Dezember 2018
Autor: Marcus Knupp
Freude in Dschibuti: Diese Menschen feiern die Einweihung eines neuen Bauprojekts, mit dem die Ismail Omar Guelleh Foundation for Housing rund eintausend Wohnungen schafft. Das Staatsunternehmen China Merchant unterstützt das Vorhaben finanziell. ©YASUYOSHI CHIBA/Kontributor
Äthiopien ist ein Binnenstaat. Rund 90 Prozent seines Außenhandels wickelt das Land deshalb über den Hafen des benachbarten Dschibuti ab. Lebenslinie dorthin war über Jahrzehnte eine Eisenbahn, die 1917 als Schmalspurstrecke von der französischen Kolonialverwaltung errichtet wurde und seit den 1970er-Jahren kaum noch leistungsfähig ist. Zwei Jahrzehnte lang diskutierten westliche Geberländer mit Addis Abeba über eine Wiederbelebung. Dann kam die China Railway Group und realisierte zusammen mit der China Civil Engineering Construction innerhalb von fünf Jahren eine neue Bahnstrecke, zweigleisig, in Normalspur und elektrifiziert.
Dank des effizienten chinesischen Engagements haben äthiopische Exportunternehmen in den im ganzen Land entstehenden neuen Gewerbezonen nun einen besseren Zugang zu den Märkten in Übersee. Ein enormer Impuls für die Wirtschaft des ostafrikanischen Landes. Die von den Chinesen eingerichteten Gewerbezonen sind dank der verbesserten Infrastruktur nun auch für deutsche Unternehmen interessante Standorte für Investitionen in Äthiopien. Eine Win-win-Situation, meinen zumindest Chinas Staatslenker.
»Wir sind stets auf der Suche nach Investitionspartnern.«
Stevie Fu, Senior Manager bei Sinotrans Ltd.
Zweischneidiges Schwert
Doch so einfach ist es nicht: Im Einzelfall gilt es abzuwägen. Afrikanische Länder profitieren einerseits von den immensen Investitionen Chinas – im September 2018 hat Peking erneut umgerechnet 60 Milliarden US-Dollar für die kommenden drei Jahre versprochen. Andererseits begeben sich die Länder in neue Abhängigkeiten, etwa durch Kreditschulden oder die Verpfändung ihrer Rohstoffe.
Die Realität vor Ort ist: China ist präsent und sichert sich durch niedrige Preise, attraktive Finanzierungspakete und politische Nichteinmischung einen Großauftrag nach dem anderen. Der Anteil chinesischer Baufirmen am Geschäft internationaler Bauunternehmen in Afrika betrug im Jahr 2016 rund 56 Prozent. Rund ein Viertel der afrikanischen Einfuhren kommt mittlerweile aus dem Reich der Mitte. Zwar bleibt die EU mit einem Lieferanteil von 38,4 Prozent im Jahr 2016 der größte Handelspartner Afrikas. Der Anteil der Europäer hat sich aber in den vergangenen 20 Jahren deutlich verringert. Für europäische Unternehmen wird es mit zunehmendem Wettbewerb immer schwieriger, Aufträge an Land zu ziehen.
Chancen für deutsche Unternehmen
Diese Entwicklungen haben auch für deutsche Unternehmen Konsequenzen. Einerseits drängen immer mehr Wettbewerber auf den Markt, der Konkurrenzkampf verschärft sich. Andererseits öffnet das Engagement der Chinesen deutschen Firmen Türen zu potenziellen neuen Märkten, wie das Beispiel Äthiopien zeigt. Außerdem können deutsche Unternehmen durch Kooperationen an der aktuellen Dynamik teilhaben. „Know-how und Technik aus Deutschland und China können sich hierbei ergänzen und gemeinsam mit afrikanischen Partnern zu einer nachhaltigen Urbanisierung führen“, sagt Duan Xiaomei, Vice Chief Engineer beim Guangzhou Municipal Engineering Design & Research Institute.
