März 2017
Autor: Axel Simer
Arbeiter feiern Vortriebsmaschine „Sissi“. Im Oktober 2010 brach der Bohrer zum letzten Abschnitt des 57 km langen, neuen Gotthardtunnels durch.
©Ruetschi/Keystone Schweiz/laif
Deutsche profitieren vom Boom
Winterhalter ist nicht die einzige deutsche Stahlbaufirma in Grenznähe, die dank Aufträgen aus der Schweiz gut zu tun hat. In der Eidgenossenschaft wird wieder mehr gebaut, sowohl im Hochbau wie auch im Tiefbau. Niedrige Zinsen, steigender Wohnungsbedarf und die zunehmende logistische Vernetzung sind nur einige Faktoren, die der Branche neue Dynamik verleihen. Auch deutsche Bauunternehmen und Bauhandwerker können so am Aufschwung im Nachbarland teilhaben.
Beispiel: privater Wohnungsbau. Hier investieren die Schweizer fleißig. Die Wohnungsmieten im Nachbarland sind teuer, die Einkommen vergleichsweise hoch und die anhaltende Zuwanderung sorgt dafür, dass Wohnungen noch begehrter werden. Die niedrigen Zinsen ermutigen viele private Bauherren, sich zu verschulden, die Tilgungsraten sind gering. Das niedrige Zinsniveau lockt zudem Investoren an, die sich deutlich höhere Renditen durch Mieten als durch Kapitalanlagen erhoffen. „In den Jahren 2017 bis 2019 wird sich der Wohnungsbau gut entwickeln. Wir rechnen mit jeweils etwa 50.000 Wohnungen pro Jahr“, schätzt Klaus Jank vom Konjunkturinstitut Bak Basel.
In den ersten neun Monaten 2016 wuchs der Umsatz im Hochbau um sieben Prozent und im Tiefbau um acht Prozent, und für das vierte Quartal erwartete der Schweizer Baumeisterverband sowohl beim Auftragsbestand als auch beim Umsatz ein Ergebnis über dem des Vorjahres. Diese positive Entwicklung soll sich fortsetzen.
Im gewerblichen Bereich fällt die Prognose für 2017 etwas nüchterner aus, da zwar neu gebaut, aber kaum noch renoviert oder umgebaut wird. Dennoch sind einige Großprojekte geplant, besonders im Bürobau. So baut der Versicherungs- und Bankkonzern Baloise bis 2020 seinen Büro-Hotel-Komplex Baloise Park in Basel. Der Pharmariese Hoffmann-
La Roche hat im November die Baugenehmigung für den Roche Tower II eingereicht. „Roche will am Standort Basel in den nächsten Jahren über zwei Mrd. Euro investieren“, erklärt Konjunkturforscher Jank.
Bauvorhaben in der Schweiz
Hier sind deutsche Unternehmen dabei
Aussichten: Chancen ergeben sich besonders für deutsche Handwerksbetriebe aus dem Baunebengewerbe wie Hersteller von Fenstern, Türen, Einbauküchen und Treppenhäusern. Besonders gefragt sind Nischenspezialisten mit interessanten Referenzprojekten, beispielsweise Architekten, Planungsbüros oder Lieferanten technischer Ausrüstung. Deutsche Gebäudetechnik genießt in der Schweiz einen guten Ruf, beispielsweise bei modernen Gas- oder Ölheizkesseln sowie den in der Schweiz beliebten Wärmepumpen. Hier sieht sich der deutsche Hersteller Stiebel Eltron als langjähriger Marktführer.
Projekte: Die großflächige Modernisierung der Stadt- und Logistikinfrastruktur dürfte für viele deutsche Unternehmen spannend sein. Das Architektenteam um die Berliner Professorin für Krankenhausbau, Christine Nickel-Welle, zog gleich mehrere Aufträge an Land. Das Kölner Büro JSWD Architekten erhielt für das Stadtentwicklungsprojekt „Green City“ vom Generalunternehmer eine Einladung, an einem Wettbewerb für ein Bürogebäude teilzunehmen. „Wahrscheinlich, weil wir über profunde Erfahrung im Segment Arbeitswelten/Büro verfügen und gute Referenzen vorweisen können“,
sagt Konstantin Jaspert, Gesellschafter bei JSWD Architekten. In der Schweiz sind viele Bürogebäude veraltet und müssten dringend mit moderner Gebäudetechnik, Kommunikationstechnik und Energieeffizienzmaßnahmen saniert werden. Besonders die Energiestandards Minergie und LEED sind gefragt.
Chancen und Risiken: Insbesondere Unternehmen nahe der Grenze profitieren, doch auch für Betriebe aus anderen Regionen lohnt sich der Weg in die Schweiz: Bayern Handwerk International ist regelmäßig mit einem Gemeinschaftsstand auf der größten Baumesse des Landes vertreten, der Swissbau in Basel. Für viele Handwerker ist sie das Eingangstor zum Schweizer Markt. Deutsche Unternehmen, die vom Bauboom in der Alpenrepublik profitieren wollen, müssen allerdings mit einem erhöhten administrativen Aufwand rechnen – schließlich gehört die Schweiz nicht zur EU, Kontrollen auf grenznahen Baustellen sind üblich.
Große Infrastrukturprojekte
Im öffentlichen Bereich gibt es zwei Schwerpunkte. Mehrere Kantone planen neue Kliniken, denn der demografische Wandel lässt den Bedarf deutlich steigen. Außerdem sind verschiedene Verkehrsgroßprojekte angedacht: So soll der 5,4 km lange Ceneri-Tunnel den St.-Gotthard-Basistunnel in Richtung Italien ergänzen. Das gesamte Projekt ist 20 Mrd. Euro schwer und wird voraussichtlich im Jahr 2019 abgeschlossen. Davon profitiert auch eine deutsche Firma: Hochtief hat sich einen Auftrag für die Rohbauarbeiten gesichert. Außerdem ist ein neuer Eisenbahntunnel geplant, der ebenfalls in den Gotthard gebohrt wird. Baubeginn: 2020, Kosten:
2,5 Mrd. Euro.
Und das Land hat noch ambitioniertere Pläne. So soll in den kommenden Jahren ein unterirdisches Warentransportsystem entstehen, bei dem landesweit unbemannte Güter-U-Bahnen Paletten zwischen automatisierten Hubs hin- und hertransportieren – das sogenannte Cargo Sous Terrain (CST). Es wird mindestens 30 Mrd. Euro kosten und soll ausschließlich von privaten Investoren und Unternehmen finanziert werden, neben Versicherungen, Pensionsfonds und Banken auch von den großen Einzelhandelsketten Migros, Coop und Manor, von Swisscom, der Post und der Schweizer Bundesbahn. Die Projektierungs- und Baubewilligungsphase soll im Jahr 2019 anlaufen. An Bauaufträgen dürfte also erst einmal kein Mangel sein.
Service & Kontakt
GTAI-Ansprechpartner Schweiz
Karl-Heinz Dahm
+49 228 24 993 274
Schreiben Sie uns!
Weitere Informationen zur Schweiz finden Sie auf der GTAI-Länderseite www.gtai.de/schweiz.
Kommentare (0)
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!