»Bei Konnektivität geht es um unsere Wettbewerbsfähigkeit«

Beim Ausbau der Infrastruktur gehören die EU und die EU-Staaten international längst zu den führenden Investoren. Doch sie seien zu bescheiden, meint Romana Vlahutin, EU-Sonderbotschafterin für Konnektivität. Daher werben sie und ihr Team weltweit für die EU-Konnektivitätsagenda. Interview mit Romana Vlahutin und ihren Mitarbeitern Marcin Kacperek und Timothy Winters.

Oktober 2021
Interview: Sebastian Holz und Lisa Flatten

EU-Sonderbotschafterin Romana Vlahutin im Interview.

EU-Sonderbotschafterin Romana Vlahutin im ­Videointerview. Mit dabei: ihre Mitarbeiter Marcin Kacperek (links) und ­Timothy Winters. © Romana Vlahutin/Rendering Manuel Köpp

Markets International: Die EU-Asien-Konnektivitätsstrategie gibt es seit 2018. Mitte Juli haben die Außenminister der Mitgliedstaaten den EU-Außenbeauftragten und die Kommission aufgefordert, die Initiative zu konkretisieren. Was sind Ihre Pläne dazu?

Romana Vlahutin: In der Strategie von 2018 wurden die Grundprinzipien der EU für nachhaltige Konnektivität festgelegt. Außerdem wurden Transport, Energie, digitale und menschliche Konnektivität als die vier Säulen unserer Strategie identifiziert. Seitdem haben wir massive Veränderungen in der Welt erlebt. Konnektivität ist zu einem geostrategischen Thema geworden. China hat seine Belt and Road Initiative und Japan sein Konzept der Qualitätsinfrastruktur. Die Vereinigten Staaten haben den BUILD Act verabschiedet und mit der U.S. Development Finance Corporation eine neue Investitionsagentur für Konnektivität geschaffen. Schließlich haben die G7 das Thema auf ihre Tagesordnung gesetzt. Dies ist erst der Beginn einer weltweiten Diskussion darüber, wie nachhaltige Konnektivität dort gefördert werden kann, wo sie am dringendsten benötigt wird. Der Europäische Rat hat diese strategische Bedeutung im Juli unterstrichen. Konnektivität geht weit über physische Infrastruktur hinaus. Sie ist auch wichtig für unsere Außen- und Entwicklungspolitik, unsere wirtschaftliche und digitale Sicherheit sowie unsere Wettbewerbsfähigkeit.

Wie schlägt sich das in der Konnektivitätsstrategie nieder?

Zunächst werden wir nun eine Bestandsaufnahme des EU-Engagements vornehmen. Bei Investitionen ist die EU tatsächlich weltweit führend. Aber wir sind zu bescheiden. Wir werden deshalb eine Marke für unsere Projekte schaffen, die signalisiert: „Dies ist eine EU-Investition, die Qualität, angemessene Regulierung, ökologische und finanzielle Nachhaltigkeit garantiert.“ Zweitens wollen wir Leuchtturmprojekte identifizieren, die den Ansatz der EU ganz praktisch demonstrieren. Und drittens werden wir unsere Finanzinstrumente überprüfen: Europas Institutionen, Mitgliedstaaten und privaten Märkte sind finanzstark. Aber unsere Mittel sind nicht immer so gebündelt, dass sie die Größenordnung erreichen, die Konnektivität erfordert.

Wie können europäische Unternehmen von der Konnektivitätsagenda der EU profitieren?

