Februar 2017
Autor: Kaspar Nürenberg
Ein Parkplatz für Elektroautos mit kostenloser Stromtankstelle in der norwegischen Stadt Bergen. Wer in Norwegen ein Elektroauto besitzt, genießt viele Vorteile: So gibt es landesweit Steuervorteile, etliche kostenlose Parkplätze und Ladestationen. Außerdem dürfen elektrisch betriebene Autos jederzeit
auf Busspuren fahren.
© Ilja C. Hendel/laif
Norwegen meint es ernst. Langfristig möchte das Land gern so viele elektrisch betriebene Autos wie möglich auf seinen Straßen sehen – gleichzeitig soll es immer weniger Diesel- und Benzinautos geben. So möchte Norwegen Smog und Kohlenstoffdioxid möglichst reduzieren und besonders vorbildlich sein. Dafür setzt die Regierung nicht auf Verbote, sondern lieber auf Anreize, die elektrisch betriebene Autos attraktiver machen.
Das Beispiel zeigt: Wer heute Elektroautos baut und ins Ausland exportiert, kann sich auf goldene Zeiten freuen. Besonders in Norwegen und in China steigt der Bedarf an Elektroautos in den nächsten fünf Jahren immens. Für deutsche Hersteller, Zulieferer und Exporteure lohnt es sich, diese Märkte genauer anzuschauen.
Schon heute fahren über 100.000 Elektroautos durch Norwegen. Die Regierung hat viel dafür getan: Wer ein Elektroauto kauft, zahlt weniger Steuern, ist von der Maut befreit und darf vielerorts frei parken. Die Ladeinfrastruktur kann sich mit über 2.000 Schnellladestationen ebenfalls sehen lassen. Bis 2020 sollen 400.000 Elektroautos auf der Straße unterwegs sein. Der Strom aus norwegischen Steckdosen und Ladekabeln ist mit rund 16 Cent je Kilowattstunde relativ günstig, da er fast ausschließlich aus Wasserkraftwerken stammt. Die im Land geförderten Rohstoffe wie Öl und Gas werden nicht zur Energiegewinnung genutzt, sondern exportiert. Eine eigene Automobilindustrie hat das skandinavische Land bis auf einige kleinere Elektromobilitätsprojekte nicht – die ehrgeizigen Ziele stehen also nicht in Konflikt mit einem großen heimischen Industriezweig.
Auf der anderen Seite des Erdballs will auch die Volksrepublik China den Straßenverkehr attraktiver für Elektrofahrzeuge machen. Eine der wichtigsten Maßnahmen soll in den kommenden Jahren in Kraft treten: China plant ein Punktesystem, das in eine Quote mündet. Das Ziel: Mindestens acht Prozent der in China verkauften Fahrzeuge sollen über sogenannte neue Antriebsformen verfügen. Darunter fallen komplett elektrische, aber auch hybride Antriebe. Für jedes neu gebaute Elektroauto erhalten Hersteller vier Punkte, für Hybridfahrzeuge gibt es zwei Punkte. Wer die Quote nicht erfüllt, muss seine Produktion drosseln oder bei anderen Herstellern Punkte kaufen. Das System soll sich auf diesem Weg selbst regulieren, ähnlich wie beim Zertifikatehandel mit Emissionsrechten. Ursprünglich sollte die Quote 2018 eingeführt werden, inzwischen ist sie aufgrund von Protesten chinesischer Hersteller verschoben worden.
Staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung von E-Mobility
China
Deutschland
Frankreich
Südkorea
Japan
USA
Staatliche Investitionen in Forschung und Entwicklung von E-Mobility in Mio. Euro.
