Pakt im Pazifik
Mit RCEP entsteht in Asien derzeit die größte Freihandelszone der Welt – müssen sich deutsche Exporteure dort nun warm anziehen? Die Lage ist vielschichtiger, denn viele Zollschranken waren auch vorher schon gefallen.
April 2021
Autoren: Christina Otte und Klaus Möbius
Für den Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ist es nicht weniger als ein „Weckruf für Europa“: Am 15. November 2020 haben 15 pazifische Länder sich zur Regional Comprehensive Economic Partnership (RCEP) zusammengeschlossen. Der Pakt umfasst China, Japan, Südkorea, Australien und Neuseeland sowie die zehn Länder des südostasiatischen Staatenbündnisses Asean. Ursprünglich war auch Indien Teil der Verhandlungen, zog sich dann aber 2019 zurück. Die Inder fürchteten Nachteile für die eigene Wirtschaft. Allerdings kann Indien immer noch nachträglich beitreten – dafür ist eine Vorzugsbehandlung mit beschleunigtem Verfahren vorgesehen.
Die RCEP-Staaten wollen die meisten Zölle untereinander abbauen, außerdem den Verwaltungsaufwand bei der Handelsabwicklung senken, den Handel mit Dienstleistungen fördern und Investitionen ankurbeln. So entsteht in Asien gerade die größte Freihandelszone der Welt – größer als das United States Mexico Canada Agreement oder die Europäische Union. Hier leben 2,3 Milliarden Verbraucher, die Region ist für rund ein Drittel der Weltwirtschaftsleistung und des Welthandels verantwortlich. Knapp ein Viertel aller Direktinvestitionen weltweit flossen im Jahr 2019 in die RCEP-Länder.
Was regelt RCEP?
Die Vertragsparteien der RCEP haben sich auf einen Abbau der meisten Zölle untereinander geeinigt. Damit entsteht die weltgrößte Freihandelszone. Vom Zollabbau profitieren wie immer nur Ursprungserzeugnisse der Vertragsstaaten. Dafür müssen sie entweder vollständig im Ausfuhrland erzeugt worden sein (trifft meist nur auf Agrarerzeugnisse oder im Land gewonnene Rohstoffe zu) oder, falls Zulieferungen aus Drittländern enthalten sind, ausreichend be- oder verarbeitet worden sein. Letzteres regelt das Ursprungsprotokoll. Häufig ist ein Wechsel der Zolltarifposition erforderlich oder ein bestimmter Anteil an Wertschöpfung im Exportland; manchmal auch bestimmte Verarbeitungsschritte. Die Ursprungsregeln (Rules of Origin) des RCEP gelten für alle Vertragsstaaten einheitlich. Außerdem gelten Vormaterialien mit Ursprung in anderen Vertragsparteien als Ursprungswaren und lassen sich bei der Berechnung des Ursprungs kumulieren.
Darüber hinaus enthält RCEP unter anderem Bestimmungen zu Handelserleichterungen, sanitären und pflanzenschutzrechtlichen Bestimmungen, technischen Standards, Handelsschutzinstrumenten, Dienstleistungen, Personenverkehr, Investitionen, zum Schutz geistigen Eigentums, E-Commerce, Wettbewerbsregeln und öffentlichem Auftragswesen.
Feierliche Unterzeichnung des RCEP-Abkommens am 15. November 2020 in Hanoi. Wegen der Covid-19-Pandemie fand die Zeremonie als Videokonferenz statt. © picture alliance/Xinhua News Agency/VNA
Deutsche Wirtschafts- und Branchenverbände befürchten, dass sich für deutsche Firmen an europäischen Standorten mittelfristig der Marktzugang in Asien verschlechtern könnte – und damit die internationale Wettbewerbsfähigkeit sinkt. Was ist dran an diesen Befürchtungen? Fünf Fragen und Antworten zum Pazifikpakt:
1. Schwächt RCEP deutsche Exporteure?
Kommt darauf an. Fast alle RCEP-Länder sind bereits durch Freihandelsabkommen miteinander verbunden. China hat mit allen RCEP-Staaten bilaterale Abkommen geschlossen, außer mit Japan. Die Asean-Staaten sind über ihre Asean-Plus-Abkommen sogar mit allen fünf anderen RCEP-Ländern verbunden. Einige Länder (Japan, Vietnam, Brunei, Singapur, Malaysia, Australien und Neuseeland) sind außerdem Teil des Abkommens Comprehensive and Progressive Agreement for Trans-Pacific Partnership (CPTPP).
Nur für Japan, Südkorea und China bildet RCEP den ersten gemeinsamen Freihandelsvertrag überhaupt. Wenn diese drei Länder gegenseitig Zölle senken, dann könnte das prinzipiell ins Gewicht fallen und die Position deutscher Exporteure schwächen. Friedrich Wagner vom Verband Deutscher Maschinen und Anlagenbau (VDMA) stellt fest: „Wettbewerber aus Japan und Südkorea erhalten beim Marktzugang nach China durch die vereinbarten Zollsenkungen durchaus mittelfristig bei einigen Produktbereichen Wettbewerbsvorteile.“
Allerdings muss man schon sehr genau in die jeweiligen Abbauszenarien schauen. Viele Waren sind komplett vom Zollabbau ausgenommen. Andere Zölle sollen erst über einen Zeitraum von 20 Jahren stufenweise sinken, teilweise soll das bis zu 35 Jahre dauern. Man kann pauschal also nicht sagen, wie sich RCEP für Exporteure aus Deutschland oder der EU auswirken wird. Kommentar
2. Wie nützt RCEP Unternehmen in der Region?
Experten vergleichen die vielen Freihandelsverträge in Asien, die sich zum Teil auch noch überlagern, mit dem Inneren einer Spaghettischüssel (Noodle Bowl). Dies bringt einigen Verwaltungsaufwand mit sich. Studien zeigen, dass manche Unternehmen lieber auf den günstigeren Präferenzzoll verzichten, weil es ihnen zu umständlich ist, den Warenursprung für jedes einzelne Freihandelsabkommen zu dokumentieren. Nur für 22 Prozent des asiatisch-pazifischen Handels im Jahr 2015 nutzten Unternehmen irgendwelche vertraglich fixierten Vergünstigungen, hat eine Studie des Pazifischen Rates für wirtschaftliche Zusammenarbeit ergeben.
Als wichtigste Erleichterung für Unternehmen gelten daher die einheitlichen Ursprungsregeln des RCEP. Seite 47 Unter RCEP lassen sich – anders als etwa bei den Asean-Plus-Abkommen – Wertschöpfungsanteile kumulieren. Werden Vormaterialien aus Australien zum Beispiel in Indonesien verarbeitet und weiter nach Japan exportiert, dann addieren sich die Fertigungsanteile und gelten in Summe als inländisch. Das reduziert den administrativen Aufwand und damit die Kosten für Exporteure. Und es bringt Unternehmen einen Vorteil, die Wertschöpfungsketten in der Region betreiben.
Euler Hermes prognostiziert, dass die neuen Ursprungsregeln zu einem zusätzlichen Exportvolumen der RCEP-Staaten von 90 Milliarden US-Dollar jährlich führen werden. Davon soll der Hauptteil auf den Handel zwischen den Mitgliedsländern entfallen. Berechnungen des Peterson Institute for International Economics zufolge könnte RCEP bis zum Jahr 2030 weltweit zu einem zusätzlichen Realeinkommen von jährlich 186 Milliarden US-Dollar führen, davon 174 Milliarden US-Dollar in den Unterzeichnerstaaten.
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