Unsere Agenda kann nicht ohne eine umfassende Partnerschaft mit dem privaten Sektor umgesetzt werden. Europas Unternehmen verstehen die globalen Trends sehr gut. Angesichts des schärferen externen Wettbewerbs erwägen viele, ihre Kapazitäten zu bündeln und im Ausland zusammenzuarbeiten. Wir werden dies mit einem Konsultationsforum für Unternehmen unterstützen. Die EU kann hier eine weltweite Führungsrolle übernehmen. Schließlich ist sie selbst ein Produkt von Konnektivität. Wir verfügen über Wissen, erstklassige Unternehmen, den anspruchsvollsten Rechtsrahmen und die nötigen finanziellen Ressourcen. Wenn man mit Vertretern verschiedener Entwicklungsländer spricht, wird klar: Europäische Lösungen sind nachhaltiger, inklusiver und helfen diesen Ländern, wettbewerbsfähiger zu sein. Auf diese Weise ist die Konnektivitätsagenda auch ein Vehikel für unsere Industriestrategie im Ausland.

Wie lassen sich Konnektivitätsprojekte für Privatunternehmen finanziell attraktiver gestalten?

Projekte, die bereits bankfähig sind, können wir mit Matchmaking unterstützen. Eine Herausforderung sind Projekte, die für ein Land von großer Bedeutung sind, die aber noch nicht bankfähig sind. Um diese zu unterstützen, haben wir verschiedene Instrumente – Zuschüsse beispielsweise. Nur wenige wissen, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten zwischen 2013 und 2018 so viel an Zuschüssen ausgezahlt haben, wie China an Krediten vergeben hat. Davon war nicht alles für Infrastruktur bestimmt, aber auch regulatorische Angleichung und Weiterbildungsprogramme fördern die Konnektivität.

Weitere Mittel sind Garantieinstrumente und interne EU-Fonds. Im Fall des Unterseekabels Ellalink, das Europa und Lateinamerika miteinander verbindet, stammt ein Großteil der Finanzierung aus internen Fazilitäten der EU und der Mitgliedstaaten zur Unterstützung von EU-Unternehmen. In diesem Sinne ist Next Generation EU, der Coronavirus-Wiederaufbauplan, eine große Chance, in Konnektivität zu investieren. Wir diskutieren auch, wie die nationalen Exportkreditagenturen in der EU enger zusammenarbeiten können. Darüber hinaus gibt es eine Menge ungenutzter Investitionsgelder bei Pensions- oder Versicherungsfonds. Wir prüfen, wie wir die Verbindung zwischen diesen Fonds und dem Infrastrukturbau stärken können. Der weltweite Investitionsbedarf in dem Bereich ist riesig. Öffentliche Gelder allein können das nicht bezahlen. Deshalb müssen wir die effektivsten Wege finden, unsere Kräfte zu bündeln.

Im Juli starteten die G7 die neue Initiative Build Back Better World. Wie steht die EU zu dieser neuen Initiative?

Per Definition kann man Konnektivität nicht im Alleingang erreichen. Je mehr Partner unsere Grundsätze von Nachhaltigkeit und fairem Wettbewerb teilen, desto besser. Es scheint viel Konvergenz zwischen unserem Ansatz und dem der G7 zu geben. Wir arbeiten bereits eng mit unseren internationalen Partnern zusammen. Gute Beispiele sind unsere Konnektivitätspartnerschaften mit Japan und Indien. Gemeinsam wollen wir Projekte in Drittmärkten umsetzen.

Alle EU-Mitgliedstaaten ziehen dabei an einem Strang. Dies ist auch für die Unternehmen von entscheidender Bedeutung, da die Mitgliedstaaten direkte Kontakte zu Wirtschaftsverbänden und Handelsförderungsagenturen haben. Wir müssen uns zusammentun, um auf globaler Ebene wettbewerbsfähiger zu werden. Das ist es, worauf es letztendlich ankommt. Europäische Unternehmen brauchen ein Umfeld mit hohen Standards. Bei niedrigen Standards tun wir uns schwer. Man kann aber hohe Standards nicht allein durch politische Dialoge durchsetzen. Unsere Konnektivitätsstrategie kommt nicht voran, indem wir nur über sie reden. Wir müssen sie in die Tat umsetzen, und zwar durch konkrete Projekte, die den Menschen nutzen.

Vielen Dank für das Interview!

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