Quellen: fka, Roland Berger
Elektrisch wird bevorzugt
China investiert gleichzeitig kräftig in die Ladeinfrastruktur: Einer McKinsey-Studie zufolge gab es 2011 noch 8.000 Ladesäulen, 2015 waren es 110.000. Bis 2020 soll es nach Angaben der Society of Automotive Engineers of China landesweit fünf Millionen Ladesäulen geben. Der Strom dafür wird zu fast 70 Prozent aus Kohle gewonnen. Neue, elektrische Antriebsformen werden bei der Zulassung begünstigt: In großen chinesischen Städten wie Beijing oder Shanghai wird bei der Anmeldung eines neuen Benzinfahrzeugs ausgelost, ob ein Kennzeichen ausgestellt wird oder nicht. Wer ein Elektroauto anmelden will, muss sich nicht auf sein Losglück verlassen und erhält meist sofort sein Kennzeichen. Das kommt vor allem chinesischen Herstellern zugute, die bereits jetzt verstärkt auf Elektroautos und Hybridmotoren setzen. Norwegen und China sind für die deutsche Autoindustrie wichtige Absatzmärkte. Veränderungen wie der konsequente Umstieg auf Elektromobilität wirken sich meist auch auf die deutsche Wirtschaft und Forschung aus. „Restriktionen haben enormen Effekt auf die Entwicklung von Antriebstechnologien“, sagt Prof. Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management. Gerade das chinesische Quotensystem bereitet deutschen Autobauern Kopfschmerzen. Würde China die Quote tatsächlich durchsetzen, müssten deutsche Autohersteller ihre Verkäufe von Elektroautos kräftig ankurbeln, um weiter in China bestehen zu können. Der Grund: China ist für deutsche Autohersteller einer der wichtigsten Absatzmärkte für Mittelklassemodelle mit Verbrennungsmotor. „China hat sehr große Probleme mit Luftverschmutzung in den großen Städten. Das wird mit Verbrennern nicht in den Griff zu bekommen sein“, sagt Frank Mehling, Produktmanager der Bender GmbH. Das hessische Unternehmen entwickelt und produziert Lösungen zum Schutz vor elektrischem Strom, die unter anderem zum sicheren und einfachen Betreiben und Laden von Elektroautos benötigt werden. Mehling hofft, dass die Nachfrage nach seinen Produkten zukünftig deutlich steigen wird.
»Ohne Druck unternehmen Hersteller nichts«
Das mittelständische Unternehmen Breuckmann mit Sitz im nordrhein-westfälischen Heiligenhaus fertigt Gussteile aus Kupfer, die für Elektromotoren verwendet werden und im Vergleich zu bisher üblichen Aluminiumrotoren mehr Leistung bieten. Im Interview fordern Geschäftsführer Michael Breuckmann und Vertriebsleiter Peter Szilagyi mehr staatliche Unterstützung.
Worauf sollten Unternehmen achten, die in E-Mobility investieren wollen?
Peter Szilagyi: Jedes Unternehmen, das neue Produkte auf den Markt bringen will, muss Geld in die Hand nehmen, so ist es auch bei Elektroautos. Dafür braucht es Druck: Solange es keine Unterstützung vom Staat gibt, unternehmen die Hersteller nichts. Bei der Elektromobilität wurde jahrzehntelang in herkömmliche Technologie investiert. Das hindert Unternehmen wie uns daran, große Volumen auf den Markt zu bringen.
Michael Breuckmann: Unser Kerngeschäft im Bereich E-Mobilität sind Kupferrotoren für hocheffiziente Antriebe. Wir beschäftigen uns jetzt ein Jahrzehnt damit und haben insgesamt etwa fünf Millionen Euro investiert.
Reicht Ihnen die aktuelle Gesetzeslage zur Unterstützung aus?
Breuckmann: Wir würden uns wünschen, dass uns mehr unter die Arme gegriffen wird. Wir machen das bisher in Eigenleistung, investieren sehr stark in diesem Bereich, sind damit aber an der Grenze.
Szilagyi: In anderen Ländern wird die Sparte viel mehr gefördert, so wie in China. Hier zeigt sich, dass es geht, wenn man es will.
Welche Chancen sehen Sie in diesem Markt?
Breuckmann: Unser Kerngeschäft ist die Schloss- und Beschlagindustrie, wodurch wir bislang keine große Verbindung zur Automobilindustrie hatten. Für uns ergibt sich hier ein neuer Markt. Das ist unsere Chance.
Wie wichtig ist der chinesische Markt für Ihr Unternehmen?
Szilagyi: Wir sehen weltweit Chancen, unter anderem in den USA oder in China. Aktuell laufen die größten Projekte in China – allerdings versuchen die chinesischen Unternehmen vor allem, vor Ort zu fertigen. Für uns ist noch nicht abzusehen, ob wir mit der Fertigung in China unsere Zukunft aufbauen werden oder nur unsere Technologien an chinesische Unternehmen verkaufen.
Wollen deutsche Autobauer in China produzieren, müssen sie zusätzliche Hürden überwinden. So müssen sie ein Joint Venture mit einem heimischen Unternehmen eingehen, wenn sie eine eigene Produktionsstätte in China betreiben wollen. Außer Porsche sind alle großen Autohersteller diesen Schritt gegangen. Die Herausforderung dabei: Die Hersteller müssen dafür sorgen, dass sie so wenig sensible Geheimnisse über Herstellung und Produktion wie möglich preisgeben. Kleinere Unternehmen, zu denen viele deutsche Zulieferer gehören, müssen zwar nicht grundsätzlich Joint Ventures eingehen, allerdings gilt die Regel für Bereiche wie E-Motoren, Batterien und viele Komponenten – und damit ist sie für Zulieferer der Automobilindustrie oft verbindlich.
