Mai 2019
Autorin: Stefanie Schmitt
Wer die chinesische Stadt Xi’an besucht, befindet sich wahrscheinlich auf den Spuren der berühmten Terrakotta-Armee. Doch die Millionenmetropole hat seit vergangenem Jahr noch etwas anderes zu bieten: den größten Luftreinigungsturm der Welt. Zwischen den Apartmentkomplexen wirkt der 60 Meter hohe, schlanke Turm zwar etwas verloren. Doch seine Bedeutung ist umso wichtiger: Er soll die Feinstaubbelastung in der Luft reduzieren.
In Hunderten chinesischen Städten übersteigt die Feinstaubbelastung die empfohlenen Grenzwerte um ein Vielfaches. So auch in Xi’an: 2018 betrug die Feinstaubbelastung dort im Jahresdurchschnitt 61 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – und damit mehr als das Sechsfache dessen, was die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Nun soll der einem industriellen Schornstein ähnelnde Luftreinigungsturm Abhilfe schaffen – oder zumindest Linderung bringen.
Luftreinigungsturm in der chinesischen Stadt Xi’an. © GTAI/Stefanie Schmitt
wurde das Turmprojekt von der chinesischen Akademie der Wissenschaften, der Xi’an-Jiaotong-Universität und der amerikanischen University of Minnesota ins Leben gerufen.
Monate dauerte es, bis der Grobstaubfilter des Turms von einer schwarzen Dreckschicht überzogen war. Die Filter müssen regelmäßig ausgetauscht werden.
Mikrogramm Feinstaub pro Kubikmeter Luft beträgt der empfohlene Jahresdurchschnittswert. Hunderte chinesische Städte übersteigen diesen Wert um ein Vielfaches.
Ausgeklügeltes System
Wer sich dem Prototyp mit dem offiziell etwas klobigem Namen Hybrid Solar Assisted Large Scale Cleaning System nähert, hört ein leises Rauschen. Es stammt von der Luft, die der Turm an seinem Fuß aufsaugt. Die Luft strömt durch Filter in den Turm hinein und steigt gereinigt nach oben. Durch einen Unterdruck zieht der Turm ständig neue Luft nach. Im Winter können so bei schlechtem Wetter rund fünf Millionen Kubikmeter Luft täglich gefiltert werden, bei Sonnenschein bis zu acht Millionen und im Sommer sogar bis zu 20 Millionen. Die Energie, die der Turm benötigt, erzeugt er selbst: Die ihn umgebenden Vordächer sind mit Spezialglas beschichtet und mit Solarpanels bestückt. Sie erwärmen die Luft darunter, die dann durch die verschiedenen Filterwände strömt.
Seit November 2018 befindet sich der umgerechnet rund 1,5 Millionen Euro teure Turm im Dauerbetrieb – und die bisherigen Resultate sind laut Zhang Ningning, einem der federführenden Wissenschaftler des Projekts, durchaus zufriedenstellend. Die Wirkung des Turms ist auf einer Fläche von etwa zehn Quadratkilometern spürbar. Im Durchschnitt reduziert er die Feinstaubbelastung um elf Prozent. Außerdem filtert er Grobstaub und Stickoxide aus der Luft.
Die Filter stammen von den chinesischen Firmen Dandong und Desay sowie den US-Herstellern Donaldson und 3M. „Mittel- bis langfristig streben wir an, den Turm komplett mit chinesischen Produkten zu betreiben“, sagt Zhang. „Aber wir heißen gern andere internationale Firmen willkommen, ihre Filtersysteme bei uns zu testen.“
»Der Turm kann die Luftverschmutzung nur verringern. Entscheidend wird es sein, die eigentlichen Ursachen zu bekämpfen.«
Zhang Ningning,
Professor am Umweltinstitut der
Chinese Academy of Sciences
Teures Wohnumfeld
Schon jetzt ist das Interesse an dem Turm groß. Lokalpolitiker erhoffen sich für ihre Regionen eine Lösung der Dauersmogproblematik. Auch Vertreter der großen Immobiliengesellschaften waren bereits vor Ort. In der Tat sind die Kaufpreise für Wohnungen im Umfeld des Turms innerhalb eines Jahres auf umgerechnet zwischen 1.300 und 2.000 Euro pro Quadratmeter gestiegen – das Anderthalbfache dessen, was sonst durchschnittlich in Xi’an verlangt wird.
Noch befindet sich der Turm in der Testphase, die im Laufe des Jahres abgeschlossen sein soll. Zhang dämpft den Optimismus ein wenig: Es könne ja nicht darum gehen, Chinas Städte flächendeckend mit Luftreinigungstürmen zu bestücken. Sie sind nur eine Hilfsmaßnahme – auf dem Weg zu besserer Luft.
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Mehr Informationen zu China unter: www.gtai.de/china
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