Langer Atem: Rekultivierung für den Kohleausstieg

April 2022
Autorin: Melanie Volberg

Der Rostige Nagel am Senftenberger See im Lausitzer Seenland: Die malerische Landschaft ist das Ergebnis sorgfältiger Rekultivierung eines ehemaligen Tagebaus. © fotoak80

Wer durch die Braunkohle­reviere in Deutschland fährt, sieht offene Wunden. Bis zu 94 Meter hohe Schaufelbagger rissen allein in Deutschland über die Jahrzehnte eine Fläche von mehr als 2.300 Quadratkilometern auf. Eine Fläche so groß wie das Saarland. Die Kolosse lagern immer noch komplette Erdschichten um und baggern 70 Meter dicke Kohleschichten ab.

Nach deutschem Bergrecht darf keine Lagerstätte aufgeschlossen werden, bevor nicht auch ein Konzept für die Wiedernutzbarmachung des Abbaufeldes vorliegt und vom Bergamt des jeweiligen Bundeslandes genehmigt ist. Sobald die ersten ­Partien eines Kohleflözes abgebaut sind, beginnt dort die Wiederherstellung von Ackerland, Wald und sonstigen Flächen, die Rekultivierung. Absetzer verkippen zunächst Ton, Sand und Kies und legen anschließend eine Drainageschicht aus wasserdurchlässigem Material darüber. Dort, wo wieder Wald wachsen soll, tragen die Absetzer eine Mischung aus Lösslehm und Kies als oberste Bodenschicht auf.

Entwicklung der Rekultivierung ist dynamisch

„Andere Länder, die erst jetzt mit dem Kohleausstieg begonnen haben oder ihre Abbauflächen brachliegen haben lassen, können von uns lernen“, sagt Stefan von Senger und Etterlin, Leiter Außenwirtschaft der Wirtschaftsförderung Brandenburg. Das bestätigt auch Tobias Metzger, Leiter Verkauf und Geschäftsentwicklung bei der RWE Technology International. Melanie Gutmann, seine Kollegin von der Forschungsstelle Rekultivierung, erklärt, wie RWE den „Boden wieder lebendig macht“: Sieben Jahre lang bewirtschaftet RWE Power die neuen Ackerflächen selbst. In dieser Zeit erkennen die RWE-Power-Landwirte auch mögliche Rekultivierungsmängel, wie Mulden, nasse Stellen, Verdichtungen oder Steine. Welche Pflanzen und welche Tierarten sich letztendlich ansiedeln, wie sich die Biodiversität entwickelt, dafür legt das RWE-Team nur die Grundlagen. Die Entwicklung ist dynamisch. Den Rest der Arbeit erledigt die Natur selbst. „Die Natur ist kein Auto, das wir kontrolliert bauen können“, sagt Melanie Gutmann, und weiter: „Am Ende soll der Bergbau den nachfolgenden Generationen eine nachhaltig nutzbare und attraktive Landschaft hinterlassen.“

Jahrelange Erfahrung mit Rekultivierung

Weiter östlich in Deutschland liegen weitere große Braunkohleabbaugebiete: das Mitteldeutsche Revier, das Helmstädter ­Revier und die Lausitz. Die Seenlandschaft in der Lausitz entstand aus den tiefen ­Gruben des Braunkohletagebaus. Auch hier haben Forscher und Unternehmen jahrelange Erfahrungen mit der Rekultivierung und der Dynamik der Natur gemacht.

Das möchte sich im Mai dieses Jahres eine Gruppe von australischen und chilenischen Unternehmern in Deutschland vor Ort anschauen. „Rekultivierung kann ein Exportprodukt werden“, sagt Stefan von Senger und Etterlin. Dabei denkt er nicht nur an deutsche Innovation und Forschungsstärke, sondern auch an strukturelle Voraussetzungen. „Bei uns hat der Staat die Kosten der Rekultivierung ausgekohlter Tagebaue oder des Uranbergbaus aus DDR-Zeiten übernommen. Das wird sehr gut gemanagt, der Kostenrahmen wird immer eingehalten, die Sanierungserfolge überzeugen.“

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