Bisher ist die elektromobile Evolution noch in ihrer Anfangsphase. Das liegt vor allem an zwei Faktoren: Zum einen ist die Reichweite aktueller Modelle mit Elektroantrieb noch nicht auf dem Niveau, das sich Kunden wünschen. So existiert schon ein eigenes Wort, das die Angst beschreibt, die Fahrer davor haben, mit ihrem Elektroauto liegen zu bleiben: Reichweitenangst. Der Durchbruch in der Entwicklung kommt vermutlich erst in den nächsten fünf Jahren, heißt es beim Lehrstuhl Production Engineering of E-Mobility Components der RWTH Aachen. Eine weitere Herausforderung: Es gibt immer noch kein flächendeckendes Ladenetz. Dabei spielen sowohl wirtschaftliche als auch politische Überlegungen eine Rolle: So war beispielsweise die Entscheidung für einen in Europa einheitlichen Stecker ein langwieriger Prozess. Geeinigt hat man sich schließlich auf Typ 2, auch Mennekes-Stecker genannt. Er wurde von der gleichnamigen Firma aus dem Sauerland entwickelt. So erreichte das Unternehmen internationale Bekanntheit und verzichtete gleichzeitig auf ein Patent für den Stecker, um die Verbreitung von einheitlichen Stromtankstellen zu beschleunigen.
Marktzugang
Elektromobilität in China
China ist einer der größten Märkte für Kraftfahrzeuge – und leidet gleichzeitig unter hoher Luftverschmutzung. So werden in chinesischen Großstädten wie Beijing oder Shanghai regelmäßig Feinstaubwerte von 475 Mikrogramm pro Kubikmeter gemessen. Zum Vergleich: Die Weltgesundheitsorganisation WHO hält 25 Mikrogramm pro Kubikmeter für unbedenklich. Auch deshalb fördert China seit Jahren Elektromobilität: In vielen Städten sind elektrisch betriebene Roller beliebter als hierzulande Fahrräder. Die Roller sind in der Anschaffung günstig, im dichten Stadtverkehr vergleichsweise schnell, und sie lassen sich über jede Steckdose aufladen. Auch bei Elektroautos ist China schon heute Vorreiter: Im vergangenen Jahr wurden Schätzungen zufolge 507.000 Autos verkauft, so viele wie in keinem anderen Land weltweit. Im Jahr davor waren es nur 331.000 Autos.
Gleiche Reichweite wie bei Tesla
China kurbelt die Verkäufe mit vielen Anreizen an, die elektrisch betriebene Fahrzeuge attraktiver machen sollen. So müssen Fahrer von Elektroautos keine Mehrwertsteuer zahlen und dürfen an vielen Plätzen parken, die für herkömmliche Fahrzeuge gesperrt sind. Bisher werden die meisten Elektroautos nicht importiert, sondern vor Ort hergestellt: Das erfolgreichste Modell kam im vergangenen Jahr von der chinesischen Firma Build your Dreams. Der e6 hat eine ähnlich große Batterie wie Teslas Model S und damit eine Reichweite von etwa 400 Kilometern.
Auch über eine Batterieproduktion in Deutschland wird nachgedacht. Die Daimler-Tochter Li-Tec im sächsischen Kamenz produzierte Lithium-Ionen-Zellen, die in den Batterien einer weiteren Daimler-Tochter eingesetzt wurden. Allerdings musste Li-Tec die Zellenproduktion einstellen, sie lohnte sich nicht. Li-Tec konzentriert sich mittlerweile auf die Forschung. Die Batterieproduktion in Kamenz baut Daimler über seine Tochter Accumotive aus.
Auch in den USA versuchen Konzerne, den Elektroautomarkt zu erobern. Tesla fertigt Fahrzeuge in Nordamerika und will auch die Akkus dort herstellen. Damit bestätigt das Unternehmen einen Trend, der sich weltweit beobachten lässt: Immer häufiger bauen große Konzerne Elektroautos in eigenen Produktionsstätten zusammen, immer seltener greifen sie auf Automobilzulieferer zurück. Wie sich diese Entwicklungen auf die deutsche Wirtschaft und auf die mittelständischen Zulieferer auswirken, bleibt abzuwarten – allerdings rechnen viele deutsche Firmen mit großen Chancen.
Verkaufte Elektroautos 2016
China
USA
Norwegen
Frankreich
Deutschland
Quelle: CAM
China gerundet; USA teilweise geschätzt; China, USA und Norwegen inklusive Brennstoffzelle
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