Dezember 2018
Autorin: Verena Saurenbach in Zusammenarbeit mit Edda vom Dorp
Ob Fortbildungen in Polen, eine Forschungszusammenarbeit mit einer tschechischen Universität oder eine Werkserweiterung in Rumänien: Bei Projekten im Ausland können sich deutsche Unternehmen auf die Unterstützung der EU verlassen. Sie profitieren von der europäischen Regionalförderung, mit der Brüssel vor allem schwächer entwickelte Regionen an den Rest der Union angleichen möchte. In der Förderperiode der Jahre 2014 bis 2020 geben die EU und ihre Mitgliedstaaten nach derzeitiger Planung über 350 Milliarden Euro dafür aus.
Allein diese Summe zeigt, dass es für deutsche Unternehmen noch viel zu holen gibt. Auch wenn Brüssel mit viel Geld winkt, sind Projekte in Regionen jenseits der eigenen Landesgrenzen häufig mühsam. Zu komplex, zu intransparent, zu langwierig die Prozesse in den einzelnen EU-Staaten – denken viele. Dazu kommt: Wichtige Informationen wie erste Anlaufstellen muss man meist lange suchen. Germany Trade & Invest hat deshalb mit Experten gesprochen und wichtige Praxistipps sowie Erfahrungsberichte eingeholt.
Geld für schnelle Autos
Rennwagen und Leichtbau – das sind die Leidenschaften von Thomas Brebeck. Vor sieben Jahren hat der Kunststoffexperte aus Niederbayern im tschechischen Senov Brebeck Composite s.r.o. gegründet. Das Unternehmen fertigt unweit von Ostrava Karbonteile für die Rennsportteams von Audi, BMW und Porsche. Das Problem: „Den Beruf eines Verfahrensmechanikers für Kunststofftechnik gibt es in Tschechien nicht“, erklärt der Firmengründer. Darum beantragte Brebeck 2017 für eine Mitarbeiterschulung Mittel aus dem Operationellen Programm Beschäftigung und bekam eine Förderzusage für rund 52.000 Euro. Der Betrag deckte 85 Prozent der Fortbildungskosten ab.
Außerdem wollte Brebeck Wasserstrahltechnologie im Unternehmen entwickeln. „Diese Technik der Kompositbearbeitung benötigen wir für spezielle Kundenaufträge“, sagt Brebeck. Für eine Kooperation mit der Technischen Hochschule Ostrava reichte sein Unternehmen einen Förderantrag über das Operationelle Programm Unternehmen und Innovation für Wettbewerbsfähigkeit ein. Mit Erfolg: Aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung gab es knapp 10.000 Euro für gemeinsame Experimente und Anwendungsversuche mit den Hochschulforschern.
Von der Antragstellung bis zur Freigabe der Mittel seien maximal sechs Monate vergangen, berichtet Firmenchef Brebeck. „Anfangs hatten wir bei der Abwicklung auf einen externen Berater gesetzt, mittlerweile habe ich einen Spezialisten dafür eingestellt.“ Aufwand und Nutzen der EU-Förderung stehen aus Sicht des Managers „absolut in einem vernünftigen Verhältnis“. Neueinsteigern rät er aber, sich in der Anfangsphase Experten zu suchen, die sich mit den komplexen Antragsformularen auskennen und genau wissen, welche Unterlagen benötigt werden.
Gerit Schulze, GTAI Prag
© Brebeck Composite s.r.o.
Wie funktioniert die EU-Förderung?
Der EU und den Mitgliedstaaten steht eine ganze Palette an Förderinstrumenten zur Verfügung. Über die Regionalförderung können beispielsweise Projekte von Unternehmen bezuschusst werden. Wichtig dabei: Die Fördertöpfe der EU decken in der Regel nicht die komplette Projektsumme ab, sondern zahlen nur einen Anteil. Unternehmen müssen selbst also auch Mittel bereitstellen. Hinzu kommt, dass die EU die Fördermittel nicht zentral verwaltet, sondern die einzelnen Regionen. Das bedeutet: Bei einem Projekt in Bulgarien müssen deutsche Unternehmen sich bei einer bulgarischen Behörde um Fördermittel bewerben.
Anders läuft der Prozess bei den länderübergreifenden europäischen Programmen. Diese werden direkt von der EU verwaltet, und die Fördergelder müssen Unternehmen deshalb in Brüssel beantragen. Ein Beispiel hierfür ist das große Rahmenprogramm Horizont 2020, mit dem die EU vor allem Forschungs- und Entwicklungsvorhaben fördert. (siehe Interview)
Gibt es Fördervoraussetzungen?
