Dezember 2020
Autor:innen: Susanne Scholl und Jan Sebisch
Welches Rechtssystem hat Brasilien?
Es gehört dem Rechtskreis des Civil Law an. Im Gegensatz zum Common Law sind die unmittelbar wichtigste Rechtsquelle die Gesetze, die im Gesetzgebungsverfahren entstehen. Die Rechtsprechung und Lehre sind nur mittelbare Rechtsquellen. Unter den im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens geschaffenen Normen herrscht eine Rangordnung. An erster Stelle stehen die Verfassungsnormen. Darunter sind die Gesetze angesiedelt.
Existieren in Brasilien besondere Vorschriften aus dem Bereich des Verbraucherrechts?
Die brasilianische Bundesverfassung von 1988 hat den Verbraucherschutz als Grundrecht festgeschrieben. Bereits zwei Jahre nach der Verfassung ist das brasilianische Verbraucherschutzgesetz (Gesetz Nummer 8.078/1990) verabschiedet worden. Im Streitfall können sich Kläger aussuchen, ob sie sich auf das Verbraucherschutzgesetz berufen, auf das Zivilgesetzbuch oder auf beides. Das Verbraucherschutzgesetz schränkt die Vertragsfreiheit wie üblich bei Formularverträgen und Vereinbarungen zwischen Unternehmen und Verbrauchern ein. Das Besondere in Brasilien: Hier sind gegebenenfalls auch Verträge zwischen Unternehmern betroffen. Das liegt daran, dass sich die Schlüsselbegriffe des Gesetzes sehr weit auslegen lassen. So fällt zum Beispiel jede natürliche oder juristische Person, die ein Produkt oder eine Dienstleistung als Letztempfänger erwirbt oder benutzt, unter die Definition des Verbraucherbegriffs.
Welche Steuern sind aus Unternehmenssicht in Brasilien besonders relevant?
In Brasilien ansässige Unternehmen unterliegen mit ihren Welteinkünften der Körperschaftsteuer (Imposto de Renda da Pessoa Jurídica). Es gibt mehrere einkommensabhängige Steuern für Unternehmen: die Sozialabgabe auf den Nettogewinn (Contribuição Social sobre o Lucro Líquido), außerdem die Sozialbeiträge PIS (Contribuição ao Programa de Integração Social) und COFINS (Contribuição para Financiamento da Seguridade Social). Die Körperschaftsteuer wird auf Bundesebene erhoben. Im Allgemeinen liegt der Steuersatz bei 15 Prozent, unabhängig davon, ob der tatsächliche Gewinn (Lucro Real) oder der erwartete Gewinn (Lucro Presumido) als Ausgangspunkt zur Berechnung gilt. Für kleine und mittlere Unternehmen hat die brasilianische Regierung ein vereinfachtes System geschaffen (SIMPLES), bei dem Unternehmen mit einer einzigen Zahlung mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Steuerarten auf einmal begleichen können.
Was ist bei einem Rechtsstreit mit einem brasilianischen Geschäftspartner zu beachten?
Sofern sich ein Rechtsstreit außergerichtlich nicht mehr lösen lässt, sollten Unternehmer zunächst die Schiedsgerichtsbarkeit in Betracht ziehen. Ein Schiedsurteil lässt sich vor Ort in Brasilien erwirken. Grundsätzlich soll ein inländisches Schiedsgericht sein Urteil innerhalb von sechs Monaten fällen, die Parteien können jedoch auch etwas anderes vereinbaren. Bei ausländischen Schiedssprüchen gilt: Brasilien hat das New Yorker Übereinkommen von 1958 ratifiziert. Es schafft einen einheitlichen Rechtsrahmen für die Anerkennung und Vollstreckung internationaler Schiedssprüche in den Vertragsstaaten. Ansonsten bleibt nur die Möglichkeit, vor einem brasilianischen Gericht zu klagen.
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Zoll Recht Brasilien
Müssen Unternehmen für bestimmte Waren in Brasilien Einfuhrgenehmigungen oder Lizenzen beantragen?
Ja, es gibt sogenannte nicht automatische Einfuhrlizenzen, zum Beispiel für landwirtschaftliche Produkte, Mineralölprodukte, chemische Erzeugnisse, Arzneimittel, Maschinen und Fahrzeuge. Unterschiedliche Behörden stellen sie nach einer Vorabprüfung aus. Weil das zeitaufwendig ist, müssen Importeure die Lizenzen im elektronischen Einfuhrbearbeitungssystem SISCOMEX beantragen, bevor der Lieferant die Produkte im Ausfuhrland verschifft. Eine gute zeitliche Absprache zwischen Exporteur und Importeur ist wichtig. Daneben gibt es in wenigen Ausnahmefällen automatische Einfuhrlizenzen, die eher die Funktion einer statistischen Meldung haben. Importeure beantragen sie nach der Verschiffung im Ausfuhrland und vor der Zollabfertigung. Dafür genügt es, im SISCOMEX eine Einfuhrerklärung abzugeben.
Welche nichttarifären Handelshemmnisse sind für deutsche Exporteure in Brasilien relevant?
Sind bei der Ausfuhr in Brasilien besondere Normen und Qualitätsanforderungen zu beachten?
Ja, unter anderem für Maschinen, elektrotechnische Produkte, Produkte des Automobilbereiches und medizinische Produkte. Oft sind sie an europäischen Normen wie ISO-Richtlinien orientiert. Im Allgemeinen sind die Prüfungen in Brasilien vorzunehmen – insbesondere bei Produkten, für die Brasilien obligatorisch eine Zertifizierung verlangt. Ausnahme: Es gibt dort kein Institut, das die Prüfungen machen kann. Das staatliche Institut INMETRO wacht über die Einhaltung von Normen und Standards. Es hat auch das letzte Wort, wenn es darum geht, das landesweite Normen- und Zertifizierungssystem zu verändern oder neue Normen aufzunehmen. Es überwacht die Einfuhr und vergibt Lizenzen für zertifizierungspflichtige Produkte (zum Beispiel bei für Zertifizierungszwecken eingeführte Muster). Prüf- und Messlabore können sich bei INMETRO für den brasilianischen Markt akkreditieren lassen.
Wie hoch sind die Einfuhrabgaben in Brasilien?
Bisher ist das Freihandelsabkommen zwischen der EU und dem Mercosur noch nicht ratifiziert. Es gilt der gemeinsame Zolltarif des Mercosur (Einfuhrzölle von bis zu 20 Prozent) mit einigen Ausnahmen. Die Zölle betragen zwischen sechs und – abweichend vom gemeinsamen Zolltarif – 35 Prozent Zoll auf Pkw. Viele Lebensmittel und Mineralölprodukte sind zollfrei. Regelmäßig werden die Zölle auf Produkte, die nicht in Brasilien hergestellt werden können, befristet auf bis zu null Prozent gesenkt: aktuell etwa für Fotovoltaikkomponenten. Die Regierung schaffte so einen Ausgleich für Wettbewerbsnachteile brasilianischer Unternehmen. Einen guten Überblick über die Höhe weiterer einfuhrrelevanter Abgaben gibt die Market Access Database der EU-Kommission.
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Jan Sebisch
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