Follow the money: Öffentliche Ausschreibungen in den USA
Die USA planen ein umfangreiches Infrastrukturpaket, von dem auch deutsche Firmen profitieren. Wie sie das Rennen um öffentliche Ausschreibungen gewinnen können, erklärt Christoph Schemionek im Interview.
Oktober 2021
Interview: Ullrich Umann
Auf der Zielgeraden: US-Präsident Joe Biden bespricht Details des Infrastrukturplans Infrastructure Investment and Jobs Act mit gewählten Vertretern von Bundesstaaten und Kommunen. © Sarah Silbiger/Pool via CNP/ Polaris/laif
Die USA stecken sehr viel öffentliches Geld in die Infrastruktur. Davon profitieren nicht nur die vier Transportmodule Straße, Schiene, Wasser und Luft, sondern auch die Digitalisierung der Wirtschaft und der öffentlichen Verwaltung sowie Ausbildungsmaßnahmen. Für deutsche Unternehmen sind das gute Neuigkeiten: Sie erwarten zahlreiche Chancen und können mit ihrem Know-how aus den Bereichen Umweltschutz, Energiewende und nachhaltige Produktion bei öffentlichen Ausschreibungen in den USA punkten.
Wer sich am Rennen um öffentliche Ausschreibungen beteiligen will, kann seit Jahresbeginn 2021 auf die neu gegründete Delegation der Deutschen Wirtschaft in Washington D. C. zurückgreifen. Sie hilft hiesigen Exporteuren dabei, sich im Ausschreibungsdschungel zurechtzufinden. Delegationsleiter Christoph Schemionek erklärt, welche Chancen es für deutsche Firmen gibt und was sie bei Teilnahmen an Ausschreibungen beachten müssen.
»Deutsche Unternehmen bringen Exzellenzanspruch und Innovationskraft mit, die in den USA sehr gefragt sind.«
Christoph Schemionek
ist kommissarischer Leiter der Delegation der Deutschen Wirtschaft in Washington D. C., LLC. Er begann seine Karriere bei der Inter-American Development Bank in Washington, für die er unter anderem im Stadtplanungsbereich tätig war.
Herr Schemionek, die Delegation der Deutschen Wirtschaft berät deutsche Firmen in Sachen öffentlicher Auftragserlangung und Ausschreibungen. Wie sieht diese Beratung konkret aus?
Christoph Schemionek: Wir sind die erste Anlaufstelle für Unternehmen, die sich für den US-Beschaffungsmarkt interessieren. Wir geben den Firmen einen Überblick über den Markt und erklären, welche Voraussetzungen sie mitbringen müssen. Gerade die US-Hauptstadt Washington D. C. mit fast allen Bundesministerien und mehr als 350 Bundesbehörden bietet interessante Möglichkeiten für neue Geschäftsfelder. Zudem sind wir Teil eines Netzwerks, bestehend aus den Auslandshandelskammern in Atlanta, Chicago, New York und San Francisco. Beziehungen und Netzwerke auf lokaler und regionaler Ebene spielen eine wichtige Rolle im öffentlichen Beschaffungsmarkt der USA und sollten nicht unterschätzt werden.
Welche Chancen gibt es denn konkret für deutsche Firmen?
Schemionek: Deutsche Unternehmen und deren Produkte bringen einen Exzellenzanspruch und eine Innovationskraft mit, die in den USA sehr gefragt sind. Wenn man sich die Ausrichtung der staatlichen Förderpakete ansieht, wird außerdem deutlich, dass Präsident Joe Biden eine Strategie der Nachhaltigkeit verfolgt: Wirtschaft, Umwelt und Soziales sollen gleichwertig und gleichzeitig von allen Behörden mitgedacht und umgesetzt werden. Es geht also nicht nur um Klimaschutz, sondern um einen Dreiklang aus Wirtschaft, den Kampf gegen die Klimaerwärmung und sozialen Aspekten. Deutsche Unternehmen und insbesondere ihre US-Töchter sind an der Schnittstelle dieser drei Bereiche sehr gut aufgestellt und entsprechend wettbewerbsfähig. Auf Bundesstaaten- und Kommunalebene fließen die meisten Mittel in die Bereiche Gesundheit, Bildung, öffentliche Sicherheit sowie in das Transportwesen.
Präsident Biden hat die Buy-American-Auflagen bei Bundesausschreibungen verschärft. Was heißt das für deutsche Exporteure?
Schemionek: Joe Bidens Wirtschaftsagenda ist stark auf das Inland fokussiert. Die US-Regierung will die Wirtschaft ankurbeln, unter anderem soll die einheimische Produktion unterstützt und amerikanische Arbeitsplätze geschaffen und gesichert werden. Mit seinem Buy-American-Regierungserlass gleich nach seinem Amtsantritt hat der Präsident die seit 1933 bestehenden Bestimmungen überprüfen lassen, zum Beispiel die Local-Content-Erfordernisse sowie die Vergabe von Ausnahmelizenzen. All dies bezieht sich aber nur auf Ausschreibungen der Bundesregierung, also auf Projekte, die durch Bundesmittel mitfinanziert werden. Die Auflagen, inklusive die Schwellen, ab denen sie greifen, unterscheiden sich zudem von Behörde zu Behörde. Den Beschaffungsmarkt der Bundesstaaten, Städte und Kommunen betrifft diese Verordnung nicht. Bei 50 Bundesstaaten, 19.519 Städten, 3.031 Counties und mehr als 12.000 unabhängigen Schulbezirken, die jährlich rund 3,25 Billionen US-Dollar ausgeben, lohnt es sich daher, genauer hinzusehen.
Was müssen Unternehmen in Sachen Lokalisierungsanforderungen beachten?
Schemionek: Unternehmen, die aus Deutschland heraus exportieren, haben eine Chance, bei öffentlichen Ausschreibungen in den USA den Zuschlag zu erhalten, wenn ihr Produkt ein Alleinstellungsmerkmal aufweist beziehungsweise preislich die Wettbewerber weit unterbietet. Wenn Unternehmen bereits vor Ort präsent sind und schon hier produzieren, gelten sie als „American“. Dann ist dem Potenzial, sich an der öffentlichen Auftragsvergabe zu beteiligen, kaum Grenzen gesetzt. Es ist aber wichtig, sich zu spezialisieren und nicht im Gießkannenformat zu agieren. Der Markt ist stark fragmentiert. Es sollte daher genau analysiert werden, wie und wohin öffentliche Mittel des Bundes in die lokalen Gebietskörperschaften fließen. „Follow the Money“ ist hier der richtige Ansatz.
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