»Influencer-Marketing ist nicht alles.«

Lars Meßmann hat im Jahr 2016 die Rucksackmarke Fitz & Huxley gegründet. Seitdem setzt das Unternehmen beim Vertrieb hauptsächlich auf Instagram und Facebook – und erreicht damit Kunden in ganz Europa.

Februar 2022
Interview: Charlotte Hoffmann

Welche Rolle hat Social Media Marketing für den Aufbau von Fitz & Huxley gespielt?

Das kann ich gar nicht so genau sagen. Wir haben von Beginn an mit einem Mix aus Online Marketing und Influencer Marketing gearbeitet. Beides schafft Reichweite. Traditionelles Online Marketing mithilfe von Werbeanzeigen bedeutet natürlich weniger Arbeit. Da ist einzig das Budget entscheidend und man benötigt weniger Mitarbeitende, die das Ganze betreuen. Influencer Marketing ist eine gute Ergänzung, die Authentizität und Glaubwürdigkeit der Marke steigern kann. Wenn Kunden nach dem Hashtag #FitzandHuxley suchen, sehen sie auf sozialen Netzwerken Beiträge von Personen, die den Rucksack gerne tragen und weiterempfehlen. Außerdem hilft Influencer Marketing beim Content Sourcing.

Setzt ihr weiterhin auf diesen Mix?

Gerade im Influencer Marketing ist seit unserer Unternehmensgründung 2016 wahnsinnig viel passiert. Preise, Professionalitätslevel und Arbeitsweise von Influencern haben sich verändert. Wir schauen stetig, wie sich der Markt entwickelt und fokussieren uns dann auf das, was zu dem Zeitpunkt besser für uns funktioniert. Man muss in jedem Fall flexibel bleiben und viel probieren. Nicht immer passt ein Influencer auf eine MarkeDann macht auch eine Kooperation keinen Sinn.

Was hat sich ansonsten beim Social Media Marketing verändert, seitdem ihr begonnen habt?

„Native Content“ spielt eine immer größere Rolle. Der kommt zum Beispiel von Influencern und wir setzen ihn in Werbeanzeigen ein. Das kann ein Video sein, in dem der Influencer das Produkt vorstellt. Die Videos sind meist „rough“ und sehen so aus, als wären die mit einem privaten Handy für einen Freund gemacht worden. Der Trend geht weg von klassischen, perfekten Werbeanzeigen.

Wie beeinflussbar ist die Werbung über Influencer Marketing?

Das hängt davon ab, in welchem Modus man mit Influencern zusammenarbeitet. Am lockersten ist es, wenn wir Influencern das Produkt lediglich schenken. Die posten dazu etwas und schicken dann den Content an uns. Da kann es halt sein, dass der Content nicht so geworden ist, wie man es als Marke möchte. Wir speichern das dann ab, aber nutzt es nicht. Wenn wir aber für die Kooperation bezahlen, dann geben wir schon strengere Vorgaben – so stellen wir sicher, dass wir mit dem Inhalt zufrieden sind. Die Zügel muss man also nicht unbedingt aus der Hand geben – und wenn es am Ende doch nicht passt, nutzt man den Content eben nicht.

Wählt ihr die Influencer, mit denen ihr kooperiert, anhand verschiedener Kriterien aus?

Ja. Ein erstes Kriterium ist die Reichweite und der TKP. Wie viele Nutzer folgen dem Kanal? Wichtiger ist dann allerdings das Engagement. Es bringt ja nichts, wenn ein Kanal 100.000 Follower hat, aber nur 30 Prozent der Follower die Beiträge sehen und keine Interaktion wie Likes oder Kommentare unter den Posts zu finden ist. Zuletzt schauen wir auf den Brand-Fit, also, dass die Person, die den Kanal führt, zu uns passt. Macht sie ansprechenden Content, sodass man die Fotos und Videos hinterher weiterverwenden könnte? Und vor allem: Passt unser Produkt zu ihrem Lebensstil? Denn wenn man sonst eher Handtaschen und teure Autos bewirbt, ist es eher unwahrscheinlich, dass sich Follower für Rucksäcke aus Naturmaterialien interessieren. Authentizität ist alles.

