Spürbarer Erfolg

Bei Discovering Hands wird aus Behinderung Begabung: Das Unternehmen bildet weltweit blinde und sehbehinderte Frauen zu Medizinischen Tastuntersucherinnen aus, die Brustkrebs schon im Frühstadium ertasten.

April 2018
Autorin:  Carina Winter, wortwert

Es musste sich etwas ändern. Der Gynäkologe Frank Hoffmann gab sich in seiner Praxis in Duisburg alle Mühe, bei der Brustkrebsvorsorge auch kleinste Knötchen bei seinen Patientinnen zu ertasten.

Denn je früher ein Arzt bei so einer Untersuchung etwas entdeckt, desto höher sind die Chancen für eine erfolgreiche Behandlung. Das Problem: „Das gelang mir unter den Bedingungen des Praxisalltags einfach nicht gut genug“, sagte Hoffmann.

Blinde Menschen können erwiesenermaßen besser tasten als Sehende. So entdecken sie auch kleine Knötchen, die viele Ärzte übersehen.| © Jürgen Jehle/Kammann Rossi

Der Gynäkologe lud eine Handvoll blinder Frauen ein und merkte bald, welches Potenzial in der Idee steckte. Also setzte er sich mit dem Berufsförderungswerk Düren in Verbindung, das sich gut mit der Ausbildung von Blinden auskennt. Das Ergebnis: ein neuer Lehrplan. Darauf basiert das Zertifikat, das die sogenannten Medizinischen Tastuntersucherinnen (MTUs) nach der erfolgreichen neunmonatigen Ausbildung ausgehändigt bekommen.

Die MTU gilt rechtlich als ärztliche Assistenzkraft. So entstand im Jahr 2012 das Sozialunternehmen Discovering Hands, es ist heute ein Integrationsbetrieb. In einer eigenen Akademie werden blinde Frauen zur MTU ausgebildet. Sie lernen mit sogenannten Orientierungsstreifen, Brüste innerhalb von 30 bis 50 Minuten nach bösartigen Knötchen abzutasten. Für die Idee bekam Hoffmann Fördermittel. Die große internationale Wende kam dann mit Ashoka. Die Organisation fördert weltweit Sozialunternehmer und verhalf Discovering Hands zu Projekten in Österreich, Kolumbien, Indien und inzwischen sogar Mexiko.

Das Start-up verwandelt eine Behinderung in eine Begabung – dieser Ansatz findet weltweit Anklang. Hoffmanns Vision ist klar: „MTUs sollen in der Krebsfrüherkennung so selbstverständlich werden wie Hebammen bei Geburten – und das weltweit.“  Aktuell arbeitet Discovering Hands daran, dass MTU ein anerkannter Ausbildungsberuf in Deutschland wird.

Mittlerweile übernehmen bereits 15 gesetzliche und alle privaten Krankenkassen die Untersuchungskosten von 46,50 Euro. Bei einem frühzeitigen Befund können die Kassen pro Patientin bis zu 50.000 Euro sparen. Und Gynäkologe Hoffmann weiß: Seine Idee hat einiges verändert.