Die Regionalförderung bezuschusst vor allem bereits geplante Projekte. Finanzhilfen, die aus den Töpfen der Regionalförderung kommen, können in der Regel nur Unternehmen erhalten, die bereits vor Ort aktiv sind. Einfach ausgedrückt: Wer von einer Förderung zum Beispiel in Kroatien profitieren will, sollte bereits eine Niederlassung in Kroatien haben. Es gibt allerdings eine Alternative, erklärt Klaudia Oršanić-Furlan, Vertriebs- und Marketingleiterin der AHK Kroatien: „Unternehmen können sich einen kroatischen Partner suchen, mit dem sie sich gemeinsam um Förderung bewerben. Das ist schon allein deshalb vorteilhaft, weil die Ausschreibungen meist in Landessprache verfasst sind und auch die Anträge in Landessprache gestellt werden müssen.“
Oršanić-Furlan gibt außerdem zu bedenken: „Jede Ausschreibung hat besondere Teilnahmebedingungen, in denen genau definiert ist, wer sich für die ausgeschriebenen Mittel bewerben kann.“ Das gilt nicht nur für Kroatien, sondern auch für andere Regionen der EU. „In Griechenland müssen bestimmte finanzielle Kriterien eingehalten werden, zum Beispiel bei der Verschuldungsrate des Unternehmens“, erklärt Christina Iliadou, Leiterin der Rechtsabteilung der AHK Griechenland.
Gut Ding will Weile haben
Ohne professionelle Beratung wäre es für die t-s-i.de Misch- und Dosiertechnik GmbH aus Waldmohr wohl nichts geworden mit der EU-Förderung in Rumänien. Für das Werk in Cluj-Napoca erhielt die pfälzische Firma 200.000 Euro aus dem Operationellen Programm Wettbewerbsfähigkeit 2007–2013. Mit dieser Summe und eigenen Mitteln konnte das Unternehmen neue Maschinen kaufen und das Werk erweitern. Der Weg zum Geld war nicht leicht. Allein der Projektantrag beim rumänischen Wirtschaftsministerium war so komplex, dass die rumänische Niederlassung t-s-i.ro einen lokalen Berater, die damalige Firma Becker Consult, hinzuziehen musste.
Geschäftsführer Thomas Schwartz würde das auch anderen Interessenten raten: „Ohne externen Berater ist man in Rumänien verloren, die Bürokratie und die Prozeduren rund um einen Förderantrag sind einfach zu kompliziert.“ Im April 2012 war der Förderantrag dann so weit fertig, dass er ans Wirtschaftsministerium geschickt werden konnte. Danach begann für Schwartz die lange Zeit des Wartens. „Hier und da kam eine Rückfrage der Förderstelle, aber genehmigt wurde das Projekt erst nach deutlich mehr als einem Jahr, im September 2013. Und erst im Dezember 2013 konnten wir den Fördervertrag mit dem Ministerium unterschreiben und mit der Umsetzung des Projekts beginnen.“
Für Thomas Schwartz hat sich das Warten letztlich gelohnt. Unternehmen sollten sich aber bewusst sein, dass EU-Förderung Zeit in Anspruch nimmt. „Wenn man es eilig hat, sollte man besser nach Alternativen suchen“, ist Schwartz sich sicher.
Verena Saurenbach in Zusammenarbeit mit Adriana Steau, GTAI Bonn und Bukarest
© Thomas Schwartz
Wie läuft die Antragstellung?
Die Europäische Kommission hat auf ihrer Internetseite eine Übersicht der Regionalprogramme im Förderzeitraum von 2014 bis 2020 veröffentlicht. In diesen sogenannten Operationellen Programmen steht zum Beispiel, was genau ein Land beziehungsweise eine Region fördern möchte und wie viel Fördergelder zur Verfügung stehen. Passend zu diesen Rahmenprogrammen werden spezielle Programme, Wettbewerbe oder Projektaufrufe veröffentlicht, auf die sich Unternehmen mit ihren Vorhaben bewerben können. Wichtig ist, dass der Projektantrag den Auswahlkriterien und Investitionsprioritäten des jeweiligen Regionalprogramms entspricht. Den eigentlichen Antrag reichen Unternehmen dann bei der Behörde, die das betreffende Programm verwaltet, oder bei einer von ihr beauftragten Stelle ein. Diese prüfen das Projekt und entscheiden über die Finanzierung. Bernd Meyer, Berater beim Enterprise Europe Network, rät deutschen Unternehmen: „Sehen Sie sich die regionalen Strukturen genau an. Denn die Verfahren unterscheiden sich von Region zu Region.“ So verwenden einige Behörden ein kontinuierliches Verfahren, andere nehmen nur zu bestimmten Zeitpunkten Anträge an.
Was sind die ersten Schritte?
