Dezember 2019
Autorin: Corinna Päffgen
In Afrika ist es vor allem der Mobile Commerce, der die Branche antreibt. Beispiel Nigeria: Das Land ist der größte Internetmarkt in Afrika und zugleich einer der größten weltweit. Mit knapp 200 Millionen Einwohnern und den meisten Internetnutzern auf dem Kontinent hat der E-Commerce-Sektor nach Einschätzung von Experten das Potenzial, in den kommenden zehn Jahren auf einen Gesamtumsatz von 50 Milliarden US-Dollar pro Jahr zu wachsen.
Nach Angaben der Nigeria Communication Commission gab es 2018 etwa 92 Millionen Internetnutzer, die den größten Teil der Onlineprodukte über mobile Endgeräte bestellt und bezahlt haben. Hier sehen Branchenkenner Potenzial. Der noch geringe E-Commerce-Anteil am Einzelhandel könnte nach einer Studie von McKinsey bis 2025 auf zehn Prozent der Gesamtumsätze wachsen.
Branchenriesen wie die Jumia Group und Konga betreiben Onlineplattformen, auf denen sie jeweils bestimmte Produktgruppen vertreiben. So gibt es neben der allgemeinen Plattform des Marktführers Jumia auch Jumia Travel, Jumia Car und Jumia Food. Auch Dienstleistungen sind zunehmend im Onlineangebot wie Lieferdienste, Flugbuchungen und Zahlungsdienste. Das zweitgrößte nigerianische E-Commerce-Unternehmen Konga bietet ein umfangreiches Sortiment von Haushaltsgeräten über Mode und Bücher bis hin zu Körperpflegeartikeln. Online verkaufen sich besonders Mobiltelefone, Bekleidung und Unterhaltungselektronik.
Der typische E-Commerce-Kunde ist zwischen 25 und 34 Jahren alt und lebt in einer der größeren Städte. Er kommt aus der Mittelschicht, ist Student oder Angestellter und Smartphone-Nutzer. Er ist sehr preisbewusst, sodass Produkte mit niedrigen Preisen die besten Aussichten haben.
Afrika hebt ab – Paketdienst mit Rotoren
In mehreren Ländern Afrikas laufen Tests, bei denen Drohnen medizinische Versorgungsgüter ausliefern. Sie versorgen etwa Krankenhäuser in entlegenen Gebieten mit Blutkonserven und Medikamenten. In Nigeria prüfen die Behörden jetzt, ob Drohnen auch im kommerziellen Liefergeschäft zum Einsatz kommen könnten.
Die Drohnen des nigerianischen Start-ups Arone liefern medizinische Ausrüstung an Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in Afrika. Sie können bis zu 200 Kilometer weit fliegen, fünf Kilogramm Ladung transportieren und erreichen Spitzengeschwindigkeiten bis 400 Kilometer pro Stunde. Zur Flugplanung nutzt die autonome Flugnavigationssoftware Computervision und künstliche Intelligenz, so kann die Drohne auch Hindernisse und den Empfänger der Lieferung erkennen. © Arone
Onlinevertrieb als Markteinstieg
Für deutsche Anbieter stellt sich also die Frage, ob es für hochpreisige deutsche Konsumgüter in Nigeria überhaupt einen Markt gibt. Deutsche Produkte, außer Automobile, sind bislang wenig vertreten. Chancen können sich für Anbieter von günstigen und haltbaren Grundnahrungsmitteln sowie von Körperpflegeprodukten ergeben. Auch hier entscheidet der Preis. Nigerianer sind gegenüber No-Name-Produkten und unbekannten Marken aufgeschlossen. Aber auch elektrische Geräte wie Generatoren oder Autozubehör könnten einen Markt haben. Hier dürften deutsche Produkte qualitativ besser als die angebotenen Waren aus Fernost abschneiden.
Ein Markteinstieg über eine Onlineverkaufsplattform kann ein erster Schritt zum Austesten des Marktes sein. Die Strategie ist vergleichsweise kostengünstig und liefert schnell Vertriebsstatistiken, die bei der Kundenanalyse helfen. Zudem ist es leichter, neue Artikel ins Sortiment aufzunehmen. Allerdings brauchen deutsche Onlinehändler bei einer fehlenden Präsenz im Land einen nigerianischen Vertriebspartner, der sich um die Zollabwicklung kümmert. Wer selbst einen Onlinevertrieb aufbauen will, sollte darauf achten, dass die Seite für mobile Geräte nutzbar und nicht zu komplex aufgebaut ist.
»Mit dem Handy als Entwicklungsmotor wird der Wachstumstrend in Nigeria weiter anhalten.«
Corinna Päffgen
GTAI-Korrespondentin Accra
Digitale Lösungen für alte Probleme
Der E-Commerce-Sektor in Nigeria könnte noch viel schneller wachsen, doch es gibt Probleme bei der Logistik. Dazu kommt: Viele Kunden vertrauen Onlinebezahldiensten nicht, die Angst vor Onlinebetrug ist weit verbreitet. Barzahlungen sind normal, die beliebteste Zahlmethode ist immer noch die Zahlung per Nachnahme. Der Trend geht allerdings zum mobilen Zahlen, viele Nigerianer erledigen ihre Zahlungen bereits mit dem Smartphone. Vielversprechende Anbieter, die verschiedene Möglichkeiten des bargeldlosen Zahlens anbieten, sind zum Beispiel Paystack und Flutterwave.
Die rechtlichen Rahmenbedingungen, um das Vertrauen in Onlinezahlsysteme zu stärken, existieren bereits. 2016 hat die nigerianische Regierung beispielsweise ein Gesetz gegen Cybercrime erlassen und die Regeln für Verbraucher- und Datenschutz sowie die Haftung von Anbietern verschärft.
Ein weiteres Problem ist die Infrastruktur im Land. Die Straßen sind oft in schlechtem Zustand, vor allem in ländlichen Gebieten. Deshalb sind die Lieferzeiten lang und die Logistikkosten hoch. Selbst in der Hauptstadt ist es schwierig, eine Onlinebestellung am gleichen Tag zuzustellen. Adressen sind oft ungenau registriert, Straßennamen und Hausnummern gibt es längst nicht überall.
Um Abhilfe zu schaffen, testet die nigerianische Post ein neues, von einem britischen Start-up entwickeltes Adressensystem. Das junge Unternehmen hat das System What3words zur Georeferenzierung von Standorten mit einer Auflösung von drei Metern entwickelt, das jedem drei mal drei Meter großen Quadrat eine einmalige Dreiwortadresse zuteilt, die sich niemals ändert. So hat etwa das Hauptpostamt in der Hauptstadt Abuja die Dreiwortadresse „bracelets.hesitation.mutes“.
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