Nicht gerade schlüsselfertig
Afrika bietet enorme Chancen, verlangt Unternehmen aber auch einiges ab. Die Finanzierung von Projekten ist schwierig, Fachkräfte sind schwer zu finden, viele Märkte kaum entwickelt. Welche Erfahrungen Afrikapioniere machen – und wie die Bundesregierung unterstützt.
Juni 2020
Autorin: Samira Akrach
Bauarbeiten an der Grand-Ethiopian-Renaissance-Talsperre. Das Projekt ist politisch umstritten. Wer sich in Afrika engagiert, sollte sich vorher über solche Rahmenbedingungen informieren. © EDUARDO SOTERAS/Kontributor/Getty Images
Titelbild: © Stihl
Der afrikanische Kontinent und arm? Nicht, wenn man Mateja Dermastia fragt. „Ganz im Gegenteil“, sagt die Mitgründerin der Firma Phy2Trace, die digitale Lösungen für die Landwirtschaft entwickelt. Seit 15 Jahren arbeitet sie in Afrika. „Hier gibt es einen unheimlichen Reichtum und große Chancen.“ Insbesondere Ostafrika biete ein enormes Potenzial, sagt die Unternehmerin. Vor allem seien die Menschen sehr gut vernetzt. „Über 33 Millionen Beschäftigte in der Landwirtschaft haben Zugriff auf digitale Lösungen.“
In der Tat hat sich der Blick auf Afrika verändert. Der Kontinent ist in den Fokus von Politik und Wirtschaft gerückt. Bis zum Jahr 2050 wird sich die Bevölkerung Afrikas verdoppeln. Die Nachfrage nach hochwertigeren Konsumgütern nimmt zu, es bilden sich neue und größere Märkte. In urbanen Zentren entstehen Mittelschichten, gut ausgebildet und mit Smartphone und Internetanschluss ausgestattet. Diese Menschen brauchen Nahrungsmittel, Energie, Infrastruktur, berufliche Perspektiven, funktionierende Verwaltungen und – nicht zuletzt – eine intaktere Umwelt.
Und es gibt sie: deutsche Unternehmen, die die Herausforderung Afrika gemeistert haben. Einige mussten Rückschläge verkraften und ihre Strategien anpassen, hatten letztlich aber doch Erfolg. Um Unternehmen bei ihren ersten Schritten auf afrikanischen Märkten zu unterstützen, hat die Bundesregierung im Sommer 2019 das Wirtschaftsnetzwerk Afrika ins Leben gerufen. Es vernetzt die bestehenden Akteure und Initiativen und bietet eine Vielzahl an Angeboten und Dienstleistungen. GTAI veröffentlicht unter www.africa-business-guide.de die Geschichten deutscher Unternehmen auf dem Chancenkontinent. Denn obwohl das Interesse an Afrika steigt, sind gerade viele mittelständische Unternehmen noch zögerlich.
Lektion 1: Verbündete suchen
Michael Kersting ist seit 13 Jahren weltweit für die Firma Sewerin unterwegs und sorgt für intakte Gas- und Wassernetzwerke. Gute Erfahrungen hat der Business Developer mit der Entwicklungszusammenarbeit gemacht. In Peru zum Bespiel hat das Familienunternehmen aus Gütersloh im Jahr 2010 zum ersten Mal mit der GIZ zusammengearbeitet, mittlerweile ist Sewerin dort bei fast allen Wasserversorgungsunternehmen etabliert. Der nächste Zielmarkt ist Afrika – für Kersting eine Herzensangelegenheit, denn er leitet das Regionalforum Afrika der German Water Partnership. Seine Markterschließungsstrategie ist so vielfältig wie die Länder selbst. „Für mich gibt es nicht die eine Standardstrategie. Jedes Land ist anders, hat eigene Herausforderungen und Probleme.“ Entwicklungspolitische Experten im Auftrag des BMZ, die sogenannten EZ-Scouts, unterstützen ihn – vor allem, wenn es darum geht, vor Ort die richtigen Partner zu finden.
Fazit: Afrika ist anders – und jedes afrikanische Land wartet mit zusätzlichen, ganz individuellen Herausforderungen auf. Wer auf dem Kontinent erfolgreich Geschäfte machen will, braucht in jedem Fall Vertrauenspersonen vor Ort.
