Solarkraftwerke im All

Welche Technologien werden wichtig, worauf sollten Unternehmen jetzt schon achten? Die Antworten geben Vordenker an dieser Stelle. Dieses Mal: Dr. Leopold Summerer, Leiter für fortgeschrittene Konzepte bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA über Solarkraftwerke im All.

August 2022
Gastautor: Dr. Leopold Summerer, Leiter für fortgeschrittene Konzepte bei der Europäischen Weltraumorganisation ESA über Solarkraftwerke im All.

© Jörg Schneider/Kammann Rossi

Erneuerbare Energien tragen schon lange zu einer grüneren Zukunft bei. Wenn aber die Sonne nicht scheint oder der Wind nicht weht, produzieren die Anlagen keinen Strom. Energiespeicher können die Energieknappheit zwar abfedern, reichen aber derzeit nicht für eine stabile Grundversorgung aus. Stattdessen greifen wir auf traditionelle Energielieferanten wie Kohle- oder Gaskraftwerke zurück. Die sind zwar zuverlässig, verursachen aber hohe CO2-Emissionen.

Unsere Vision ist es, mit Solarenergie auch zur Grundversorgung beizutragen, indem wir Solarkraftwerke in den Weltraum verlegen. Die Anlagen wären dort rund um die Uhr der Sonne ausgesetzt, sodass sie dauerhaft Energie liefern. Fotovoltaikmodule sammeln die Energie der Sonne und speisen Antennen, die sie in elektromagnetische Wellen umwandeln. Eine Antenne im All schickt die Wellen an eine oder mehrere Antennen auf der Erde, wo sie, zurückgewandelt in elektrische Energie, ins Stromnetz fließt. Die Solaranlagen bleiben immer am gleichen Punkt über der Erde und drehen sich mit ihr. Weil die Rotationsachse der Erde nicht senkrecht auf der Ebene der Erdbahn um die Sonne ist, sind die PV-Module quasi immer im Licht.

Das liegt auch an der großen Entfernung: Die Anlagen sollen im 36.000 Kilometer ent­fernten geostationären Orbit liegen. Zum Vergleich: Die Internationale Raumstation ISS schwebt 408 Kilometer über der Erde. Damit die Übertragung über diese lange Strecke funktioniert, müssen die Antennen im Orbit und auf der Erde groß genug sein. Eine einzelne Anlage soll zwei Gigawatt produzieren können – eine Leistung, die sonst nur sehr große Kern- und Kohlekraftwerke aufbringen. Dafür wäre ein mehrere Quadratkilometer großes Feld aus PV-Modulen notwendig sowie eine ein bis zwei Kilometer breite Antenne im Orbit. Eine Solaranlage könnte also gut 2.000 Tonnen schwer sein, das zwanzigfache der ISS, die das bislang schwerste Objekt im Weltraum ist. Bei diesen Mengen fallen einige Emissionen für Material und Transport an. Berechnungen zeigen dennoch, dass eine Anlage nach ein paar Monaten oder spätestens einem Jahr klimaneutral wäre.

Die Technologie für Weltraumsolarkraftwerke existiert schon, steckt allerdings noch in den Kinderschuhen. Energieumwandlungen und Übertragungen sind bereits möglich, allerdings noch nicht auf dieser Distanz. Zudem brauchen wir Partner aus der Industrie, die diese Solarkraftwerke und vor allem deren modulare Komponenten in großen Stückzahlen produzieren können. Bis zum Jahr 2025 wollen wir über die industrielle Entwicklung eines ersten weltraumbasierten Prototypen entscheiden können. Im Jahr 2050 könnten Solarkraftwerke im All dann einen beträchtlichen Teil der Energieversorgung leisten.