Juni 2017
Autor: Christian Overhoff
Ein neues Vorzeigeviertel im Blitzlichtgewitter: Für Serbiens Präsidenten Aleksandar Vučić (Mitte, mit Brille) ist Belgrade Waterfront ein Prestigeobjekt. Finanziert wird es von einem Investor aus Abu Dhabi.
© ANDREJ ISAKOVIC/Staff
Auf der Großbaustelle von Belgrade Waterfront ragen Kräne in den Himmel. Die Bauarbeiter in den oberen Stockwerken der Rohbauten arbeiten am Herzstück des Areals, dem 200 Meter hohen Wolkenkratzer Kula Belgrade. Die Pläne für das Geschäftszentrum sind so gewaltig, dass einige schon vom „serbischen Manhattan“ sprechen. Insgesamt soll das futuristische Neubauviertel auf einer Fläche von 1,8 Millionen Quadratmetern 6.000 Wohn- und Büroeinheiten und 600 Hotelräume sowie mehrere Shoppingmalls beherbergen. Ein Großteil des Kapitals kommt aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der Investor Eagle Hills aus Abu Dhabi hat mehr als 2,7 Milliarden Euro versprochen. Aktuell ist das Unternehmen an Milliardenprojekten in sechs Ländern beteiligt. Bisher soll Eagle Hills dem Wirtschaftsmagazin „Forbes“ zufolge über 146 Millionen Euro in Belgrade Waterfront investiert und weitere 275 Millionen Euro an Serbien ausgeliehen haben. Bis 2030 sollen alle Gebäude stehen.
Prestigeprojekt des Präsidenten
Politisch rangiert das Vorhaben ganz oben. Belgrade Waterfront gilt als persönliches Prestigeprojekt von Serbiens Präsidenten Aleksandar Vučić. In der Öffentlichkeit kam es zu heftigen Protesten: Vor allem das Verhalten der Behörden hat viele empört. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden die letzten Bewohner des Areals vertrieben, auf Hilferufe reagierte die Polizei nicht. Kritiker argumentieren, solch ein neues Stadtviertel der Superlative sei in dem verarmten Balkanstaat unsinnig.
In welchem Umfang und wie schnell Belgrade Waterfront tatsächlich realisiert wird, muss sich erst noch zeigen. Sicher ist: Für die Bauwirtschaft hat sich das Klima in Serbien deutlich verbessert. Die Wirtschaftsleistung des Landes wuchs 2016 um 2,8 Prozent, dieses Jahr dürften es 3,0 Prozent werden. Die Mieten für hochklassige Büroimmobilien in Belgrad sind stabil und liegen auf einem ähnlichen Niveau wie in Bukarest oder Bratislava. A-Klasse-Flächen kosten derzeit zwischen 14,50 und 16,50 Euro pro Quadratmeter im Monat. Auch das administrative Klima ist seit 2016 freundlicher: Baugenehmigungen vergibt nur noch eine einzige Stelle, meist innerhalb von 156 Tagen. Im Hochbau ziehen die Auftragswerte spürbar an. Der Wert der 2016 neu genehmigten Vorhaben stieg um rund ein Viertel auf 1,4 Milliarden Euro.
Interview
»2016 war das stärkste Jahr seit 2010«
Claus Graggaber ist Geschäftsführer des Immobilieninvestors Erste Group Immorent Serbia. Im Interview erklärt er, warum die Baubranche in Serbien sich so vielversprechend entwickelt.
Warum ist Belgrad gerade jetzt so interessant für Projektentwickler?
Wir haben Belgrad immer als einen Markt mit viel Potenzial betrachtet. Ausschlaggebend ist die zentrale Lage in der Region, die gute Verkehrsanbindung wie etwa die Kreuzung zweier europäischer Verkehrskorridore und insbesondere die Verfügbarkeit von preiswerten und gut ausgebildeten Arbeitskräften.
