Juli 2020
Autor:innen: Amira Baltic-Supukovic und Jakob Kemmer
Gibt es Beschränkungen für ausländische Investitionen in Algerien?
Das neue Finanzgesetz vom 30. Dezember 2019 hebt eine alte Beschränkung des Vorgängergesetzes von 2016 weitgehend auf. Nun ist es ausländischen Investoren erlaubt, Kapitalbesitz von mehr als 49 Prozent an Unternehmen in sogenannten nicht strategischen Sektoren zu halten. Welche Güter und Dienstleistungen von strategischem Interesse für die algerische Volkswirtschaft sind, kann nach Artikel 109 des neuen Finanzgesetzes durch eine Verordnung festgelegt werden. Die Regierung hat jüngst angedeutet, dass darunter der Energiesektor fallen soll, Infrastruktur, Banken, Versicherungen, natürliche Ressourcen einschließlich Kohlenwasserstoffe und Bergbau, Verteidigung sowie Wasser- und Stromverteilung. Darüber hinaus hat das neue Finanzgesetz auch die Verwendung ausländischer Unternehmensfinanzierungen neu geregelt. Es lässt nun Auslandskredite für Projekte zu, die „strategisch, strukturierend und zielgerichtet“ für die nationale Wirtschaft sind. Zuvor waren die Investitionen lediglich auf lokale Finanzierung beschränkt.
Ich habe gehört, in Algerien gilt islamisches Recht. Hat das Auswirkungen aufs Geschäftsleben?
Der Einfluss der Scharia hält sich insbesondere im Wirtschaftsrecht in Grenzen. Das Rechtssystem des Landes ist stark an das koloniale, französische Vorbild angelehnt. Aber auch Ausprägungen von britischem und islamischem Recht sind in der algerischen Rechtsordnung zu finden. Diese verschiedenen Ansätze sind heute zu einer eigenständigen Ordnung verschmolzen, die in dieser Art einmalig ist. Wie in Frankreich ist auch in Algerien die Verwaltungsgerichtbarkeit sehr gut ausgebaut. Auch das algerische Zivilgesetzbuch entspringt zu großen Teilen dem französischen Code civil.
Was sollte ich bei einem Rechtsstreit mit einem algerischen Geschäftspartner wissen?
Die Rechtsverfolgung auf dem Gebiet des Zivilrechts regelt in Algerien die Zivil- und Verwaltungsprozessordnung (aZPVO) aus dem Jahr 2008. Für Unternehmer ist der Artikel 41 entscheidend, der besagt, dass in Algerien jeder Geschäftspartner aus dem Ausland vor die dortigen Gerichte geladen werden kann, auch wenn er nicht in Algerien ansässig ist. Voraussetzung dafür ist, dass es um Rechtsgeschäfte in Algerien mit einem algerischen Staatsbürger geht. Die algerische Justiz darf sogar ausländische Investoren vor die algerischen Gerichte laden, falls sich der Rechtsstreit um Verpflichtungen dreht, die zwar im Ausland, aber gegenüber einem algerischen Staatsbürger eingegangen wurden. Sehr hilfreich für deutsche Unternehmer in Algerien: Die Gegenseitigkeit im Sinne von § 328 Abs. 1 Nr. 5 ZPO für ausländische Entscheidungen ist verbürgt. Das bedeutet, dass eine in Algerien ergangene Gerichtsentscheidung in Deutschland anerkennungsfähig ist – und umgekehrt.
Was muss ich beachten, um als Ausländer in Algerien eine Firma zu gründen?
Die gängigsten Gesellschaftsformen in Algerien sind die Société par actions, in etwa eine deutsche Aktiengesellschaft, die Société à responsabilité limitée, die Entsprechung zur deutschen Gesellschaft mit beschränkter Haftung, sowie das Groupement, ein algerisches Joint Venture. Alle diese Gesellschaften müssen ins Handelsregister eingetragen werden. Bei juristischen Personen ist dafür die Bestätigung erforderlich, dass eine Gesellschaft dieses Namens bisher nicht existiert. Man benötigt auch einen beglaubigten Mietvertrag über Geschäftsräume, eine Bankbestätigung über die Einzahlung der Kapitalanteile der ausländischen Gesellschafter sowie den Gesellschaftsvertrag nebst Vollmacht des rechtlichen Repräsentanten.
Sie suchen ähnliche Informationen zu weiteren schwierigen Märkten wie China, Kenia oder Russland? Dann klicken Sie hier.
Welche Einfuhrabgaben fallen in Algerien an?