Chinesische Unternehmen bieten ihre Leistungen meist zu sehr günstigen Preisen an. Afrikanische Auftraggeber haben aber inzwischen erkannt, dass billig nicht immer auch gut bedeutet. Davon können deutsche Unternehmen profitieren. Sie könnten etwa die Qualitätssicherung für Großprojekte chinesischer Baufirmen übernehmen – im Idealfall mit möglichst weitgehender Beschäftigung lokaler Arbeiter, die damit Geld verdienen und Berufserfahrung gewinnen. Ein Beispiel, dass dies gelingen kann, ist die Maputo-Katembe-Brücke, die in Mosambik gebaut wird: Design und Bauausführung erfolgen durch die China Road and Bridge Corporation, für die Qualitätsüberwachung sorgt das deutsche Unternehmen Gauff Engineering.
Steigerung der chinesischen Lieferungen nach Afrika von 2000 bis 2016
(zum Vergleich: Deutschland +276 %)
Chinas Anteil an den ausländischen Direktinvestitionen in Afrika 2016
Schätzung der Zahl chinesischer Unternehmen, die in Afrika aktiv sind
Quellen: UN Comtrade, UNCTAD, McKinsey & Company, Juni 2017
Deutsche Qualität überzeugt
Auch im westafrikanischen Nigeria kommen deutsche Firmen gut an. „Kunden schätzen deutsche Qualitätsstandards“, stellt Lawretta Odawulu, CEO der Odic Electrical Company Limited fest. „Allerdings sind deutsche Unternehmen im Land nicht besonders aktiv, ganz im Gegensatz zu chinesischen.“ Diesen den Markt komplett zu überlassen, ist weder im deutschen noch im afrikanischen Interesse. Erhält ein chinesischer Wettbewerber mit niedrigen Preisen und mitgebrachter Finanzierung den Zuschlag, können deutsche Firmen dennoch oft ein Stück vom Kuchen abbekommen. „In unserem Fall werden solche Kooperationen oft auf Wunsch unserer afrikanischen Kunden initiiert, die gute Qualität zu attraktiven Preisen erwarten“, bestätigt Onyeche Tifase, Managing Director von Siemens Nigeria.
Nicht immer klappt die Zusammenarbeit auf Anhieb. Eine im Oktober 2018 vorgestellte Studie zum chinesischen Engagement in Afrika, die GTAI gemeinsam mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und dem Afrika-Verein der deutschen Wirtschaft erstellt hat, zeigt: Das Potenzial ist groß, aber auch die Problemfelder. Erste Erfahrungen der rund 400 befragten Unternehmen aus Deutschland, China und Afrika sind überwiegend positiv, beschränken sich jedoch in den meisten Fällen auf Lieferbeziehungen. Geht es um eine engere Kooperation, liegen die größten Herausforderungen in unterschiedlichen Vorstellungen zur Vertragsgestaltung, in Schwierigkeiten bei der Ein- und Ausfuhr, aber auch in der Nichteinhaltung von Umwelt- oder Sozialstandards auf Seiten der chinesischen Partner.
Relativ hoch sind die kulturellen Hürden zwischen China und Afrika. „Bei den Verhandlungen zu Großprojekten kommt es häufig zu Spannungen“, sagt Ernest Lai King, Managing Director des Beratungsunternehmens 1 Road Consulting aus Südafrika. Interkulturell kompetente und erfahrene deutsche Unternehmen sehen sich hier in der Rolle des Vermittlers.
Kein einfaches Terrain also. Aber: Die Voraussetzungen für deutsche Unternehmen, vom gestiegenen chinesischen Engagement zu profitieren, sind gut. Sei es als Partner in Kooperationsprojekten oder indem Großprojekte wie im Fall Äthiopiens ganz neue Märkte schaffen.
Service & Kontakt
Weitere Infos zu den Projekten finden Sie in der GTAI-Studie „China in Afrika – Perspektiven, Strategien und Kooperationspotenziale für deutsche Unternehmen“.
Ihr GTAI-Ansprechpartner
Marcus Knupp
+49 30 200 099 269
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