Kein Griff ins Klo

Die südchinesische Stadt Linfen ist landesweit bekannt – wegen ihrer öffentlichen Toiletten. Die sind nicht nur architektonisch einzigartig, sondern auch smart. Auch immer mehr Privathaushalte rüsten ihre stillen Örtchen auf und setzen auf hochwertige Technik.

Dezember 2020
Autorin: Stefanie Schmitt

Wer in Asien ein stilles Örtchen aufsucht, muss nicht unbedingt auf die Toilette. In China erfreuen sich WC-Restaurants großer Beliebtheit. Gespeist wird aus Minikloschüsseln in Badezimmeratmosphäre. © dpa

Von der Weltöffentlichkeit kaum bemerkt, tobt in China seit 2014 auf Anordnung des chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping die Toilettenrevolution. Seither werden landesweit die öffentlichen Toiletten hygienisch und technisch hochgerüstet. Zunächst ging es darum, das stinkende, feuchte Plumpsklo zu verabschieden. Neuerdings werden die Toiletten nun smart. Auf Flughäfen und Bahnhöfen in Beijing oder Shanghai ist oft am Eingang schon erkennbar, wie viele und welche der Kabinen drinnen besetzt sind.

Die bemerkenswertesten Toiletten des Landes gibt es aber nicht in den Metropolen, sondern in der mit 600.000 Einwohnern eher kleinen Stadt Linfen in der nordchinesischen Provinz Shanxi. Schon im Jahr 2008 hatte sich der dort zuständige Beamte Su Qingping viel vorgenommen: Niemand solle länger als fünf Minuten bis zum nächsten öffentlichen WC gehen müssen. Dort sollten die Leute nicht nur das physiologisch Nötige erledigen, sondern die Toiletten sogar gern aufsuchen.

Inzwischen stehen den Bewohnern 88 stille Örtchen zur Wahl – und wer nicht weiß, wo das nächste ist, befragt die Smartphone-App Baidu-Map. Alle öffentlichen WCs haben fünf Bereiche: Zunächst tritt man über eine Rampe in den Vorraum mit Sitzplätzen und kostenloser Waage. Links geht es zu den Männern, rechts zu den Frauen, geradeaus zur Familientoilette mit Babyhaltesitz, Wickelmöglichkeit und behindertengerechter Toilette. Daneben befindet sich der Aufenthaltsraum mit Bett für das Toilettenpersonal. Das leistet ganze Arbeit: Überall riecht es frisch, blitzt es vor Sauberkeit, nirgends tropft ein Hahn oder eine Spülung.

Auch architektonisch können sich die WCs sehen lassen. „Jedes Häuschen ist ein kleines Kunstwerk für sich“, sagt Song Shuping, die Nachfolgerin Sus im Amt für Umwelt und Hygiene. Jedes Örtchen hat ein eigenes Thema: So gibt es die bunte Toilette, bei der die Toilettenschüsseln in Rot oder Blau leuchten, oder die Fußballtoilette mit Fußballskulptur und fußballförmigen Fenstern. Die Toiletten spülen nach jedem Gang automatisch.

Chancen für Zulieferer
Teure Badausstattungen boomen

Auch Privathaushalte rüsten auf und setzen auf hochwertige Technik.

Nicht nur die Stadt Linfen modernisiert ihre WCs, auch Privathaushalte liebäugeln ­zunehmend mit smarten Toiletten. Eine ­beheizbare Klobrille plus Wasserbrause wünschen sich nicht nur Angehörige der Ober-, sondern auch der wachsenden Mittelschicht. Vor allem gehobene Badausstattungen boomen: Aus Deutschland kam im Jahr 2019 Badezimmerkeramik im Wert von fast 13 Millionen US-Dollar, bei Sanitärausrüstungen waren es mehr als 14 Millionen.

Auch vor Ort produzierende Anbieter berichten von sehr guten Geschäften. „Wir wachsen, und die Perspektiven sind weiter positiv“, sagt Peter Bromberger, Managing Director von Duravit in China. Impulsgeber sind die zahlreichen Luxushotels. Dagegen hat der Einzelhandel 2020 infolge der Coronakrise einen schweren Stand, scheint sich jedoch langsam zu erholen. „Ich sehe dort grundsätzlich Potenzial wie auch im E-Commerce“, sagt Bromberger. „Aber wir müssen uns ein wenig gedulden. Die Menschen holen sich in den Hotels Ideen und lassen sich für zu Hause inspirieren.

Wer mehr über die Toiletten wissen will, kann im Vorraum einen QR-Code scannen. Dort ist auch ein Automat angebracht, der für umgerechnet rund zwölf Eurocent Toilettenpapier verkauft. Bezahlt wird bargeldlos per Handy. Sonst ist der Besuch kostenlos. Dagegen lässt sich die Stadt ihre Toilettenvision eine Menge kosten: Die Baukosten der Luxusörtchen liegen bei rund 875 Euro pro Quadratmeter. Für gewöhnliche Toiletten geben die Ämter lediglich 375 bis 625 Euro pro Quadratmeter aus.

Und wo liegt die Zukunft? Derzeit beobachtet die Behörde die Entwicklungen zur Digitalisierung von Toiletten für Gesundheitschecks. Vielleicht könne man auch einmal einen solchen Service anbieten, sagt Song.

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