Neben Zöllen und der Einfuhrumsatzsteuer können Verbrauchssteuern und ähnliche Abgaben anfallen. Diese belasten vor allem bestimmte Lebensmittel, neue Reifen und bestimmte Fahrzeuge. Außerdem gibt es zum Beispiel Steuern auf Plastikbeutel und Batterien. Verschiedene Haushaltsgeräte werden mit einer Energieeffizienzsteuer belastet. Für Trockenfrüchte und Getreide fällt eine landwirtschaftliche Abgabe an. Zudem schlägt der Staat auf alle eingeführten Waren eine Solidaritätsabgabe in Höhe von zwei Prozent auf. Unternehmer sollten immer kurzfristig prüfen, ob zusätzliche Schutzzölle die Einfuhr der eigenen Produkte erschweren, denn die Regeln ändern sich häufig.
Welche nichttarifären Handelshemmnisse stellen eine besondere Herausforderung in Algerien dar?
Nichttarifäre Handelshemmnisse werden oft im Rahmen der Finanzgesetze eingeführt. Manchmal kündigt der Gesetzgeber sie aber auch im Laufe des Jahres kurzfristig an, sodass Unternehmen nicht genügend Zeit haben, sich auf die neuen Einfuhrvorschriften vorzubereiten. Zum Beispiel sollten Exporteure im Jahr 2018 mit einem Mal für fast alle Waren bescheinigen, dass sie im Herkunftsland frei verkäuflich sind. Das Dokument sollte im Exportland ausgestellt sein und musste der algerischen Domizilierungsbank vor der Einfuhr vorgelegt werden. Weil das so unüblich war, bat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag damals die Vereinigung der europäischen Handelskammern, möglichst kurzfristig eine EU-weit einheitliche Formatvorlage zu erarbeiten. Wenige Wochen später wurde die Bestimmung teilweise aufgehoben. Sie gilt seitdem nur noch für Waren, die für den Weiterverkauf in unverändertem Zustand bestimmt sind. Andere kurzfristige Handelshemmnisse dieser Art: Unternehmen durften eine Zeit lang bei der Einfuhr ausschließlich die Vertragsklausel Free On Board (FOB) verwenden. Und immer wieder dürfen bestimmte Produkte überhaupt nicht eingeführt werden.
Müssen Unternehmen für bestimmte Waren Einfuhrgenehmigungen oder Lizenzen in Algerien beantragen?
Ja, Einfuhrgenehmigungen sind zum Beispiel für Tabakwaren erforderlich, für Kosmetika, chemische und pharmazeutische Erzeugnisse. Aber auch für landwirtschaftliche Produkte und Messinstrumente sind sie bei den jeweils zuständigen algerischen Ministerien einzuholen. Das algerische System der Einfuhrlizenzen wurde im Januar 2018 nach zwei Jahren Anwendung ausgesetzt. An die Stelle der Einfuhrlizenzen ist eine Reihe anderer Maßnahmen getreten, die den Import einschränken. Diese können Sie auf der Website des algerischen Handelsministeriums nachlesen.
Welche Bestimmungen gelten für die Zahlungsabwicklung in Algerien?
Um den Devisenabfluss zu reduzieren, ergreift die algerische Regierung verschiedene Maßnahmen. Eine davon ist die sogenannte Domizilierung.
Das bedeutet, dass alle Einfuhren, deren Wert 100.000 Algerische Dinar (rund 720 Euro) übersteigt, grundsätzlich über eine zugelassene algerische Bank abgewickelt werden müssen. Algerische Importeure müssen daher ein Devisenkonto führen und den gewünschten Betrag in der Fremdwährung beantragen. Die Bank prüft den Antrag in Zusammenarbeit mit der Zollverwaltung und dem Finanzamt, bevor das Dokumentenakkreditiv oder das Dokumenteninkasso eröffnet werden dürfen. Um lokale Produzenten zu schützen, hat die Regierung die Domizilierung für bestimmte Produkte zeitweise ausgesetzt. Das bedeutet, dass die betroffenen Produkte nicht eingeführt werden können. Das galt zuletzt für Importe von SKD-/CKD-Bausätzen für die Automobil-, Haushaltsgeräte- und Mobiltelefonindustrie.
Service & Kontakt
Ihre GTAI-Ansprechpartnerin für Zollfragen
Amira Baltic-Supukovic
+49 228 24 993 347
Schreiben Sie uns!
Ihr GTAI-Ansprechpartner für ausländisches Wirtschaftsrecht
Jakob Kemmer
+49 228 24 993 367
Schreiben Sie uns!
Recht in Afrika: Interview mit Daniel Smyrek von der Anwaltskanzlei Alexander & Partner, die sich auf das Wirtschaftsrecht afrikanischer Staaten spezialisiert hat.
Mehr zu Zollfragen über Algerien
Mehr zu Rechtsfragen über Algerien
Kommentare (0)
Hinterlasse einen Kommentar
An der Diskussion beteiligen?Hinterlasse uns deinen Kommentar!