Wie entwickelt sich das Angebot in Belgrad?
Der Neuzugang an Bürofläche steigt deutlich, seit drei Quartalen in Folge. 2016 war das stärkste Jahr seit 2010. Ungefähr 50.000 Quadratmeter kamen innerhalb des Jahres auf den Markt. Der Bestand an modernem Büroraum wuchs auf 812.000 Quadratmeter vermietbarer Gesamtfläche.
Wie steht es um den Leerstand?
Der hohe Angebotszuwachs führte zu einer leichten Zunahme des Leerstands auf rund 7,5 Prozent Ende 2016. Mit Blick auf die relativ starke und stabile Nachfrage sollte die Leerstandsquote in nächster Zeit nicht weiter ansteigen.
Wann wird der zweite Bauabschnitt von Sirius starten?
Das hängt von der Marktlage ab. Es gibt die Option, mit Phase zwei im vierten Quartal 2017 zu starten. Die Phase sieht Büroflächen von weiteren rund 10.000 Quadratmetern sowie 130 Tiefstellplätzen vor.
Welche Qualitätsanforderungen stellen Sie an das Gebäude?
Ein Hauptaugenmerk war Nachhaltigkeit und Gebäudeeffizienz, die sich positiv auf die Betriebskosten auswirkt. Die Haustechnik entspricht dem modernsten Stand der Technik. Unser Ziel ist darüber hinaus eine Zertifizierung als „Excellent“ durch das britische Nachhaltigkeitszertifikat BREEAM.
Kommen bei der Ausführung auch internationale Unternehmen zum Zug?
Das Design stammt von österreichischen Architekten. Unser Generalauftragnehmer ist Strabag Österreich. Die Gebäudetechnik wie Aufzüge, Heizung, Lüftungs- und Klimatechnik kommt von internationalen Zulieferern.
Fenster und Pumpen aus Deutschland
Neben dem Prestigeprojekt entsteht in Belgrad viel neuer Büroraum. Als Vorzeigeprojekt gilt der neue Komplex Sirius, der von der österreichischen Erste Group Immorent Serbia entwickelt wird und 28.000 Quadratmeter Fläche haben soll. Bisher hat Sirius 39 Millionen Euro gekostet, die zweite Bauphase ist mit 20 Millionen Euro veranschlagt. Aufträge gingen auch an deutsche Anbieter: So kommen Ventilatoren von dem Unternehmen Gebhardt, OBO Bettermann sorgt für Installationssysteme, Schüco für Fenster und Türen und Wilo für Pumpen.
Auch der deutsche Kunststoffsystemhersteller Rehau ist in Serbien gut im Geschäft. Rehau erzielte 2016 einen Umsatz von acht Millionen Euro, den Großteil davon mit Fenstern, Wasserinstallationen und Heizungssystemen. „Es gibt kein größeres Bauprojekt in Serbien, bei dem Rehau nicht vertreten ist“, sagt Nikola Ivošević, Geschäftsführer des Rehau-Vertriebsbüros in Serbien. „Ein enormes Potenzial sehen wir in der energetischen Sanierung von bestehenden Objekten.“ Der Wettbewerb gestalte sich ähnlich wie in anderen europäischen Ländern. Bei privaten Investoren stünden Eignung und Qualität im Vordergrund, während bei öffentlichen Ausschreibungen allein der Preis zähle.
Zukünftig möchte das Land vor allem seine Infrastruktur verbessern: Die serbische Regierung investiert in den Ausbau von Verkehrswegen, Wasserversorgung und -entsorgung. So ist etwa der Bau einer U-Bahn in Belgrad für 800 Millionen Euro geplant, Ende 2018 soll es losgehen. Geld für Infrastrukturprojekte stammt oft von der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung oder der Weltbank, was transparente Ausschreibungen voraussetzt.
Ihr GTAI-Ansprechpartner für Serbien
Christian Overhoff
+49 228 24 993 321
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