit, um sich auf dem internationalen Markt zu präsentieren. Hier sind wir für die Unterstützung des BMWi besonders dankbar, die es uns und den Ausstellern seit 12 Jahren ermöglicht, jährlich im GERMAN PAVILION auf der MIPIM in Cannes Architektur, Baukultur und Dienstleistungen „Made in Germany“ einem breiten Publikum zu präsentieren.
Darüber hinaus wären die Exportinitiativen des BMWi zu nennen, die mit unterschiedlichen Maßnahmen unter der Dachmarke „Mittelstand Global“ vor allem klein- und mittelständische Unternehmen auf ihrem Weg in neue Märkte unterstützen möchte. Mit ihren Angeboten sind sie eine wichtige Hilfe für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) bei der Markterschließung. Fördermaßnahmen sind z.B. Auslandsmarktinformationen, Markterkundungsreisen. Auch andere Ministerien bieten Unterstützung an, wie z.B. das BMU, das BMZ, das Auswärtige Amt und es gibt eine ganze Reihe anderer Programme, wie das German Accelerator Program der German Entrepeneurship GmbH, Angebote der KfW oder der Euler Hermes AG. Auch die Bundesländer legen eigene Programme auf, wie etwa „BW International“, „Export Bavaria“ oder Initiativen zur Internationalisierung in Berlin und Brandenburg.
Werden Delegationsreisen auch öffentlich gefördert? Welche Ziele werden demnächst Architekten mit solchen Delegationsreisen aufsuchen?
Die nächste größere Reise führt uns wieder nach China. Unser letztjähriger Besuch in Peking und Shanghai – gefördert durch die Exportinitiative Umwelttechnologien des BMU – mit Experten auf dem Gebiet der Stadterneuerung, bei dem wir uns in intensiven Workshops den aktuellen Problemen gewidmet haben, hat sowohl bei den chinesischen Partnern großen Eindruck hinterlassen als auch das Bundesumweltministerium überzeugt, dass durch diese Art des Herangehens eine zukunftsträchtige Symbiose der globalen Strategie zur Erreichung von Klimazielen, der Lösung von sozialen Problemlagen und eines für beide Seiten fruchtbaren wirtschaftlichen Austauschs und Wissenstransfers erreicht werden kann. Dies wollen wir vertiefen um die deutsch-chinesische Kooperationen zu fördern, uns weiter zu vernetzen und Themen der Nachhaltigkeit mit Entscheidungsträgern zu diskutieren.
Was macht die deutschen Architekten besonders, was unterscheidet sie von österreichischen, englischen, amerikanischen, französischen oder chinesischen Architekten?
Die Besonderheit hängt mit dem deutschen Werkvertragsrecht zusammen. Danach sind die Architekten nicht nur für ihre Planung verantwortlich, sondern schulden ihrem Bauherrn ein mangelfreies Gebäude; sie stehen also in der langen Tradition des „Baumeisters“. Deshalb sind sie daran gewöhnt, den gesamten Prozess der Bauausführung zu begleiten, mindestens bis zur Schlüsselübergabe und oft darüber hinaus. Und sie legen großen Wert auf die Qualität der Bauausführung und die Präzision von Details. Das ist in vielen anderen Ländern nicht so, weil dort die Ausführung und Teile der Planung meistens von Generalunternehmern übernommen werden, ohne dass der Architekt oder die Architektin darauf nennenswerten Einfluss haben. Besonders in Ländern, wo die Bauqualität oft zu wünschen übrig lässt, schätzen Bauherrn diese unabhängige Begleitung und Überwachung durch die Architekten. Und wir sind als unabhängige Sachwalter sehr auf die Interessen von Bauherren und Nutzern fokussiert. Deshalb ist „Made in Germany“ auch beim Bauen eine weltweit anerkannte Marke.
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