Noch ausbaufähig

KMU aus europäischen Nachbarländern sind in Afrika oft deutlich aktiver als deutsche Firmen. Wie haben sie den Markteinstieg in Afrika geschafft? Wie organisieren sie den Vertrieb und kommen dabei noch gegen die Konkurrenz aus China an? Die Learnings im Überblick.

Juni 2022
Autor:innen: Samira Akrach und Ulrich Binkert

Ein Deutscher an seiner Stelle hätte vermutlich spätestens bei der fünften Runde entnervt aufgegeben. Eduardo Soares leitet die portugiesische Niederlassung von Helukabel und verkauft von Portugal aus die Elektrokabel des deutschen Unternehmens auch nach Mosambik und Angola. Sein Angebot an eine Behörde in Mosambik musste er 16-mal umschreiben. Aber am Ende hatte er den Auftrag in der Tasche.

Es ist eines der Probleme deutscher Exporteure auf dem Kontinent: Unternehmen aus dem europäischen Ausland – Niederländer, Franzosen, Spanier, Italiener – sind in Afrika oft viel erfolgreicher unterwegs als deutsche. Für die Subsahara-Region ohne Südafrika ist Frankreich der zweitgrößte Investor nach China, das in den vergangenen Jahren zu Afrikas wichtigstem Wirtschaftspartner aufgestiegen ist.

Das hat viele Gründe. Unternehmensvertreter aus anderen EU-Ländern finden sich in Afrika oft besser zurecht. Wie in Südeuropa gehen die Uhren in Afrika anders, können Exporteure nicht auf die aus Deutschland gewohnte Effizienz und Gründlichkeit pochen. In Afrika spielen auch persönliche Beziehungen eine große Rolle – eher unüblich für Deutschland, in Spanien oder Italien ganz normal.

Italienische Firmen wie die Unternehmensberatung Itare nutzen die kulturellen Gemeinsamkeiten gezielt aus: Giorgio Traietti, Leiter Unternehmensentwicklung bei Itare, berichtet: „Bei 90 Prozent der Abschlüsse fanden die entscheidenden Gespräche beim Abendessen statt. Ein Anteil übrigens, der sich nach unserer Erfahrung auf den gesamten Kontinent übertragen lässt.“ Im frankofonen Westafrika wiederum sind die Franzosen historisch verankert und geschäftlich stark vertreten, viele französische Firmen beschäftigen Mitarbeiter aus der Region, die in Frankreich studiert haben.

Was genau aber machen nicht deutsche Exporteure aus Europa anders? Und wo können hiesige Unternehmen von Niederländern, Belgiern oder Franzosen lernen?

Öltanks der Firma Mahathi Infra in Entebbe in Uganda: Unternehmen der Branche in Afrika schätzen ganz besonders die Werkzeuge des spanischen Herstellers Ega Master. © Bloomberg/Kontributor


»Wir können Preise verlangen, die ein Viertel höher sind als in Europa.«

ANER GARMENDIA,
Geschäftsführer von Ega Master

Der spanische Hersteller hochwertiger Werkzeuge hat gerade in den französischsprachigen Ländern viel Platz. Dort sind in der Ölbranche weniger Konkurrenten unterwegs als etwa in Nigeria oder Ghana. Geschäftsführer Aner Garmendia sagt, die Kunden schätzten seine Qualitätsprodukte, die sofort verfügbar sind und auf die es eine lebenslange Garantie gibt. „Dies alles hat seinen Preis, den der Kunde auch bezahlt.“ Was deutsche Werkzeughersteller machen? Die seien ja tatsächlich auf der ganzen Welt unterwegs, nur in Afrika treffe man sie kaum an. „Für die Öl- und Gasindustrie dort passen die Produkte der deutschen Anbieter weniger.“ Der Vertrieb in Afrika laufe dann wie in der Branche üblich: über einen Vertreter vor Ort, in Äthiopien zum Beispiel über eine Firma, die auch Bosch vertritt.

SCHRITT 1: FINDEN SIE VERBÜNDETE

Die meisten der 54 afrikanischen Märkte sind klein. Eine eigene Verkaufsniederlassung kommt angesichts geringer Umsätze für viele Unternehmen nicht infrage. Beispiel: Traktoren in Angola. In dem großen Land mit einem gewaltigen Agrarpotenzial finden zurzeit gerade einmal 100 neue Fahrzeuge pro Jahr einen Kunden. Federico Belloto organisiert für den italienischen Landmaschinenhersteller CNH den Verkauf für das ganze südliche Afrika von Südafrika aus. In Simbabwe hat er damit großen Erfolg und das erklärt der italienische Manager so: „Wir haben dort vor allem die richtigen Vertriebspartner.“ Deren Leute hätten das Ohr am Markt. „Die wissen frühzeitig, wenn sich etwas tut. Wenn Sie das erst aus der Zeitung erfahren, ist es zu spät.“

Mehrfachvertreter sind in Afrika stark präsent, Unternehmen also, die Produkte mehrerer Anbieter vertreiben und dies oft in mehreren Ländern. Werkzeugmacher Ega Master verkauft seine Werkzeuge zum Beispiel in Äthiopien über eine Firma, die auch Bosch im Programm hat. „In jedem von uns abgedeckten Land haben wir einen bis drei solcher Partner“, sagt Ega-Chef Aner Garmendia. In Afrika haben die Spanier kein eigenes Vertriebsbüro. Vielmehr versuchen die beiden Mitarbeiter der Niederlassung in ­Dubai, jeden Absatzmarkt im anglofonen Afrika einmal jährlich zu besuchen, um dort Partner und Kunden zu treffen.

