»Klare Tendenz zum Teilen«

Alexander Duisberg ist Partner der Kanzlei Bird & Bird in München. In der Arbeitsgruppe Recht der Plattform Industrie 4.0 beschäftigt er sich mit den juristischen Auswirkungen der vernetzten Produktion – etwa der Frage, wem die Daten aus Sensoren und Arbeitsspeichern von Robotern gehören.

Februar 2018

Was sind Daten eigentlich im rechtlichen Sinne?

Im zivilrechtlichen Sinne gibt es Daten gar nicht. Die Autoren des Bürgerlichen Gesetzbuches konnten nicht ahnen, welche Bedeutung sie einmal haben würden.

Aber es gibt rechtliche Regeln rund um Daten, oder?

Ja, es gibt viele gesetzliche Regelungen, die dem Schutz von Daten und Informationen dienen. Insoweit in Daten Informationen enthalten sind oder sich daraus herleiten lassen, kann zum Beispiel der gesetzliche Schutz von Geschäftsgeheimnissen greifen. Personenbezogene Daten unterliegen dem Datenschutz.

Sind Daten gesammelt und lassen sie sich auslesen, dann hat der sogenannte Datenbankhersteller bestimmte Rechte, zum Beispiel darf nur er die Datenbank oder wesentliche Teile davon vervielfältigen oder veröffentlichen. Wer unberechtigt auf Daten zugreift, sie missbraucht oder manipuliert, macht sich womöglich strafbar. Alles in allem ist das eine rechtlich schillernde, facettenreiche Materie.

Ist das Eigentum an Daten gesetzlich geregelt?

Nein, das ist nicht der Fall. In den Diskussionsrunden der AG Recht der Plattform Industrie 4.0 ist deutlich geworden, dass es auch gar nicht sinnvoll oder wirtschaftlich erstrebenswert ist, ein „Eigentum an Daten“ zu regeln – also ein umfassendes gesetzliches Ausschließlichkeitsrecht.

Was spricht dagegen?

Unternehmen wissen meist viel besser als der Gesetzgeber, welchen Nutzen das Teilen von Daten hat oder haben kann. Da würde die Festlegung auf „Eigentumsrechte“ ein falsches Signal setzen. Für Unternehmen würde es teurer, ihr Eigentum zu sichern, ohne dass dem ein übergreifender wirtschaftlicher Vorteil gegenübersteht. Zudem dürfte ein gesetzliches Ausschließlichkeitsrecht an Daten Innovation eher verhindern als ermöglichen.

Wieso das?

Oft entsteht Wertschöpfung überhaupt erst dadurch, dass jemand bestimmte Datenbestände mit weiteren Datenquellen kombiniert und sie mit anderen teilt. Wir erleben eine klare Tendenz zur Aggregierung und zum Teilen von Daten. Das liegt im Kern daran, dass Daten „nicht rivale Güter“ sind: Mehrere Unternehmen können sie gleichzeitig nutzen, ohne dass man andere ausschließt.

»Unternehmen haben die Sorge, ›auslesbar‹ zu werden und ungewollt Geschäftsgeheimnisse preiszugeben.«

Alexander Duisberg, Partner bei Bird & Bird in München

Aber ist es nicht auch ein Nachteil, wenn Unternehmen jeden Einzelfall neu regeln müssen?

Durchaus. Es gibt eine gewisse Rechtsunsicherheit. Unternehmen wissen oft auch gar nicht, was sich vertraglich regeln lässt. Durch die Vertragsfreiheit kann es auch ein Ungleichgewicht der Kräfte geben, wenn starke Marktteilnehmer schwächeren ihre Bedingungen diktieren oder Daten zurückhalten, weil ihnen das Wettbewerbsvorteile verschafft.

Eine besondere Herausforderung ist die Sorge von Unternehmen, „auslesbar“ zu werden und ungewollt ihre Geschäftsgeheimnisse preiszugeben, wenn sie ihre Daten veröffentlichen.

Wie könnte man hier eingreifen?

In Einzelfällen kann man über den regulierten Zugang zu Datenschnittstellen nachdenken. Oft genügt es ja, dass ein Marktteilnehmer anderen die relevanten Rohdaten nicht exklusiv zur Verfügung stellen muss. Die Branche muss dafür auch mithilfe der Branchenverbände über passende Anreizmodelle und sinnvolle Vertragsmuster zum Datenschutz nachdenken.

Wer darf die Daten nutzen, die eine Maschine im Betrieb erzeugt?

Hier kommt es ganz auf die vertraglichen Regelungen zwischen dem Nutzer der Maschine und dem Hersteller an. Allgemeiner ausgedrückt geht es um Regelungen zwischen demjenigen, der faktisch Zugriff auf die Daten hat, und demjenigen, der die Daten nutzen möchte, etwa um den Zustand einer Maschine zu überwachen und eine vorausschauende Wartung anzubieten.

Dank der Rechte des Datenbankherstellers kann derjenige, der vorstrukturierte Daten auslesbar bereithält, sich an den Anfang der Wertschöpfungskette setzen.

Welche Wege gibt es, die Daten rechtlich zu schützen?

Daten oder Datensammlungen sind schon jetzt geschützt – durch das Recht des Datenbankherstellers, den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und das Strafrecht. Die besten Wege zum rechtlichen Schutz von Daten sind aber kluge vertragliche Absicherungen: Damit schützen Unternehmen die Vertraulichkeit, die technische Datensicherheit und die Verwendung der Datenauswertungen gerade auch dann, wenn sie dem Datengeber von Nutzen sein können.

So empfehlen wir häufig den Inhabern beziehungsweise Betreibern von Maschinen, mit ihren Dienstleistern vertraglich genau festzulegen, welche Daten in welchem Datenformat ihnen aus der Zustandsüberwachung und der vorhersagenden Wartung („Predictive Maintenance“) spätestens bei Vertragsende herausgegeben werden sollen. Das kann ein erheblicher Faktor für den Wechsel zu einem anderen Dienstleister darstellen.