Keine Hexerei
Videospiele aus Polen erfreuen sich international großer Beliebtheit. Das Warschauer Unternehmen CD Projekt will nun mit Cyberpunk 2077 an den Welterfolg von The Witcher anknüpfen. Wie andere polnische Studios dürfte CD Projekt auch von der Coronakrise profitieren.
Juni 2021
Autorin: Beatrice Repetzki
Das Computerspiel „The Witcher“ ist eine wilde Mischung mitteleuropäischer Märchen und slawischer Legenden. © The Witcher/CD Projekt Red
Cyberpunk 2077 war bei seinem Erscheinen im Dezember 2020 wohl das am sehnlichsten erwartete Computerspiel der Welt. Schauplatz des aufwendigen Science-Fiction-Epos ist die fiktive, futuristische Megapolis Night City. Der Spieler bewegt sich durch eine beinahe fotorealistische Umgebung, die Dialoge und Schauspieler sind genauso perfekt wie die musikalische Untermalung. Marcin Przybyłowicz, Musikdirektor des Entwicklers CD Projekt, hat nicht einfach nur Lizenzen gekauft, um fertige Musikstücke nutzen zu dürfen. Nein. „Wir haben uns außerdem an zahlreiche Künstler weltweit mit der Bitte gewandt, neue Stücke speziell für Cyberpunk 2077 zu komponieren.“
Das sogenannte Open-World-Rollenspiel soll sich Experten zufolge weltweit etwa 30 Millionen Mal verkaufen – innerhalb des ersten Jahres. Testspieler bezeichnen es als eines der besten Games, das sie je gespielt haben, und das über viele Stunden, auch wenn es auf einigen Spielekonsolen zunächst nicht ganz rund gelaufen sein soll.
Millionen Euro Umsatz erzielten die polnischen Computerspielproduzenten 2019.
Große Games kommen oft aus Polen
Als Kinofilm käme ein derart großer Wurf unter Garantie aus Hollywood – als Computerspiel aus Polen. Und das wundert niemanden, der sich mit der Branche auskennt. Die ohnehin starke polnische Gaming Industry gewinnt in der Coronakrise weiter an Bedeutung. Die Bevölkerung sitzt zu Hause fest und vertreibt sich immer öfter mit Computerspielen die Zeit. Die einheimischen Produkte sind vor allem im Ausland beliebt, 96 Prozent werden exportiert.
Die Einnahmen der polnischen Hersteller von Videospielen dürften 2020 eine halbe Milliarde Euro überstiegen haben, der Wachstumstrend soll weiter anhalten. Denn die vielen Spieler, die im Lockdown Gefallen daran gefunden haben, werden ihrem neuen Hobby auch nach der Pandemie nachgehen. Für deutsche Firmen und IT-Spezialisten ergeben sich dadurch nicht nur weitere Vertriebschancen für Spiele aus Polen. Sie kommen auch zum Zuge, wenn es darum geht, die Games für den deutschsprachigen Markt zu übersetzen und zu überarbeiten. Kooperationen bei Neuentwicklungen sind ebenfalls denkbar. So schuf der deutsche Spieleentwickler Deck 13 im Auftrag des Warschauer Studios CI Games das Spiel Lords of the Fallen.
Zur polnischen Gaming Industry gehören gut 440 Firmen, die fast alle klein oder mittelgroß sind. Daneben gibt es fünf börsennotierte Branchenriesen, sogar mit eigenem Börsenindex: Wig Games. Darin gelistet sind CD Projekt (121 Millionen Euro Umsatz im Jahr 2019), Ten Square Games (56 Millionen Euro), Playway (27 Millionen Euro), 11 Bit Studios (17 Millionen Euro) und CI Games (elf Millionen Euro). Zu den größeren Anbietern zählen außerdem Techland, The Farm 51, Vivid Games, Artifex Mundi, Wastelands Interactive, People Can Fly, Exor Studios, Bloober Team, Flying Wild Hog, Game Desire, Fuero Games, Prime Bit Games, Anshar Studios und andere.
Netflix hat The Witcher verfilmt
Die 1994 in Warschau gegründete CD Projekt ist der unangefochtene Platzhirsch und der mit Abstand führende Entwickler und Publisher von Videospielen in Polen. Einen international großen Erfolg hatte ihr schon das Rollenspiel Wiedźmin beschert (The Witcher/Der Hexer). Von den bislang erhältlichen drei Ausgaben hat CD Projekt bereits mehr als 50 Millionen Exemplare verkauft. Den kreativen Ritterschlag erhielt das Spiel Ende 2019, als die erste Folge der vom Streaminggiganten Netflix produzierten Serie über die Bildschirme flimmerte. In Warschau beschäftigt man sich eben – wie früher nur in Hollywood – mit dem Stoff, aus dem die Träume sind.
DIE VIER BEKANNTESTEN POLNISCHEN COMPUTERSPIELE
The Witcher (2015)
Entwickler: CD Projekt S.A.
Die Spiele Wiedźmin (Witcher) 1 bis 3 (siehe Bild) basieren auf einer Bücherreihe des 1948 in Łódź (Lodsch) geborenen Fantasyautors Andrzej Sapkowski. Seine „Hexer-Saga“ ist eine wilde Mischung mitteleuropäischer Märchen und slawischer Legenden.
Cyberpunk 2077 (2020)
Entwickler: CD Projekt S.A.
Der Hollywoodschauspieler Keanu Reeves verkörpert einen der zentralen Helden in dem Science-Fiction-Epos. Darin hat der ehemalige G.I. (einfacher US-Soldat), Musiker und Rocker, Johnny Silverhand, den Großkonzernen den Kampf angesagt.
Dying Light (2015)
Entwickler: Techland S.A.
Der Held des Spiels, in dessen Rolle der Spieler schlüpft, kämpft ums Überleben in einer von einer Epidemie heimgesuchten Metropole. Untote, ihrer Seele beraubt, verfolgen ihn. Zu dem Spiel sind mehrere Fortsetzungen erschienen.
Call of Juarez (2013)
Entwickler: Techland S.A.
Der Revolverheld und Kopfgeldjäger Silas Greaves erzählt im neusten Teil der Serie (Gunslinger) Geschichten aus seinem Leben als Cowboy im amerikanischen Wilden Westen, die nicht immer der Wahrheit entsprechen.
Service & Kontakt
Games-Magazine
Gry-Online ist eine Gruppe polnischer Websites, die sich mit Computerspielen und elektronischer Unterhaltung befassen.
Branchenverband
Der Vereinigung der Gaming-Branche, PG Stowarzyszenie Polskie Gry, gehören aktuell 16 Mitgliedsfirmen an.
Independent-Entwickler
Die Stiftung Fundacja Indie Games Polska fördert kleinere Firmen und kümmert sich um das Onlinemagazin „PolskiGamedev.pl“.
Lesetipps:
Deutsche Entwickler von Computerspielen haben es schwer. Fördergelder und eine Digitalinitiative sollen unterstützen. Lesen Sie dazu den Artikel „Ins nächste Level“.
»Polen gibt bevorzugt Kredite für Umweltprojekte und technologische Innovationen.« – Interview zum polnischen Investitionsrecht
Ihr GTAI-Ansprechpartner
Fabian Möpert
+49 30 200 099 209
Weitere Informationen zu Polen finden Sie auf der GTAI-Länderseite.
Kommentare (0)
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!