August 2018
Autorinnen: Heike Hoffmann, Dorothea Netz

Das Megaprojekt Noor 3 ist ein Solarturmkraftwerk in Marokko, das die EU finanziert hat. Scheint die Sonne, richten sich die Spiegel automatisch aus und reflektieren das Sonnenlicht.
© picture alliance/AP Photo
Burkina Faso will sein nationales Statistikinstitut neu ausrichten. Moderner soll es werden, mit mehr Analysetools und besserer Bedienbarkeit. Die Europäische Union (EU) finanziert das Projekt. Bei der Umsetzung helfen deutsche Experten: Das Beratungsunternehmen Gopa aus Bad Homburg hat sich erfolgreich an einer internationalen Ausschreibung beteiligt.
Ein Beispiel für die Möglichkeiten im Rahmen der EU-Entwicklungszusammenarbeit. Das Spektrum reicht von Gesundheits- und Bildungsvorhaben bis hin zu Klima- und Energieprojekten. Um diese Projekte umzusetzen, benötigt die EU qualifizierte Auftragnehmer und verlässliche Produkte. Die Gleichung lautet: gute Projektumsetzung für die EU, gute Förderung für die Partnerländer, gute Geschäfte auch für deutsche Unternehmen. Bisher zumindest.
Denn seit einiger Zeit ändert die EU die Variablen in der Rechnung. Anstatt Projekte selbst auszuschreiben, überträgt sie Budget und Verantwortung an internationale Organisationen und Institutionen ihrer Mitglieds- und Partnerländer. Die EU nennt das „indirekte Verwaltung“. Wenn diese Organisationen Aufträge vergeben, gelten deren Richtlinien und nicht mehr die EU-Vorgaben. Gleichzeitig stellt die EU immer mehr Regierungen unter strengen Voraussetzungen direkt Mittel zur Verfügung, meist in Form von sogenannten Haushaltshilfen. Diese Maßnahmen helfen der EU, ihre Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit flexibler und effektiver einzusetzen.
EXTERNAL INVESTMENT PLAN
Investitionsfenster für Afrika und EU-Nachbarn
Nachhaltige Energie und Konnektivität
Die EU möchte mehr Anreize für Investitionen in den Bereichen erneuerbare Energie, Energieeffizienz und Verkehr schaffen.
Finanzierung von KMU
Kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sind die Hauptarbeitgeber in Afrika und in der Nachbarschaft der EU und bieten eine wichtige und nachhaltigere Alternative zur informellen Wirtschaft. Sie sollen bessere Finanzierungsmöglichkeiten erhalten.
Nachhaltige Landwirtschaft und Unternehmer im ländlichen Raum
Die EU plant einen besseren Zugang zu Finanzmitteln für kleine landwirtschaftliche Betriebe, Genossenschaften und KMU, sodass Probleme im Bereich Ernährungssicherheit angegangen werden können.
Nachhaltige Städte
Nachhaltige Stadtentwicklung soll gefördert werden. Das umfasst die städtische Mobilität, Wasserversorgung, Abwasserentsorgung, Abfallwirtschaft und Dienstleistungen im Bereich erneuerbare Energie.
Digitalisierung
Die EU möchte innovative digitale Lösungen fördern, besonders solche, die die lokale Bevölkerung unterstützen.
Quelle: External Investment Plan der EU
Die Folge: weniger Ausschreibungen im Rahmen der EU-Drittstaatenprogramme. „Die verbleibenden Aufträge haben höhere Budgets und eine größere Komplexität“, so Jan Dröge, Partner bei dem Beratungsunternehmen Schuman Associates aus Brüssel, das sich auf EU-Förderprogramme spezialisiert hat (zum ausführlichen Interview). Dadurch wiederum änderten sich die Bedingungen für die Auftragsakquise und die notwendigen Durchführungskapazitäten, sagt Dr. Martin Güldner, Geschäftsführer der Gopa-Consultinggruppe. „Die kleinteilig aufgestellte europäische Entwicklungsindustrie wird große Schwierigkeiten haben, sich dem zu stellen.“ (zum ausführlichen Interview) Für die Gopa-Gruppe als einen Marktführer im internationalen Entwicklungs-Consulting bleibt das klassische EU-Projektgeschäft weiterhin wichtig, es wird aber schon heute maßgeblich ergänzt um andere europäische und internationale Entwicklungspartner.
Investitionen für 3,3 Billionen Euro
Die EU sieht Firmen in der Entwicklungszusammenarbeit immer mehr als Investitionspartner und weniger als Auftragnehmer. „Die Einbindung des Privatsektors ist extrem wichtig für die EU-Kommission“, erklärt Marjeta Jager, stellvertretende Generaldirektorin in der Generaldirektion Internationale Zusammenarbeit und Entwicklung. Laut EU-Kommission können die ehrgeizigen internationalen Entwicklungsziele nur erreicht werden, wenn Investitionen in Höhe von 3,3 Billionen Euro realisiert werden – allerdings fehlen aktuell 2,1 Billionen Euro. Um diese Lücke zu schließen, sind Investitionen von Unternehmen unerlässlich. Die EU will Risiken für Firmen senken, indem sie Mischfinanzierung einsetzt, sogenanntes Blending. Dabei kombiniert sie ihre Zuschüsse mit Darlehen oder Eigenkapital von öffentlichen und privaten Geldgebern.

Das Solarturmkraftwerk Noor 3 in Marokko.
© Francesco Zizola/laif
Fläche des Kraftwerks Noor 3
installierte Leistung
geschätzte Kosten für Noor 2 und 3
Blending ist auch ein wichtiger Teil des prominenten External Investment Plan (EIP), der Investitionsoffensive für Drittländer der EU. Sie gilt für Afrika und die EU-Nachbarschaft. Teil des EIP ist der Europäische Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD). Dieser sieht 2,6 Milliarden Euro für Blending sowie 1,5 Milliarden Euro für Garantien vor, die private Projekte absichern sollen. Diese Förderbudgets sollen Banken und Investoren motivieren, bis zu 44 Milliarden Euro in Ländern zu investieren, in denen sie sonst nicht aktiv werden würden.
Große Veränderungen zeichnen sich für den neuen Haushaltsplan der EU von 2021 bis 2027 ab. Die EU-Kommission will das Budget für das auswärtige Handeln um 30 Prozent auf 123 Milliarden Euro erhöhen. Der bisher separat finanzierte Europäische Entwicklungsfonds soll in den Haushalt integriert werden. Zudem will die EU die Programme zur Förderung der Drittstaaten neu aufstellen: Bisher gliedern sich diese hauptsächlich nach Regionen. Nun will die EU einen Großteil in dem regional und thematisch übergreifenden Instrument für Nachbarschaft, Entwicklung und internationale Zusammenarbeit zusammenfassen. Rund 89 Milliarden Euro sind hier vorgesehen. Zur Förderung der EU-Beitrittskandidaten soll es weiterhin ein eigenes Instrument geben. Aktuell werden diese Vorschläge noch kontrovers diskutiert: Inwieweit sie sich umsetzen lassen, hängt von der Zustimmung der Mitgliedstaaten ab.
Service & Kontakt
Weitere Informationen unter
www.gtai.de/geber
www.gtai.de/projekte-ausschreibungen
Interview mit Jan Dröge, Schuman Associates:
»Für etablierte Unternehmen bleiben die Programme interessant.«
Interview mit Dr. Martin Güldner, GOPA Consulting Group:
»Unsere Projektlandschaft wird sich ändern.«
GTAI-Ansprechpartnerin Entwicklungszusammenarbeit
Dorothea Netz
+49 228 24 993 339
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