Februar 2020
Herr Stöckmann, welche regional übergreifenden Trends gibt es derzeit im Bergbau?
Technisch: Automatisierung, Digitalisierung, autonomer Betrieb, Sicherheit für die Beschäftigten. Gesellschaftlich: licence to operate, Verbesserung des Ansehens der Rohstoffgewinnung in der Gesellschaft. Der Bergbau muss sich als der Versorger von Rohstoffen darstellen, die für viele Produkte erforderlich sind, auf die der Mensch tagtäglich vertraut.
Können Sie uns ein paar Stichworte zu den im Artikel „Unterirdische Renditen?“ vorgestellten Märkten Südafrika, Peru, Russland und Kasachstan geben?
Das südliche Afrika ist eine Region, die über eine hohe Vielfalt an Mineralen und Metallen verfügt, mit riesigen Mengen an Diamanten, Platin, Kohle, Gold, Asbest, Eisen, Nickel und Chrom. Die Wirtschaft im heutigen Südafrika konzentriert sich auf den Bergbau. Außerdem liefert Südafrika den Nachbarländern Botswana, Namibia, die Demokratische Republik Kongo und Simbabwe den Großteil ihrer Investitionsgüter. Südafrika verfügt über geschätzte 2,5 bis drei Billionen Dollar an nicht-energetischen Mineralreserven. Das bedeutet weitere 150 Jahre Förderung. Der Bergbau trägt 18 Prozent zum BIP bei – 8,6 Prozent direkt und zehn Prozent indirekt. Die größten Herausforderungen für die Mineralentwicklung im Land sind die politische Unsicherheit, tiefere Lagerstätten im Goldsektor, steigende Strompreise, Strommangel und eine stark gewerkschaftlich organisierte Erwerbsbevölkerung.
Und wie sieht es in Peru aus?
Peru ist einer der stabilsten Märkte Lateinamerikas und bleibt auch weiterhin auf Wachstumskurs. Perus Wirtschaft wird 2019 nach aktuellen Schätzungen um 2,5 Prozent wachsen. Für 2020 rechnet man mit drei bis 3,5 Prozent. Damit liegt das Land weiterhin über dem Durchschnitt in der Region, aber unter dem eigenen Potenzial. Das liegt an den Spannungen im Welthandel. Die Rohstoffpreise sinken und die staatliche Investitionstätigkeit lässt als Folge des Odebrecht-Skandals nach. Peru ist aktuell nach Chile der zweitgrößte Kupferproduzent und liegt im lateinamerikanischen Vergleich bei Gold, Zink, Zinn und Blei sogar an erster Stelle. Ungefähr 60 Milliarden US-Dollar an ausländischen Investitionen flossen in den vergangenen zehn Jahren in Bergbauprojekte in Peru. In den nächsten Jahren sind mindestens 48 Projekte mit einem Gesamtvolumen von 59 Milliarden US-Dollar im Portfolio. Dafür ist allerdings die Zustimmung der Bevölkerung erforderlich. Technologien, die den ökologischen Fußabdruck der Bergbauaktivitäten reduzieren, sind daher besonders gefragt. Digitalisierung und Industrie 4.0 für den Bergbau sind Trendthemen.
Wie gut stehen deutsche Zulieferer in Russland da?
Anders als in Deutschland gilt Kohle in Russland, den GUS-Staaten und Asien als Basis der Wärme- und Energieerzeugung. Die Expansion des Kohlemarkts wird durch Bevölkerungswachstum, industrielle Entwicklung und verbesserten Lebensstandard bestimmt. Fünf Jahre EU-Sanktionen gegen Russland haben den dortigen Markt verändert. Der russische Rubel hat sich in dieser Zeit abgeschwächt und die Kaufkraft russischer Kunden ist gesunken. Das veranlasste viele, nach Alternativen zu deutschen Lieferanten zu suchen. Die Folge: das Geschäft mit chinesischen Lieferanten ist deutlich gewachsen, ebenso der lokale Zulieferermarkt. Für Lieferanten aus den USA ist es schwieriger geworden ist, ihren Marktanteil in Russland zu halten. Nach Einschätzung aus der Branche wird auch der Goldmarkt wachsen, was den Goldproduzenten mehr Einnahmen verschafft, die sie in neue Minen und allgemein in mehr Bergbau- und Aufbereitungsanlagen investieren können. Stabile Kohlepreise bedeuten auch eine stabile finanzielle Situation für die Mehrheit der russischen Kohleproduzenten.
