Oktober 2019
Autorin: Frauke Schmitz-Bauerdick
Bosch fährt vor: Gemeinsam mit dem vietnamesischen Autobauer Vinfast hat der deutsche Industriekonzern die elektrischen Klara-Roller entwickelt. Gerade in Megacitys wie Hanoi braucht es neue Mobilitätskonzepte. ©NguyenDucQuang
Im März besuchte der vietnamesische Minister für Planung und Investitionen Nguyen Chi Dung Deutschland. Dieser Besuch war hierzulande seit Längerem einer der ersten Auftritte eines hochrangigen Regierungsvertreters des Landes. Die Visite markierte nicht nur die Normalisierung der deutsch-vietnamesischen Beziehungen nach der Entführung eines vietnamesischen Geschäftsmanns in Berlin im Jahr 2017, sondern offenbarte auch ein konkretes Ziel des Ministers: Er war auf Werbetour für Vietnam, denn das Land wünscht sich ein stärkeres Engagement deutscher Investoren.
Der Lockruf klingt durchaus attraktiv. Denn der Staat präsentiert sich als offener Handelspartner, statt sich wie zahlreiche Wirtschaftsmächte protektionistisch abzuschotten. Dazu kommen eine Vielzahl an Freihandelsabkommen, eine stetig wachsende Wirtschaft, politische Stabilität, im asiatischen Vergleich niedrige Lohnkosten und eine technikaffine junge Bevölkerung. Zudem spielt der Handelsstreit zwischen den USA und China Vietnam in die Karten: Er verstärkt nämlich den Druck auf in China tätige Unternehmen, die sich zunehmend alternative Produktionsstandorte suchen.
Der Minister für Planung und Investitionen Dung hatte auf seiner Deutschlandreise noch ein besonderes Geschenk für produzierende und forschende Unternehmen im Gepäck: Firmen, die in den Bereichen Hochtechnologie, Maschinenbau oder Zulieferindustrien unterwegs sind, winken attraktive Steuervorteile.
Daten & Fakten
US-Dollar haben ausländische Investoren kumuliert in 2017 in Vietnam investiert.
US-Dollar haben deutsche Unternehmen im Jahr 2018 in Vietnam investiert.
der Exporte Vietnams stammten im Jahr 2018 von international tätigen Firmen.
Quelle: General Statistics Office of Vietnam, Ministry of Planning and Investment
Kritische Bewertung gefragt
Trotz aller Lockrufe bleiben deutsche Firmen noch zurückhaltend. Zwar sind nach einer Aufstellung der deutschen Auslandshandelskammer in Vietnam rund 350 deutsche Unternehmen vor Ort, allerdings produzieren lediglich 48 davon auch im Land. Als Handelspartner ist Vietnam für Deutschland ebenfalls noch nicht von großer Bedeutung. 2018 stand Vietnam an 45. Stelle der wichtigsten Exportziele für deutsche Güter.
Attraktive Geschäftsmöglichkeiten winken vor allem Automobilherstellern und -zulieferern, Konsumgüterherstellern und Unternehmen aus den Bereichen erneuerbare Energien und Medizintechnik. Gefragt sind auch deutsche Umwelttechnologien und Investitionen in die vietnamesische Infrastruktur.
Einer, der den Schritt nach Vietnam gewagt hat, ist Kjellberg aus dem brandenburgischen Finsterwalde. Seit Anfang des Jahres ist der Maschinenbauer mit einer Repräsentanz in Vietnam vertreten. Enrico Hein, Chefrepräsentant in Ho-Chi-Minh-Stadt, ist mit dem Geschäft vor Ort zufrieden. „Die Umsätze sind im vergangenen Jahr stark nach oben gegangen“, berichtet er. Der Grund: Vietnamesische Zulieferer investieren stärker als bisher in ihre Produktion, dafür brauchen sie deutsche Maschinen.
Schnellcheck – Herausforderung Vietnam
Problem: Kaum Zulieferindustrien, ein Großteil der Vorprodukte für die Produktion müssen teuer ins Land eingeführt werden
Lösung: Große international tätige Unternehmen bilden lokale Unternehmen zu Zulieferern aus
Problem: Zu wenige Fachkräfte
Lösung: Unternehmen arbeiten mit staatlichen Universitäten und Ausbildungsstätten zusammen oder nehmen die Aus- und Fortbildung selbst in die Hand
Problem: Lücken in der Infrastruktur erhöhen Logistikkosten
Lösung: Ansiedlung in qualitativ hochwertigen Industrieparks mit guter Anbindung erleichtert die logistische Abwicklung
Problem: Schwieriges, in Einzelsektoren rasch wechselndes regulatives Umfeld und eingeschränkter Rechtsschutz
Lösung: Compliance und Qualität sind wichtige Argumentationshilfen bei Problemen mit Behörden
Doch: Der Wettbewerbsdruck steigt, da immer mehr ausländische Unternehmen ins Land drängen. Das führt dazu, dass gerade in industriellen Ballungsräumen rund um Städte wie Ho-Chi-Minh-Stadt oder Hanoi Grund und Boden knapper und daher teurer werden. Aufs Land auszuweichen, ist keine Option, denn nur mit einer verkehrsgünstigen Anbindung lassen sich die Produktionskosten im Griff halten.
Auch der Mangel an ausgebildeten Facharbeitern stellt Investoren vor Probleme. Deutsche Unternehmen wie DB Schenker und Bosch haben daher in Kooperation mit der deutschen Auslandshandelskammer vor Ort eigene Ausbildungsgänge nach deutschem Vorbild eingerichtet. So ziehen sie sich ihre Facharbeiter von morgen einfach selbst heran. Auch der vietnamesische Autobauer Vinfast bildet nach deutschen Standards aus – eine Seltenheit in Vietnam.
Die Firma Kjellberg denkt trotz bestehender Probleme bereits daran, in Vietnam eine Produktion aufzubauen. „Vietnam kommt unseren Compliance-Regeln mehr entgegen als China oder die Philippinen. Geografisch liegt Ho-Chi-Minh-Stadt so günstig, dass wir damit ganz Südostasien abdecken können“, sagt Firmenvertreter Hein. Minister Dung wird, so viel scheint sicher, ein Unternehmen wie Kjellberg mit offenen Armen empfangen.
Service & Kontakt
Ihre GTAI-Ansprechpartnerin
Lisa Flatten
+49 228 249 993 392
Weitere Informationen zu Vietnam finden Sie auf der GTAI-Länderseite: www.gtai.de/vietnam
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