Wie teuer ist Influencer Marketing, zum Beispiel über Instagram?

Das kommt sehr auf den entsprechenden Kanal an. Bei 50.000 Followern und einem durchschnittlichen Engagement zahlt man sicher 1.000 Euro für einen Feedpost. Oft auch mehr. Der Instagram Feed erreicht nicht unbedingt mehr Follower als eine Story, die nur 24 Stunden online ist. Letztere können super funktionieren, wenn der Influencer das Produkt gut inszeniert. Gerade in Verbindung mit einem Rabattcode. Aber auch hier ist es abhängig davon, was für eine Reichweite der Influencer bei seinen Stories hat. Wenn die Follower eher im Feed engaged sind, sollte man sich auch da positionieren.

»Es reicht nicht, auf sozialen Netzwerken nur aktiv zu sein. Man braucht eine Strategie.«

Lars Meßmann
Gründer von Fitz & Huxley

Auf welchen Märkten seid ihr aktuell aktiv?

Ganz Europa. Hauptmärkte sind aber Deutschland und Frankreich.

Gibt es je nach Markt Unterschiede beim Social Media Marketing?

Grundsätzlich nutzen wir ähnliche Werbebotschaften für alle Märkte. Unterschiedlich ist da eher die Zusammenarbeit beim Influencer Marketing. Das ist in Deutschland schon sehr monetarisiert und professionalisiert. In Frankreich läuft es irgendwie anders Kooperationen kosten weniger, teilweise läuft hier auch noch viel über kostenlos zugeschickte Produkte.

Social Media Marketing im Ausland – geht das auch ohne Unterstützung?

In Frankreich arbeiten wir mit einer PR-Agentur zusammen. Die machen teilweise auch Influencer Marketing für uns. Hilfreich für uns ist vor allem der Austausch über landestypische Besonderheiten. Den größten Teil des französischen Social Media Marketings betreuen wir aber von Berlin aus und haben Mitarbeitende, die auch französisch sprechen.

Hat Corona das Social Media Marketing bei Fitz & Huxley verändert?

Ein Stück weit schon. Wir verkaufen ja ein Produkt, was man nimmt, um damit zu reisen, rauszugehen, Abenteuer zu erleben. Das sind Botschaften, die wir auf Social Media spielen und auch im Online Marketing verbreiten. In der Coronakrise mit europaweiten Lockdowns war das schwierig. Da mussten wir das Messaging ändern. Auch das Influencer Marketing haben wir in dieser Zeit zurückgefahren.

Es ist in jedem Fall gut, flexibel zu bleiben, was das Budget und die Erwartungen angeht. Es hängt viel davon ab, ob die Zeit gerade passend ist. Ist gerade Saison, sich einen Rucksack zu kaufen, weil Menschen viel draußen unterwegs sind? Zur Festivalsaison versuchen wir möglichst viele Kooperation mit Influencern zu schließen. Dann entsteht toller Festivalcontent. Das gleiche gilt in der Urlaubssaison – man sollte bei der Auswahl der Content Creator nur darauf achten, niemanden zu erwischen, der den ganzen Sommer auf Balkonien verbringt.

Wie wichtig ist der eigene Unternehmensaccount für Fitz & Huxley?

Für Unternehmensaccounts ist es auf Social Media unserer Erfahrung nach sehr schwer. Jeder buhlt natürlich um Aufmerksamkeit. Es ist super schwer, Follower permanent mit einem Unternehmen engaged zu halten, gerade, wenn das Sortiment begrenzt ist. Kreativität ist sehr wichtig, man muss den Leuten einen Mehrwert geben durch seine Beiträge. Schlussendlich sinkt aber die Chance zu organischer Reichweite immer weiter. Das hängt mit dem Algorithmus von Facebook und Instagram zusammen. Früher haben einen Beitrag vielleicht 70 Prozent der Follower gesehen, heute sind es nur noch 20 bis 30 Prozent. Die Plattformen merken sich, wenn Nutzer öfter und länger mit Account XY agieren und zeigen dementsprechend auch eher diese Inhalte an. Außerdem wollen soziale Netzwerke natürlich Werbeanzeigen verkaufen und keine kostenlose Reichweite anbieten. Was ich damit sagen will: Es ergibt unter Umständen immer weniger Sinn, Geld, Zeit und Mühe in organischen Content zu stecken, weil das immer weniger Kunden erreicht.

