PV-Module:
Nachhaltiger Schrott
Theoretisch lassen sich Photovoltaikmodule fast zu 100 Prozent recyceln. Doch entsprechende Sammel- und Recyclingsysteme fehlen, die Technik steckt noch in den Kinderschuhen – weil es bisher kaum Solarzellen zur Wiederaufbereitung gibt. Doch das wird sich bald ändern.
Oktober 2021
Autoren: Quentin Blommaert und Benedict Hartmann
Ausrangierte Solarpaneele: Sie bestehen aus wertvollen Rohstoffen wie Silizium – doch viele Solarparkbetreiber werfen sie einfach weg. © Rinovasol
Weltweit entstehen immer mehr Photovoltaik-(PV-)module. Sie bestehen aus zahlreichen Produkten und Stoffen, etwa aus Glas, Aluminium und siliziumbasierten Solarzellen. Werden die Module allerdings einfach abgebaut und entsorgt, entsteht nicht nur eine Menge Müll, es gehen auch viele Rohstoffe verloren. Deshalb hat es sich die Firma Rinovasol aus Weiden in der Oberpfalz zur Aufgabe gemacht, alte PV-Module aus rund 40 Ländern wie Bulgarien, Italien, Israel und Indien zu importieren und zu reparieren.
„Wir haben eine Recyclingquote von nahezu 100 Prozent“, sagt Toralf Nitsch, Chief Operating Officer des Verwertungsunternehmens. Auf dem Gebrauchtmarkt finden diese etliche Abnehmer, die dadurch für einen erschwinglichen Preis noch leistungstüchtige Module anschaffen und saubere Energie erzeugen können. „Lediglich ein kleiner Teil landet im Schredder und wird in seine Bestandteile zerlegt.“ Und auch die landen nicht im Müll, sondern Kunststoffe, Kupfer und Co. gehen an einen Abnehmer, der sie wieder in den Wirtschaftskreislauf einführt. Bislang hat Rinovasol eigenen Angaben zufolge rund eine Million Solar- und PV-Module aufgearbeitet beziehungsweise recycelt.
Unternehmen wie Rinovasol lösen ein entscheidendes Problem: Sie denken in einer zukunftsorientierten Kreislaufwirtschaft, geben dringend benötigten Rohstoffen ein zweites Leben in der Industrie. Dieses Weiterdenken ist nötig, denn die Energieerzeugung durch erneuerbare Energien ist ein gigantischer Wachstumsmarkt: Allein in Deutschland soll der Ausbau der PV-Leistung bis zum Jahr 2030 um das Dreifache auf 150 Gigawatt (GW) steigen. Mit der rasant voranschreitenden Elektrifizierung der Energiewirtschaft wächst der Anteil der PV an der Stromversorgung. Während die internationale Energieagentur Irena im Jahr 2016 noch davon ausging, dass sich die PV-Kapazität im Jahr 2020 auf 500 GW belaufen würde, übertraf die Realität die Prognosen: Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme berechnete für 2020 eine Kapazität von mehr als 700 GW.
Viele Betreiber werfen alte Zellen weg
Die ersten PV-Module, die vor rund 25 Jahren installiert wurden, haben mittlerweile ein Alter erreicht, in dem sie ersetzt oder erneuert werden müssen. Häufig entsorgen Betreiber sie einfach, was verheerende Folgen für das lokale Ökosystem haben kann. Erste Unternehmen wie Rinovasol kümmern sich zwar darum, eine Kreislaufwirtschaft für erneuerbare Energien aufzubauen, aber es ist noch viel zu tun.
Bis zum Jahr 2023 soll es 100.000 Tonnen sogenannter End-of-Life-Module (EOL-Module) geben, hat der Recyclingspezialist PV Cycle errechnet. EOL-Module sind Produkte, Bauelemente oder Software, die der Hersteller nicht mehr produziert oder wartet. Auch Zahlen des Umweltbundesamts lassen aufhorchen: PV-Geräte sind bereits heute für zehn Prozent der etwa 2,4 Millionen Tonnen des gesamten Elektro- und Elektronikmüllaufkommens verantwortlich – Tendenz: steigend. Daher stellt sich die Frage, wie nachhaltig die Technologie tatsächlich ist und wie gut sie sich an ihrem Lebensende recyceln lässt.