Michael Kersting,
Business Developer bei Sewerin
Finanzierung ist oft schwierig
Der größte Knackpunkt ist oft die Finanzierung. Dabei gibt es für deutsche Unternehmen verschiedene Möglichkeiten, Unterstützung zu erhalten. Ein bereits lange bewährtes Instrument sind staatliche Exportkreditgarantien. Diese sogenannten Hermesdeckungen sichern den Exporteur gegen wirtschaftliche und politische Risiken ab, indem der Bund große Teile des Risikos übernimmt: vom Beginn der Produktion bis zur letzten Rate.
Deutsche Unternehmen können auch ihre Investitionen im Ausland gegen schwer kalkulierbare politische Risiken schützen. Das ist gerade in Afrika wichtig. Im Auftrag der Bundesregierung wickeln Pricewaterhouse Coopers und Euler Hermes die staatlichen Exportkredit- und Investitionsgarantien ab. Seit 2018 verbessert die Bundesregierung die Konditionen für Geschäfte mit ausgewählten Staaten Afrikas.
Auch Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen beim Schritt in neue Märkte. Die Deutsche Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG), die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) und die KfW-Entwicklungsbank sind in vielen afrikanischen Ländern mit eigenen Büros vertreten.
Neben Wissen über die Besonderheiten der lokalen Märkte bieten sie auch finanzielle Unterstützung für nachhaltige unternehmerische Initiativen. Das größte Programm develoPPP.de, durchgeführt von DEG und GIZ, fördert ausgewählte Projekte mit 100.000 Euro bis zu zwei Millionen Euro, wobei Unternehmen mindestens in gleicher Höhe investieren müssen. Die GIZ verwaltet darüber hinaus einen speziellen Fonds für Public-private-Partnerships (PPP) in Westafrika, der sich an öffentlich-privaten Kooperationsprojekten von Unternehmen beteiligt.
Im Rahmen des 2018 initiierten Entwicklungsinvestitionsfonds der Bundesregierung für Afrika organisiert die DEG das Programm AfricaConnect. Hier erhalten Unternehmen mit Geschäftsideen in Ländern auf dem afrikanischen Kontinent langfristige Darlehen in Höhe von 750.000 bis vier Millionen Euro.
Lektion 2: Finanzierung sichern
Ausbildung made in Germany ist weltweit gefragt – auch in Nordafrika. Der Mittelständler Christiani aus Konstanz bietet Lernmittel für die technische Aus- und Weiterbildung an, das Unternehmen richtet auch komplette Labore ein. „Die nordafrikanischen Länder sind für uns von großer Bedeutung“, sagt Fathi Jamal, Sales Manager für die Region Nordafrika/Nahost. Gerade erst hat Jamal zwei Labore im marokkanischen Tanger ausgestattet und dabei mit dem dortigen Bildungsministerium zusammengearbeitet: der übliche Weg für die Firma, wenn sie nicht über geberfinanzierte Projekte in den Markt kommt. Größte Hürde ist in der Regel die Finanzierung. „Auch bei kleinen Beträgen können die Partner kein Geld an uns überweisen“, sagt Jamal. Denn die Behörden erlaubten beim Auftragseingang meist keine harte Währung als Vorkasse. Die Lösung sind Akkreditive, aber auch sie haben Nachteile. „Damit dauert es sehr lange und ist mit zusätzlichem Aufwand verbunden.“
Fazit: Bei Projekten mit afrikanischen Partnern ist oft Geld ein Problem. Akkreditive und Hermesdeckungen sichern Zahlungsströme, DEG, GIZ und KfW flankieren zudem die Investitionen deutscher Unternehmen in Afrika.
Fathi Jamal,
Sales Manager Nordafrika/ Nahost bei Christiani
Kontakte vor Ort sind entscheidend
Der zweite Knackpunkt bei der Markterschließung ist die Suche nach den richtigen Kontakten vor Ort, die in jedem Land anders läuft. Überall in Afrika gilt: Eine Niederlassung vor Ort ist hilfreich. Oder mindestens ein Partner, der den Markt und die Prozesse kennt.
Das Netzwerk der deutschen Auslandshandelskammern (AHK) mit Standorten in Algier, Casablanca, Kairo und Tunis, Angola, Ghana, Kenia (mit Außenstelle in Tansania), Nigeria und Südafrika (mit Regionalbüros in Sambia und Mosambik) hilft deutschen Unternehmen, solche Kontakte anzubahnen. Bald sollen neue Standorte in Côte d’Ivoire (offizielle Ankündigung im November 2019) und Äthiopien (laufende Verhandlungen) dazu kommen. Beim Ausbau des Netzwerks arbeiten DIHK und GIZ eng zusammen.
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