Bleibt noch Kasachstan…
Kasachstan liegt bei Rohstoffreichtum und Förderung von Bodenschätzen weltweit auf einem der vorderen Plätze. Von den 105 Elementen des Periodensystems sind 99 in Kasachstan nachgewiesen. Bei vielen Rohstoffvorkommen gehört der mit 2,7 Mio. Quadratkilometern neuntgrößte Flächenstaat der Erde weltweit zur Spitze. Auch bei der Rohstoffförderung spielt das Land eine wichtige Rolle: für China ist Kasachstan zum Beispiel ein wichtiger Rohstofflieferant. Neben Öl liefert Kasachstan auch Uran, Kupfer, Zink und Eisenlegierungen in das Reich der Mitte. Einerseits sind chinesischen Akteure sehr aktiv und investieren im Land, andererseits stehen die kasachischen Beteiligten diesen Aktivitäten häufig kritisch gegenüber und sind durchaus an alternativen Anbietern interessiert. Hier gilt es für deutsche Maschinenhersteller nicht locker zu lassen und Chancen zu nutzen. Für europäische Maschinenbauer ist das Land in Zentralasien seit Jahren der größte Absatzmarkt. Der Export von Bergbaumaschinen von Deutschland hat sich 2018 nach einem schweren Einbruch wieder erholt. In den ersten neun Monaten dieses Jahres erreichten die Exporte mit zehn Millionen Euro schon fast das Niveau des gesamten Vorjahres.
Welches dieser Länder bietet das größte Potenzial für Bergbaufirmen?
Von den genannten Ländern bieten Russland und Peru sicher das größte Potential, alleine schon wegen der vielen aktiven Bergwerke. Südafrika hat auch Potential, aber die Rahmenbedingungen erschweren das Geschäft. In Kasachstan ist das Interesse an deutscher Bergbautechnik groß, aber russische und chinesische Wettbewerber sind im Vorteil.
In Russland sind im Bergbau umweltfreundliche Technologien gefragt. Ist das ein weltweiter Trend?
Umweltfreundlichkeit bekommt von Jahr zu Jahr einen höheren Stellenwert. Leider erfolgen Investitionen in Umweltschutz erst nach Unfällen mit schweren Umweltfolgen, wie zuletzt in Brasilien. Aber entsprechende Forderungen der Anlieger von Bergwerken werden ebenfalls immer stärker. Das führt unter anderem zur Entwicklung neuer Verfahren bei der Gewinnung metallischer Rohstoffe. Man verzichtet weitgehend auf aggressive Substanzen, die das Mineral aus dem Gestein lösen. Schon länger wird zum Beispiel mit dem Einsatz von Bakterien experimentiert. Daneben arbeiten die Bergwerksbetreiber daran, Roh- und Betriebsstoffen effizienter einzusetzen – alleine aus Kostengründen. In abgelegenen Revieren erzeugen sie Energie immer öfter mit Sonne und Wind. Und dann nehmen die Erzgehalte ab. Die Minenbetreiber versuchen, die Lagerstätten effizienter zu nutzen. Und das verringert tendenziell den Verbrauch von Land.
Deutsche Anlagenbauer bekommen es immer wieder mit Chinas Staatskonzernen zu tun, so zum Beispiel in Kasachstan. Wie können sie sich durchsetzen?
Deutsche Technik steht im Ruf, zuverlässig und effizient zu sein. Rechnet man beim Kauf einer Maschine die Kosten der gesamten Lebensdauer, dann sind deutsche Maschinen nicht teurer. Sie bleiben seltener stehen, die Kosten für Ausfälle oder Reparaturen sind geringer. Deutsche Technik bietet auch ein hohes Potenzial für Automatisierung. Diese Eigenschaften und Möglichkeiten erfordern einen hohen Innovations- und Fertigungsaufwand. Gegen eine staatlich beeinflusste Preispolitik haben es deutsche Anbieter schwer, mit den genannten Argumenten zu überzeugen. Aber bisher ist es immer wieder, oder immer noch, gelungen, durch lange Lieferbeziehungen Vertrauen beim Kunden aufzubauen. Dann fällt die Entscheidung nicht ausschließlich nach dem Preis.