Also lieber erst mal klein anfangen, so wie das spanische Start-up GRS. Der Funkgerätehersteller hat bisher noch nie Mitarbeiter auf den afrikanischen Kontinent geschickt, dafür aber schon eine erste Lieferung ­Walkie-Talkies nach Côte d’Ivoire. GRS bekam immer wieder Anfragen aus Afrika. „Die meisten Aktivitäten dort basieren gar nicht auf unserer Initiative“, sagt Firmenchef Pedro Roldán. Hilfreich waren Kontakte über andere spanische Firmen, die sich mit geschicktem Marketing ausbauen ließen.

Auch der italienische Telekommunikationsdienstleister Vue Tel hat in Afrika klein angefangen. Für Giovanni Ottati, der sein Geld für sich und seine 25 Mitarbeiter fast ausschließlich in Afrika verdient, war dort nach Tunesien ausgerechnet Burkina Faso der erste Markt. Das kleine Land in der Sahelzone, das viele vor allem mit ­Armut, Trockenheit und zuletzt auch viel Gewalt in Verbindung bringen. ­Ottati kannte dort den Geschäftsführer des drittgrößten Netz­betreibers. Für ihn installierte er Satellitenschüsseln und Schalttechnik. Die eigentliche Arbeit erledigte ein einheimischer Ingenieur, den Ottati zunächst nicht aus Umsätzen bezahlen konnte und deshalb persönlich ins Risiko ging. „Ich investierte also alles, und sie bezahlten mich später. Das war haarig, aber es funktionierte“, so Ottati.

Europäische Firmen in Afrika sehen sich dabei nicht nur als Wettbewerber. „Wir helfen uns gegenseitig“, sagt Olav Boenders von der Firma Wagagai, einem Betreiber von Pflanzenstecklingsfarmen in Uganda. Mit gemeinsamen Aktionen habe man schon viel bei den Behörden erreicht, etwa in Fragen der Besteuerung. Auch deutsche Unternehmen können durchaus von den Erfahrungen ihrer Partner aus Europa profitieren und bestenfalls sogar mit ihnen zusammenarbeiten.

Simon Shema vor seinem Traktor: Er ist Betriebsleiter einer Farm in Chegutu im Südwesten von Simbabwes Hauptstadt Harare. Nach dem Ende des Mugabe-Regimes 2017 kommt die Landwirtschaft des Landes langsam wieder in Fahrt. © Tony Karumba/Kontributor


»Auf die Vertriebspartner kommt es an.«

FEDERICO BELLOTTO,
Geschäftsführer für Landwirtschaft und Baumaschinen südliches Afrika bei CNH Industria

CNH Industrial, besser bekannt unter seinen Marken wie Iveco oder New Holland, verkauft jährlich 700 Traktoren ausgerechnet nach Simbabwe. In dem wirtschaftlich schwer gebeutelten Land hält das Unternehmen einen Absatzanteil von mehr als zwei Dritteln. Das liege vor allem am richtigen Vertriebspartner, so Geschäftsführer Federico Bellotto. Organisiert wird der Vertrieb durch unabhängige Importeure, eigene Verkaufsniederlassungen hat CNH nur in Südafrika selbst. Sehr hilfreich dabei ist das kulturelle Verständnis. „Wir sind zwar ein Konzern, verfügen aber sicherlich noch über jene italienische Flexibilität, die in Afrika einfach enorm wichtig ist“, sagt Bellotto. Die Traktoren werden vor allem an kleine Bauern sowie Behörden verkauft, die Landtechnik über Ausschreibungen beschaffen.

SCHRITT 2: SETZEN SIE AUF LOKALES PERSONAL

Ist man erst einmal vor Ort, stehen Unternehmen vor der großen Herausforderung, qualifizierte Mitarbeiter zu finden. Bei der Auswahl des lokalen Personals zahlen sich Ortkenntnisse aus. Der führende Thunfischverarbeiter in Côte d’Ivoire, das italienische Unternehmen Airone, hat deshalb die Personalstruktur genau im Blick. Das Management solcher Angelegenheiten überlässt die Firma Einheimischen. Neben dem Chef gibt es in Côte d’Ivoire nur einen weiteren Ausländer im Unternehmen.

Dass sie ein Team seien, gilt als wichtigster Faktor für den Erfolg von Airone. „Wir schicken ivorische Angestellte zu Lehrgängen oder Kursen nach Italien – so wie unsere italienischen Mitarbeiter auch. Auch wenn das mal 4.000 Euro kostet“, berichtet Geschäftsführer Sergio Tommasini. Die Leute spürten, dass sie alle den gleichen Respekt erhielten, egal, ob Ivorer oder Italiener. Wichtig sei auch ein personeller Austausch zwischen den Ländern. Die so ­geschulten Mitarbeiter wanderten auch nicht zur Konkurrenz ab.

Auch in Uganda setzen Unternehmen auf soziales Engagement. So gründete Stecklingproduzent Wagagai eine Krippe für die Babys der Beschäftigten und eine Krankenstation. „Davon profitieren sowohl die Farm als auch die Frauen“, sagt der Niederländer Olav ­Boenders. Auf Wohlwollen stößt derlei soziales Engagement auch bei zuständigen Behörden. Von der Zusammenarbeit mit ihnen berichtet der Manager jedenfalls viel Gutes. „Grundlegende Dinge wie die Rückerstattung der Mehrwertsteuer sind sehr gut organisiert.“