Mai 2019
Autor: Achim Haug
Die Tesla Gigafactory 1 im amerikanischen Sparks, Nevada, im März 2018. Nach ihrer Fertigstellung 2020 wird sie laut Tesla das größte Gebäude der Welt sein. Anfang 2019 hat Tesla-Chef Elon Musk den Grundstein für eine weitere Gigafactory in Shanghai gelegt – im Wachstumsmarkt Asien. © JASON HENRY/NYT/Redux/laif
Daimler will bis 2030 Batteriezellen im Volumen von 20 Milliarden Euro beschaffen.
Ein Großteil der Kapazitäten zur ¬Batteriezellherstellung entsteht bis zum Jahr 2028 in China.
Quellen: Daimler AG, Benchmark Minerals
Wenn sie im Jahr 2020 fertig ist, wird sie das größte Gebäude der Welt sein – Baukosten: bis zu fünf Milliarden US-Dollar. Multiunternehmer Elon Musk will sich durch die Gigafactory 1 in Nevada gemeinsam mit Panasonic die Versorgung seiner Tesla-Elektroautos mit Batteriezellen sichern. Die Anlage soll jährlich bis zu 35 Gigawattstunden produzieren. Anfang 2019 hat Musk in Shanghai den Grundstein für die zweite Gigafactory der Amerikaner gelegt, eine dritte könnte bald in Europa folgen.
Der Bedarf ist riesig: Allein Daimler hat Anfang 2019 angekündigt, bis 2030 für 20 Milliarden Euro Batteriezellen beschaffen zu wollen. Bislang muss ein Großteil der Zellen für europäische Autowerke aus Asien importiert werden, hier werden sie nur noch zu Batteriepacks gepackt. Die Industrie ist sich weitgehend einig: Ohne den Aufbau eigener Kompetenzen in der Zellfertigung im Heimatmarkt wird es auch weltweit schwer.
»Logisch, dass die Ausrüstung für die großen Fabriken in Asien bevorzugt von lokalen Anbietern kommt.«
Sarah Michaelis, Leiterin der Fachabteilung Batterieproduktion
im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau
Bis 2030 werden zusätzlich 1.200 Gigawattstunden Batteriezellenproduktion gebraucht, das reicht für 24 Millionen Elektroautos pro Jahr, veranschlagt das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung in Stuttgart. Davon könnten theoretisch 30 Prozent in Europa stehen. Das entspräche 30 neuen Gigafactories – ein Riesenmarkt, den neben der Automobilindustrie vor allem die Maschinenbauer im Blick haben.
Die meisten der 70 Gigafactories, die im Februar 2019 weltweit im Bau oder in der Planung waren, befinden sich laut Marktforscher Benchmark Minerals allerdings in Asien. Beispiel: SK Innovation. Die Südkoreaner haben Anfang 2019 angekündigt, ihre weltweiten Produktionskapazitäten zu verzehnfachen, innerhalb von nur vier Jahren auf dann 55 Gigawattstunden. Im November 2018 wurde SK Innovation zum strategischen Batteriezelllieferanten von Volkswagen, neben Contemporary Amperex Technology (CATL) aus China sowie LG Chem und Samsung SDI aus Südkorea. Zu den größten Playern gehören außerdem Tesla-Ausrüster Panasonic und BYD aus Südchina.
Die neuen Gigafactories
Derzeit sind weltweit 70 Gigafactories zur Herstellung von Batteriezellen in Elektroautos im Bau, die meisten in Asien. Die wichtigsten Projekte im Überblick:
Vornehme Zurückhaltung
Deutsche Konzerne wagen sich nicht so recht aus der Deckung. Das TerraE-Konsortium verschiedener namhafter Firmen mit Interesse an einer deutschen Batteriezellfertigung gilt seit 2018 als gescheitert. Inzwischen wird TerraE von der BMZ Gruppe aus Karlstein weitergeführt, einem der größten europäischen Hersteller von Batteriesystemen. BMZ plant mit dem Elektroauto-Start-up Streetscooter weiterhin eine Gigafactory – Nordrhein-Westfalen ist im Rennen.
Die Autobranche selbst zögert. Selbst Megazulieferer wie Bosch oder Continental winken ab oder wollen erst beim nächsten Technologiesprung einsteigen, der Festkörperbatterie. Batterieexperte Kai Peter Birke von der Universität Stuttgart hält das für einen großen Fehler. „Die Lithium-Ionen-Zelle ist derzeit das beste Modell und noch lange nicht ausentwickelt.“ Er hält Gigafactories auf deutschem Boden aus einem weiteren Grund für sinnvoll. „Derzeit wird mit extrem großem Ausschuss produziert“, sagt er. „Eine hocheffiziente, digitalisierte Batteriezellproduktion kann daher wettbewerbsfähig sein.“ Während die deutsche Bundesregierung bei der Kommission der Europäischen Union (EU) Lobbying für Subventionen in europäische Gigafactories betreibt, schaffen LG Chem und CATL Tatsachen. Die Südkoreaner planen in Polen eine Verdreifachung der Produktionskapazitäten, um künftig Zellen für 300.000 statt bisher 100.000 Elektroautos jährlich bauen zu können – mit EU-Subventionen. Und CATL aus dem Osten Chinas baut in Thüringen die erste Fabrik für Elektroautozellen in Deutschland.