Andererseits wird Influencer Marketing immer teurer. Eine Zwickmühle?

Die Frage ist, wenn man Geld und Mühe nicht in organischen Content steckt, also in den Aufbau und die Pflege seiner Community – wo steckt man das Marketingbudget dann hin? Wahrscheinlich ins Online und Influencer Marketing. Das gilt natürlich nicht für jedes Unternehmen. Es gibt viele, die tolle Produkte haben, zu denen jeden Tag eine neue Geschichte erzählt werden kann – oder Millionen von Kunden tagtäglich Stories dazu machen. Dann funktioniert Social Media auch ohne bezahlten Content.

Stichwort Krisenkommunikation: Wie geht ihr mit Shitstorms um?

Die Angst vor einem Shitstorm spielt immer mit. Wir sind bisher verschont geblieben. Notfallpläne gibt es für einen solchen Fall nicht. Aber wir haben ein Alarmsystem, sodass wir schnell merken, wenn sich auf sozialen Netzwerken irgendwas zusammenbraut. Dann kann man frühzeitig reagieren und Maßnahmen einleiten.

Was löst das Alarmsystem aus?

Da gibt es bei uns keine feste Regel. Aber wenn man zum Beispiel sieht – unter einem Post sammeln sich sehr viele Hate-Kommentare – dann muss der Social Media Manager das weitergeben.

Wir haben meistens zwei Themen, die immer wieder kontrovers auf unseren Kanälen diskutiert werden: Die Verarbeitung von Leder in unseren Produkten und der Produktionsstandort Indien. Eingreifen müssen wir in die Diskussionen fast nie. Oft bekommen wir Unterstützung von unserer Community. Die weisen dann darauf hin, dass wir auch vegane Produkte anbieten, die Nachfrage nach Lederprodukten weiter da ist und auch in Indien ökologisch sowie gesellschaftlich verantwortlich produziert werden kann. Das ist ein tolles Gefühl, dass man den Rückhalt aus der Community hat. Das ist nicht selbstverständlich, sondern das Ergebnis eines erfolgreichen Community Managements.

Was für Tools nutzt ihr im Social Media Monitoring, um Erfolge zu messen? Gibt es da Unterschiede je nach Land?

Wir nutzen für alle Märkte, die wir bespielen, dieselben Tools. Vor einigen Jahren haben wir sicher noch mehr Zeit mit Monitoring verbracht. Wir haben aber gemerkt, dass es viel Zeit kostet, die Tools zu nutzen, Daten zu sammeln, zu messen und auszuwerten. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse meist nicht akkurat sind. Deshalb sind wir teilweise wieder davon weggegangen, da es uns nicht viel bringt.

Worauf kommt es beim Social Media Marketing an?

Es reicht nicht, auf sozialen Netzwerken nur aktiv zu sein. Man braucht eine Strategie. Wie kriegt man die Leute dazu, sich einen bestimmten Content anzugucken? Was interessiert unsere Community? Content sollte besonders sein und herausstechen. Zusätzlich spielt die Reichweite eine große Rolle. Dann stellt sich natürlich die Frage: Kann ich die Strategie wirklich bezahlen? Erst dann lohnt es sich. Man sollte sich trauen, Preise dran zu schreiben, was es wirklich kostet, und was es einbringt. Einfach nur jeden Tag irgendwas posten, das bringt nichts.

Auch die richtige Ansprache von Influencern ist essenziell. Unser Learning dabei: Die Ansprache kann eine riesige Auswirkung auf das Ergebnis haben. Ganz schlimm: Formell anschreiben. Kommunikation ist der Schlüssel – man muss den richtigen Ton treffen, damit Influencer auch antworten. Es hilft nicht, das Produkt einfach so an 1000 Leute zu schicken. Wichtig ist, dass man mit Influencern interagiert, sie mit auf die Reise des Produkts nimmt, einbindet. Dann können sie sich auch eher mit einer Marke identifizieren.