Wer eine konkrete Projektidee hat, sollte zunächst Experten einbeziehen, die das Projekt und dessen Fördermöglichkeiten einschätzen. Bernd Meyer empfiehlt, am besten mehrere Institutionen mit ins Boot zu holen. Von Land zu Land sind die möglichen Ansprechpartner zwar unterschiedlich, aber beim Enterprise Europe Network, bei Auslandshandelskammern oder Investitionsförderagenturen vor Ort sind Unternehmen gut beraten.
Bildung ist alles
Unternehmen aller Größen und Branchen haben mit dem Fachkräftemangel zu kämpfen. So auch die Robert Bosch GmbH.
In Polen betreibt der Konzern vier Tochtergesellschaften und acht Produktionsstandorte. Die mehr als 6.400 Mitarbeiter stellen Küchengeräte, Kfz-Teile sowie Schleifmittel her und verkaufen Bosch-Produkte in Polen. Den weiteren Ausbau der Belegschaft und ihrer Kompetenzen will Bosch mithilfe der Regionalförderung sicherstellen. In der Hauptstadtregion Masowien beispielsweise schult Bosch mit finanzieller Unterstützung der EU 200 Mitarbeiter des Kfz-Bereichs und erhöht so deren Aufstiegschancen.
Außerdem arbeitet Bosch mit zwei Berufsschulen in Niederschlesien zusammen. Im Rahmen des Vorhabens werden Lehrprogramme für Kfz-Mechaniker und Forsttechniker modernisiert, Lehrsäle ausgestattet sowie Berufslehrer fortgebildet. Zudem können sich 70 Schüler in Bosch-Werkstätten Praxiswissen aneignen.
Um die Förderung erfolgreich zu beantragen, beauftragte Bosch einen externen Dienstleister. Eine gute Entscheidung. „Der Bewerbungsprozess, von der Antragsstellung bis zur Mittelzusage, dauerte lediglich sechs Monate“, sagt Artur Kornaś, Leiter der Technischen Abteilung bei Robert Bosch in Polen. Die Zusatzkosten rechnen sich allemal. Selbst kleine Formfehler hätten Bosch um die Förderung bringen können. Das wäre fatal gewesen, denn: Die EU bezuschusste das Projekt mit rund 205.000 Euro – das entspricht 82 Prozent der Projektkosten.
Michal Wozniak, GTAI Berlin
© Bosch, Centrum Techniki Szkoleniowej Bosch
Braucht es einen Berater?
Im ersten Schritt unterstützen zum Beispiel die Auslandshandelskammern und das Enterprise Europe Network. Auch an den Antrag selbst sollte man sich nicht allein wagen. Die Auslandshandelskammern können bei der Suche nach einem geeigneten Experten helfen. Wie wertvoll ein Berater ist, weiß der Unternehmer Thomas Schwartz: Seine Firma ist in Rumänien aktiv. Ohne externen Berater wäre er nicht an die Fördermittel gekommen. Manche Firmen, wie die Firma Brebeck aus dem tschechischen Senov, haben sogar eigene Spezialisten eingestellt, die sich um die Förderanträge kümmern. Wichtig ist: Für die Förderanträge sollten Unternehmen auf jeden Fall die nötigen Ressourcen einplanen – sowohl zeitlich als auch finanziell.
Klappt die Förderung?
Der stellvertretende Geschäftsführer der AHK Slowenien, Simon Pöpperl, schätzt die Chancen als gut ein. „Wenn ausländische Investoren die Möglichkeit wahrnehmen, sich mit Fördermittelgebern zu treffen, um das Projekt vorzustellen, und die Rahmenbedingungen für den Erhalt von Fördermitteln gewährleistet sind, ist die Wahrscheinlichkeit, Fördermittel zu erhalten, hoch.“ Aber natürlich gibt es keine Garantie auf Förderung. Und das könne durchaus zu Enttäuschungen führen, meint Bernd Meyer vom Enterprise Europe Network. „Manchmal sehen die Unternehmen nicht, dass es durchaus auch ein Wettbewerbsprozess ist. Bei einem Wettbewerb gibt es am Ende Gewinner und Verlierer, und es gibt auch Leute, die eben ganz knapp verlieren.“
Wie geht es weiter?
Die Regionalförderung wird auch in der Förderperiode von 2021 bis 2027 einen wichtigen Teil der EU-Förderung ausmachen. Es wird jedoch einige Änderungen geben. So sollen die Programme beispielsweise einfacher und flexibler werden. Was allerdings bleibt: Die Fonds stehen weiterhin allen EU-Mitgliedstaaten offen. Und: Je schwächer eine Region entwickelt ist, desto stärker wird sie gefördert. Allerdings könne es beachtliche Änderungen bei den Mittelzuteilungen für die Mitgliedstaaten geben, gibt Korrespondentin Heike Hoffmann aus dem GTAI-Büro in Brüssel zu bedenken.
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