Für den deutschen Maschinenbau bedeutet das Herausforderungen. „Wenn die großen Fabriken in Asien gebaut werden, ist es logisch, dass die Ausrüstung bevorzugt von lokalen Anbietern kommt“, warnt Sarah Michaelis, Leiterin der Fachabteilung Batterieproduktion im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Sie sieht vor allem im Produktionsequipment Möglichkeiten, neue Absatzmärkte zu generieren. Doch ohne Projekte „vor der Haustüre“ – bevorzugt von heimischen Firmen – können die Firmen nur wenige Erfahrungen sammeln.
Rohstoffe – Heikles Material
Keine Zelle ohne Lithium und Kobalt
Rohstoffe machen rund 70 Prozent des Wertes einer Batteriezelle aus. Neben Lithium und Kupfer sind dies vor allem Grafit für die Anode sowie Nickel, Kobalt oder Mangan für die Kathode. Firmen wie BASF oder SGL Carbon liefern diese Rohstoffe. Gerade bei den Aktivmaterialien der Zellen ist aber der Zugang auf wenige Länder und Unternehmen konzentriert. Die Marktpreise schwanken stark, und chinesische Firmen haben sich aggressiv den Zugang zu Lithium- und Kobaltminen gesichert. Die größte Transaktion 2018 war der Kauf des chilenischen Lithiumproduzenten SQM für 4,1 Milliarden US-Dollar.
Prekäre Arbeitsbedingungen in Kongo
Noch unwohler wird es den Unternehmen nur bei den Ursprüngen von Kobalt: Rund zwei Drittel des Metalls, das die Energiedichte der Zellen erhöht, stammt aus der Demokratischen Republik Kongo. China kontrolliert auch hier wichtige Teile der Lieferkette. Selbst mit großem Einsatz fällt es schwer, die zum Teil prekären Abbaubedingungen in den Minen des fragilen Staats zu ändern. BMW versucht dies in der Responsible Cobalt Initiative der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.
Neue Technik und Recycling sollen helfen
Der Kobaltgehalt soll in den Zellen der Zukunft sinken – dies verspricht zumindest die neue Generation nickelreicher Zellen in der sogenannten NCM811-Mischung, in der 80 Prozent Nickel, zehn Prozent Kobalt und zehn Prozent Mangan zum Einsatz kommen. Ab 2019 will CATL auf solche nickelreichen Zellen umschwenken. Auch LG Chem und SK Innovation aus Südkorea arbeiten an den NCM811-Mischungen. Eine Alternative wäre das Recycling ausgedienter Batterien, um etwa Kobalt zurückzugewinnen. Panasonic plant derweil sogar Batteriezellen, die ganz ohne Kobalt auskommen.
Den Deutschen fehlen Referenzen
Erfahrung jedoch wäre wichtig: Eine Studie des VDMA sieht die Chancen für deutsche Ausrüster auf dem Weltmarkt ohne Referenzprojekte bei unter fünf Prozent. Mit Referenzen steigt der Wert stark an. Und für Fabriken in Europa hätten die deutschen Maschinenbauer Wettbewerbsvorteile – allein durch Service und Wartung sowie die gemeinsame Entwicklung von Prozessen. Bis 2025 könnten dann zwei Drittel des europäischen Bedarfs durch europäische Technik gedeckt werden. Dies soll dann auch Schubwirkung für das Exportgeschäft entfalten und europäischen Anbietern einen bedeutenden Anteil am Weltmarkt sichern.
Das Know-how für Batterietechnik sei hierzulande hoch entwickelt, betont Jens Tübke, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Batterien. Erst durch eigene Fabriken könnten die Firmen aber Prozessexpertise entwickeln. Eine ergänzende Anschubfinanzierung hat aus Sicht von VDMA-Expertin Michaelis nur Sinn, wenn in erster Linie private Investoren die treibende Kraft sind. Und: Man solle möglichst früh in der Wertschöpfungskette fördern, etwa Produktionsforschung und Grundlagenforschung mit Wissenstransfer.
Besonders stark sind deutsche Firmen im Bereich Modul- und Packfertigung. Komplette Linien liefern Kuka oder Thyssenkrupp System Engineering. In der Zellfertigung bringt dagegen insbesondere die hohe Spezialisierung der hier ansässigen Maschinen- und Anlagenbauer Wettbewerbsvorteile. Für komplette Anlagen zur Zellfertigung stehen Unternehmen wie Jonas und Redmann und die Manz AG, die bereits internationale Aufträge vorweisen können. Nach zahlreichen Pilotanlagen hat bei Manz im April 2018 ein Kunde aus Europa eine Produktionsanlage für Lithium-Ionen-Akkus bestellt. Immer wieder erhalten die Firmen auch Aufträge aus Asien, aber noch läuft das Geschäft zäh. Tesla hat die Firma Grohmann 2017 übernommen. Wenig später wurde bekannt, dass die Prümmer Automatisierungsspezialisten nur noch an die Gigafactory in Nevada liefern. Bereits in der Tesla-Fabrik aktiv ist Heitkamp & Thumann, die Metallgehäuse für die Batterien herstellen – und diese Technologie auch nach Asien exportieren.
Die Zukunft für europäische Batteriezellfabriken liegt wohl in Konsortien. In Schweden wird von Northvolt so die derzeit größte Zellfabrik Europas errichtet. Siemens baut daran mit und soll mit seiner Digitalen Fabrik den entscheidenden Wettbewerbsvorteil gegenüber Asien liefern.
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