Social Media Marketing ohne Influencer Marketing – geht das?

Influencer Marketing ist nicht alles. Im Grunde kann jeder Kunde über Social Media „influencen“. Dazu braucht man keine 10.000 Follower. Wichtig ist, dass Leute freiwillig über dein Produkt berichten und es empfehlen, weil du sie so begeistert hast. Dass es sich super für den Unialltag eignet. Wie unkompliziert der Versand verlief. Dass die Verpackung ohne Plastik auskam. Wenn der Customer Journey stimmt, ist die Voraussetzung dafür da, dass Kunden freiwillig über dein Produkt erzählen. Und wenn dann nur ein Freund erreicht wird, der sich dann unser Produkt kauft, ist das super. Es kommt nicht immer auf die Größe des Kanals an, sondern auf die Conversion.

Wohin wird sich Social Media Marketing entwickeln?

Social Media Marketing wird weltweit immer wichtiger. Das Problem: Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit wird extremer, da immer mehr Unternehmen auf Social Media aktiv sind, sich gleichzeitig aber die Aufmerksamkeitsspanne der User verringert. Zudem beeinflusst das Influencer Marketing die Werbebranche immer mehr. Ich habe den Eindruck, dass Nutzer klassischer Werbung immer weniger vertrauen, Influencern umso mehr. Die Preise werden auch in Zukunft immer weiter steigen, und damit Social Media Marketing für viele Unternehmen unrentabel machen. Die Frage ist, wann das Limit erreicht ist. Aus meiner Perspektive ist Social Media schon jetzt stark überreizt. Und ich glaube auch nicht, dass Social Media Marketing für jedes Unternehmen der richtige Ansatz ist.

Für wen lohnt sich Social Media Marketing nicht?

Gerade wenn man offline bereits eine gute Community hat. Diese ist oft wertvoller, als eine Community auf Social Media aufzubauen. Communities können ja auch unabhängig von Social Media entstehen. Manchmal ist es günstiger, ganz unabhängig von Facebook und Co. eine Plattform zu etablieren, auf der Kunden sich austauschen können. Als wir damals mit Social Media angefangen haben, hat es sich für uns gelohnt. Heute wäre der Start definitiv schwieriger. Da muss man schon überlegen: Ist das überhaupt der richtige Ansatz? Wir haben über die Jahre 60.000 Follower auf unserem Unternehmensaccount auf Instagram aufgebaut – das ist jetzt auch nicht viel – aber heutzutage ist es schon schwer, überhaupt eine Reichweite von 10.000 Followern zu generieren.

Aus welchen Ländern kommen eure Follower?

Rund 40 Prozent kommen aus Deutschland, 20-30 Prozent aus Frankreich, der Rest ist bunt gemischt.

Worauf muss man bei Social Media Marketing im Ausland achten?

Aller Anfang ist schwer. Grundlegend ist wohl die Entscheidung, nicht mehr auf Deutsch zu posten, sondern auf Englisch. Man kann auch für jeden Markt einen eigenen Account erstellen. Der Nachteil: Man hat dann nicht einen großen Account, sondern viele kleine, die vielleicht im Wettbewerb untergehen. Je mehr Follower, desto mehr Relevanz. Mehr Accounts bedeutet natürlich auch mehr Arbeit – für das Maintaining, das Posting, das Community Management. Für uns gab es da keinen Königsweg. Wir haben uns für einen Account entschieden, um die ganze Interaktion dort zu bündeln. Das war sicher auch eine Kostenfrage. Man muss immer abwägen: Was wäre das optimale Setting versus was ist mit unserer Unternehmensgröße leistbar? Auch mit einem Account können wir unseren Followern Mehrwert bieten. So gehen wir zum Beispiel auf regionale Besonderheiten ein, wie den Kingsday in den Niederlanden. Das ist auch interessant für Follower, die aus anderen Ländern kommen. Wichtig ist immer die Strategie dahinter. Wie viel Geld stecke ich rein und was muss rauskommen? Ohne Fokus und eine gewisse Wirtschaftlichkeitsbetrachtung macht Social Media Marketing – egal ob in Deutschland oder im Ausland – wenig Sinn.