»Die Hälfte des globalen Fleischkonsums entfällt auf Asien«
Interview mit Timo Recker, Gründer des deutschen Start-ups LikeMeat und CEO von Next Gen Foods.
Juni 2021
Interview: Christiane Süßel
Sie stammen aus einer Familie von Fleischfabrikanten. Warum stellen Sie mit Ihrer Arbeit das Geschäftsmodell Ihrer Familie auf den Kopf?
Ich gehöre zur Generation der Millenials und es ist mir ein Anliegen, meinen Kindern eine bessere Welt zu hinterlassen. Blickt man auf den Verbrauch an Wasser und Land und hat die anfallenden Emissionen im Blick, muss man zu dem Schluss kommen, dass Massentierhaltung in hohem Maße ineffizient und umweltschädlich ist. Eine vegetarische Ernährung schont unsere Ressourcen. Damit kann ich mich identifizieren.
Hand aufs Herz: Was liegt sonntags auf Ihrem Teller? Ein saftiges Schweineschnitzel oder gegartes Gemüse?
Als Spross einer Fleischdynastie weiß ich durchaus, wie ein gutes Schnitzel schmecken muss. Ich bin selbst aber Flexitarier, esse also ab und zu Fleisch oder Fisch, achte aber darauf, nicht zu viele tierische Produkte zu konsumieren.
Wie sind Sie auf das Thema Fleischersatz gestoßen?
Eher auf Umwegen. Ich wollte zunächst nicht in die Firma meiner Familie einsteigen, sondern eigene Wege gehen. Als das Unternehmen meiner Eltern jedoch 2012 vor einer Neuausrichtung stand, stieg ich dann doch ein. Wir sondierten mehrere Optionen. Dabei fiel mir das vegetarische Schnitzel wieder ein, das ich Jahre zuvor in London gegessen hatte und das unerwartet lecker geschmeckt hatte. Es schien mir eine passende Antwort auf viele Zukunftsfragen zu sein. 2013 habe ich dann meine eigene Firma LikeMeat gegründet. Wir haben vegetarischen Fleischersatz auf den deutschen Markt gebracht. Damals steckte die Nachfrage für pflanzenbasiertes Fleisch in Deutschland in den Kinderschuhen. Es gab noch kaum ein Bewusstsein für nachhaltiges Essen.
Timo Recker, Mitgründer und CEO von Next Gen Foods. © Next Gen Foods
Mit Ihrer Firma LikeMeat haben Sie ausgerechnet typisch deutsche Fleischgerichte wie Schnitzel und Currywurst fleischlos gemacht? Warum?
Ich wollte beweisen, dass man keineswegs auf das Geschmackserlebnis von Fleisch verzichten muss, zugleich aber doch etwas für die eigene Gesundheit, das Tierwohl und die Umwelt tun kann. Wie erwartet sind die Verbraucher in den vergangenen Jahren bewusster geworden. Auch der Gesundheitsaspekt spielt für viele eine immer größere Rolle.
2020 haben Sie LikeMeat an den Schweizer Lebensmittelinvestor Blue Horizon verkauft. Welche Lektionen haben Sie mitgenommen?
Bei LikeMeat war ich CEO, Marketing- und Finanzchef in einer Person. Ich hatte eine enorm steile Lernkurve. Bei meinem neuen Start-up Next Gen Foods habe ich ein Expertenteam an meiner Seite. Institutionelle Geldgeber und strategische Investoren wie der Innovationshub der METRO AG NX-Food und Temasek finanzieren unser Wachstum.
Mit Next Gen Foods wagen Sie den Schritt auf den asiatischen Markt. Nach Schnitzel und Co servieren Sie nun mit TiNDLE Thy Hühnchen-Fleischersatz. Warum Hühnchen und warum Asien?
Die Hälfte des globalen Fleischkonsums entfällt auf Asien. Hühnchen ist dabei die weltweit am meisten konsumierte Fleischart. Mit TiNDLE Thy konzentrieren wir uns bewusst zunächst nur auf ein Produkt und stellen die Marke in den Vordergrund. Damit haben wir ein Alleinstellungsmerkmal. Unser pflanzenbasiertes Hühnchen wird aus neun Zutaten hergestellt und ist von den Gesundheitsbehörden in Singapur zertifiziert. Es kommt ohne Gentechnik aus, ist reich an Proteinen und Ballaststoffen, cholesterinfrei und enthält wenig Fett, Salz und Kohlehydrate. Unsere Mission ist es, zum Marktführer zu avancieren.
Warum starten Sie gerade in Singapur?
Singapur punktet sowohl mit einem unternehmerfreundlichen Start-up-Umfeld wie auch mit einem bunten Mix aus Esskulturen: chinesisch, indisch, arabisch oder westlich. Ein ideales Umfeld, um neue Produkte zu testen. Der Geschmack steht bei uns im Vordergrund, aber wir wollen mit unserem Produkt auch eine Geschichte erzählen und die Verbraucher so für unsere Marke TiNDLE gewinnen. Seit Mitte März steht unser pflanzenbasiertes Huhn in 20 gehobenen Restaurants der Stadt auf der Speisekarte.
Welches Marktpotenzial gibt es insgesamt in Asien für Fleischersatz?
Auch wenn derzeit Europa der größte Markt für pflanzenbasiertes Fleisch ist und die USA schnell wachsen, wird die Nachfrage in Asien bis 2030 auf 13 Milliarden US-Dollar rasant anziehen. Hier gilt es, sich ein Stück vom Kuchen zu sichern.
Was kommt nach Ihrem Hühnchen? Werden Sie auch Rind, Schwein und Fisch nachempfinden?
Wir konzentrieren uns zunächst auf TiNDLE Thy. Nach dem Testballon Singapur stehen wir in den Startlöchern für unsere Expansion in vier weitere asiatische Metropolen, darunter auch Hongkong. Aber natürlich wollen wir unsere Produktpalette ausweiten und haben genauso den Markt in Europa und Amerika im Visier.
Essen wir in zehn Jahren nur noch Fleischersatz?
Nein. Auch in Zukunft werden Schnitzel und Hühnerschenkel auf unseren Tellern landen. Aber eben nicht mehr zwingend vom Schwein oder vom Huhn, sondern eben auch auf Pflanzenbasis. Wir werden zukünftig auf mehr Alternativen zurückgreifen und ausgewogener essen. Genau wie die Elektromobilität wird auch fleischloses Essen einen Boom erleben. Das Bewusstsein wird wachsen, dass fleischlose Kost gesünder für uns und unseren Planeten ist.
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