»Umsetzung mit Augenmaß«
Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – auch als Lieferkettengesetz bekannt – ist am 1. Januar 2023 in Kraft getreten. Für die Umsetzung ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) verantwortlich. Die zuständige BAFA-Referatsleiterin Cathrin Brechtel erklärt, wie.
Februar 2023
Interview: Achim Kampf
Textilarbeiterin in Bangladesch: Unternehmen müssen nachweisen, dass ihre Zulieferer die Menschenrechte achten. © Allison Joyce/Redux/laif
Wie versteht das BAFA seinen Auftrag im Rahmen des Lieferkettengesetzes?
Cathrin Brechtel: Wir verstehen uns grundsätzlich als Partner der Unternehmen. Es geht darum, gemeinsam dafür zu sorgen, dass sie ihren Sorgfaltspflichten nachkommen. Deshalb hat das BAFA bereits im vergangenen Jahr einen Stakeholder-Prozess initiiert, in dem wir gemeinsam mit Akteuren aus Wirtschaft und Zivilgesellschaft über die Umsetzung des Gesetzes beraten haben. Dieser Gedanke spiegelt sich auch in unserem Beirat wider, der sich im Frühjahr letzten Jahres konstituiert hat und das BAFA berät. Er setzt sich aus sechs Mitgliedern aus Wirtschaft, Zivilgesellschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft zusammen. Darüber hinaus unterstützen wir die betroffenen Unternehmen mit Handreichungen.
Wie sehen die Handreichungen des BAFA konkret aus?
Cathrin Brechtel: Wir haben bereits eine Handreichung zum Herzstück des Gesetzes, zur Risikoanalyse, veröffentlicht. Außerdem haben wir eine weitere zum Beschwerdeverfahren in Unternehmen veröffentlicht. Sie beschreibt die Anforderungen des Gesetzes, zeigt die Rolle des Beschwerdeverfahrens im Sorgfaltsprozess auf und bietet Hilfestellungen und praktische Tipps für die Umsetzung. Eine weitere Handreichung zur Angemessenheit ist ebenfalls veröffentlicht. Weitere, auch branchenspezifische Handreichungen werden folgen. Diese werden bald in weiteren Sprachen zur Verfügung gestellt, geplant ist die Veröffentlichung auf Englisch, Französisch und Spanisch. Die Handreichung zur Risikoanalyse steht bereits in englischer Fassung zur Verfügung. Zudem beantwortet das BAFA Fragen zur Umsetzung des Gesetzes, die uns besonders häufig erreicht haben. Diesen FAQ-Katalog entwickeln wir fortlaufend weiter und aktualisieren ihn auf unserer Webseite.
Außerdem ist das BAFA dabei, ein elektronisches Verfahren für Beschwerden über Sorgfaltspflichtenverstöße durch Unternehmen einzurichten. Die Onlineeingabemaske für dieses Auftragsverfahren steht seit Beginn dieses Jahres zur Verfügung.
Cathrin Brechtel leitet seit Juli 2022 das Grundsatzreferat Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle. Die Juristin war zuvor als Rechtsanwältin im Bereich der Außenwirtschaftsförderung beratend tätig.
Unternehmen sind verpflichtet, einen Bericht über die Erfüllung der im Gesetz verankerten Sorgfaltspflichten zu veröffentlichen. Wie hilft das BAFA ihnen dabei?
Cathrin Brechtel: Das BAFA unterstützt die Unternehmen bei der Erfüllung ihrer Sorgfaltspflichten in vielerlei Hinsicht. Der jährliche Bericht über die Erfüllung der unternehmerischen Sorgfaltspflichten muss beim BAFA eingereicht und veröffentlicht werden. Aus dem Bericht muss hervorgehen, wie Unternehmen die Anforderungen des Gesetzes umsetzen. Das Verfahren zur Berichtspflicht ist nicht kompliziert: Die Unternehmen müssen einen elektronischen Fragebogen ausfüllen, aus dessen Antworten generiert sich der Bericht. Der Fragebogen übersetzt die gesetzlichen Anforderungen der Berichtspflicht in konkrete und leicht verständliche Fragen. Wird der Fragebogen vollständig und wahrheitsgemäß beantwortet, gilt die Berichtspflicht als erfüllt. Der Aufwand für den Fragebogen bemisst sich am individuellen Risikoprofil des Unternehmens.
Selbstverständlich berücksichtigen wir die unterschiedlichen unternehmerischen Realitäten insbesondere im ersten Berichtszeitraum. Daher enthält der Fragebogen auch Freitextfelder. Dort können Unternehmen begonnene, aber nicht abgeschlossene Prozesse sowie Inhalte aus bereits bestehenden Berichten in den Bericht einbringen. Insgesamt orientiert sich der Fragebogen an der „Bemühenspflicht“, die auch im Gesetz angelegt ist. Der Fragenkatalog wird demnächst auch in elektronischer Form verfügbar sein. Er wird zudem, wie auch die Handreichungen, in Englisch, Französisch und Spanisch zur Verfügung stehen.
Welche Kriterien legt das BAFA an die Berichte an?
Cathrin Brechtel: Unternehmen dürfen und sollen ihre Ressourcen zielgerichtet einsetzen: Die menschen- und umweltrechtlichen Risiken müssen zwar umfassend, systematisch und für das BAFA nachvollziehbar erfasst werden. Aber: Die Unternehmen haben einen großen Spielraum bei der Entscheidung, welche Risiken zuerst angegangen werden und welche Maßnahmen sinnvoll sind, das heißt, Unternehmen dürfen priorisieren. Diesen Spielraum wird das BAFA bei der behördlichen Kontrolle berücksichtigen. Das BAFA wird – besonders auch im ersten Berichtszeitraum – die Anstrengungen der Unternehmen bei seinen Prüfungen, Entscheidungen und möglichen Sanktionen besonders beachten.
Ansonsten bemisst sich der Aufwand am Risikoprofil des jeweiligen Unternehmens. Je risikoaffiner ein Unternehmen ist, desto mehr Angaben müssen im Rahmen der Berichtspflicht gemacht werden. Wenn ein Unternehmen zudem plausibel darlegt, dass keine menschenrechtlichen oder umweltbezogenen Risiken vorliegen und dass entsprechende Pflichten nicht verletzt werden, dann sind auch keine weiteren Ausführungen nötig.
Und wie kontrolliert das BAFA die Angaben?
Cathrin Brechtel: Das BAFA wird bei den Prüfungen risikobasiert vorgehen. Bei der Auswahl der Unternehmen, die das BAFA intensiver prüfen wird, werden verschiedene Kriterien angelegt. Teilweise werden wir uns schwerpunktmäßig auf Unternehmen konzentrieren, die in sensitiven Bereichen tätig sind – das können Unternehmen sein, die in speziellen Ländern oder Branchen aktiv sind. Risikobasierte Kontrolle bedeutet auch, zufällige Stichproben näher zu überprüfen.
Ein wichtiger Punkt wird unter anderem sein, wie plausibel der eingereichte Bericht eines Unternehmens ist. Reicht ein Unternehmen einen Bericht ein, der schlüssig und plausibel ist, hat das natürlich Einfluss auf die risikobasierte Kontrolle. Es ist wichtig, dass das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz gut – und das heißt mit Augenmaß – umgesetzt wird. Alle Unternehmen, die sich ernsthaft und aktiv mit den Anforderungen des Gesetzes beschäftigen, werden diese erfüllen können.
Service & Kontakt
Das Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz im Überblick.
Weitere Informationen zum Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz finden Sie auf den Seiten des BAFA.
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