PV-Module gelten als Elektroschrott
In Europa gehören PV-Systeme rechtlich zu den Elektro- und Elektronikgeräten. Entsprechend sind sie zu entsorgen. Seit 2019 fällt das Recycling von PV-Anlagen unter das Gesetz Waste Electrical and Electronic Equipment (WEEE), das Mindestnormen für die Behandlung von Elektro- und Elektronikaltgeräten festlegt, um langfristig zu einer nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Die Entsorgung ist also über die WEEE-Richtlinie, das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geregelt. Allerdings gibt es bislang eben nur sehr geringe Mengen an zu recycelnden PV-Modulen und dementsprechend kaum Kapazitäten, um die anstehende Menge an ausrangierten Anlagen zu bewältigen. Dazu kommt: Module in Asien oder Afrika unterstehen diesen Regeln nicht.
Das Recycling von PV-Modulen steckt weltweit noch in den Kinderschuhen. Auf Basis der jetzigen Mengenströme seien die innovativen Recyclingunternehmen nicht bereit, in eine technisch ausgereifte Recyclinganlage für PV-Module zu investieren, sagen Experten. Zum einen habe sich in den vergangenen Jahren gezeigt, dass PV deutlich robuster und langlebiger sei, als bis jetzt vermutet. Die große Entsorgungswelle bleibt also noch für eine Weile aus. Zum anderen erreichen nicht alle PV-Module mit Lebensende direkt die Recyclinghöfe, sondern finden oft erstmal Umwege auf dem Gebrauchtmarkt.
In der PV-Recyclinglandschaft sind schon einige deutsche Mittelständler zu finden. Eine vielversprechende Lösung bietet das Technologieunternehmen Flaxres aus Dresden an, das einen patentierten Recyclingprozess entwickelt hat, mit dem alle Materialien wie Glas, Aluminiumrahmen, Silizium mit den Silberbahnen sowie die Folien sortenrein getrennt werden können. Ein hochintensiver Lichtpuls erhitzt die Materialien an ihren Grenzflächen auf mehrere Hundert Grad Celsius, dadurch erfolgt die Trennung. Somit ist eine sortenreine Separation Schicht für Schicht möglich. Nach Aufbereitung der Materialien würden diese wieder in den Produktionskreislauf eingespeist, sagt Gründer und Geschäftsführer Michael Rudolf Heuschkel. „Der Prozess der Grobzerlegung ist frei von Chemikalien, zeiteffizient und weltweit mobil einsetzbar und damit in seiner Gesamtheit sehr wirtschaftlich.“ Die Maschinen lassen sich direkt und bedarfsgerecht in die jeweiligen Länder mittels Überseecontainern transportieren.
Potenziale für die deutschen Maschinenbau
Neben den logistischen Aufgaben, die bei der Entsorgung der Module anfallen, entstehen im In- und Ausland erhebliche Potenziale für die deutschen Maschinenbauer. In der Hinsicht erweist sich PV-Recycling als besonders aussichtsreich für den Standort Deutschland: sowohl bei der Entwicklung und dem heimischen Einsatz der notwendigen Technologien als auch beim Export der Dienstleistungen in Länder mit sehr hohen installierten PV-Kapazitäten – von Japan über China und Frankreich bis in die USA. Die Liste wird jeden Tag länger.
Heute sind die Mengen an zu recycelnden PV-Modulen noch bescheiden und übersichtlich. Die geringe Menge macht es Recyclingunternehmen schwer. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten ist das Thema noch nicht wirklich tragbar. Gleichzeitig erlebt die PV eine Blütezeit und steht vor einem weiteren massiven Ausbau, überall auf der Welt. Vor allem in den Industriestaaten werden Betreiber von PV-Anlagen nicht um Recycling herumkommen – allein schon, um den abfallpolitischen Anforderungen Rechnung zu tragen. Klar ist: Der Secondhandmarkt wird nicht alle ausrangierten Module aufnehmen können, die perspektivisch anfallen.
Service & Kontakt
Weitere Informationen rund um erneuerbare Energien gibt es bei der Exportinitiative Energie: www.german-energy-solutions.de
GTAI-Sonderseite zur Energiewirtschaft: www.gtai.de/energiewirtschaft
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