Clevere Strategie
Immer mehr Unternehmen kooperieren mit Start-ups, um Innovationen hervorzubringen. Wir haben weltweit recherchiert, wo mittelständische Exporteure im Ausland mit Start-ups zusammenarbeiten – und was sie von den Big Playern lernen können.
Februar 2022
Autor:innen: Nadja Beyer und Viktor Ebel
Das US-amerikanische KI-Start-up Open AI entwickelt in seinem Forschungslabor in San Francisco autonome Roboter. Die Roboterhand Dactyl hat nur eine einzige Aufgabe: Sie muss den Würfel so lange drehen, bis der nach oben zeigende Buchstabe mit einer zufälligen Auswahl übereinstimmt. © picture alliance/AP Photo/Eric Louis Haines
Ein Hauch Silicon Valley in Baden: Jonas Schneider hat Ingenieure im Team, die vorher bei Spacex und Google gearbeitet haben. Die braucht er auch, denn sein Unternehmen Daedalus entwickelt in Karlsruhe autonome Roboter für die Industrie. Die Inspiration für all das hat Schneider aus den USA mitgebracht, genauer: aus der San Francisco Bay Area. Bis zum Sommer 2019 arbeitete der Deutsche als Leiter der Softwareentwicklung für das US-amerikanische KI-Start-up Open AI. Jetzt verbindet er in seiner alten Heimat digitalen Gründergeist mit mittelständischem Maschinenbau. Daedalus hat sich auf Auto- und Flugzeugbauer spezialisiert.
Das Beispiel Daedalus zeigt, wie innovative Start-ups aus anderen Ländern hiesige Traditionsbranchen beflügeln können. Viele kleine und mittlere Unternehmen (KMU) arbeiten direkt mit ausländischen Gründern zusammen oder beteiligen sich sogar an ihren Unternehmen, um die eigene Wettbewerbsfähigkeit auszubauen. Mehr als ein Drittel hat schon Erfahrung mit Gründerunternehmen, hat das RKW Kompetenzzentrum ermittelt, das den technischen Fortschritt im Mittelstand fördert. Hauptmotiv für Mittelständler, die mit den „Frischlingen“ kooperieren, ist Innovationssicherung, zeigen Studien. Experten zufolge geht es ihnen meist darum, neue Technologien und Geschäftsmodelle zu entdecken, bestehende Produkte weiterzuentwickeln oder in neue Märkte einzusteigen.
Mittelständler haben die Nase vorn
Kleine und mittelgroße Unternehmen haben Gründern durchaus etwas zu bieten, das zeigt unter anderem die Studie des RKW Kompetenzzentrums. Sie sind zwar vielleicht nicht mehr flexibel genug, um selbst schnell und effizient auf Digitalisierung und Innovation umzuschalten, aber immerhin noch beweglicher als Großkonzerne und deshalb eher bereit und in der Lage, sich mit Start-ups zusammenzutun. Die bringen dann das Digitale und Innovative in die Gleichung ein.
Exporteure erweitern die Start-up-Strategie, indem sie auf einen Streich auch noch ausländische Märkte erschließen und dazu mit Gründern vor Ort kooperieren. Dafür sollten sie sich als Erstes über das Ziel klar werden, das sie mit der Partnerschaft verfolgen. Wollen Sie vor allem den neuen Markt erschließen? Geht es darum, technische Innovationen einzukaufen? Oder möchten sie eine Portion Gründergeist in die eigene Unternehmenskultur injizieren? Ein Beispiel: „Der Fokus von Start-ups in Dänemark oder den Niederlanden ist wegen des kleineren heimischen Abnahmemarktes direkt auf die internationale Bühne gerichtet“, hat Daniel Attallah, Gründer des Fotobuchdienstleisters Pixum, kürzlich in einem Interview erklärt. Die Antwort auf diese Fragen hat direkten Einfluss auf die Auswahl des passenden Partners.
Die nächste Frage, die Unternehmer sich stellen müssen: Wo gehe ich hin, um Gründer zu finden? Start-up-Ökosysteme funktionieren weltweit recht unterschiedlich. Die deutsche Start-up-Szene ist von Akteuren aus der Fertigung geprägt, aus der digitalen Industrie und der Finanzbranche. Cluster wie London und Tel Aviv oder auch das Silicon Valley in den USA zeichnen sich vor allem durch eigene Mechanismen der Finanzierung aus. Die Wagniskapitalvolumina sind dort besonders hoch. In China hingegen ist es vor allem der Staat, der die Start-up-Szene durch staatliche Förderungen vorantreibt. Bildungs- und Beratungsmöglichkeiten sind dort dagegen noch nicht gut ausgebaut. Südkorea stellt junge Sterne in der Gaming-Branche ins Schaufenster, andere Länder werben mit einem etablierten Kooperationsnetz. Exporteure sollten auch die Start-up-Cluster in Ländern wie Polen oder der Türkei nicht unterschätzen, sagen Experten.
»Start-ups werden in Zukunft einen entscheidenden Einfluss auf die europäische Wirtschaft haben.«
Philipp Leutiger
Start-up-Experte bei Roland Berger
Start-ups profitieren von Kooperation
Damit die Gründer anbeißen, sollte sich das etablierte Unternehmen selbst als attraktiver Kooperationspartner präsentieren. Das Start-up muss erkennen, was es von der Zusammenarbeit hat: Spezial-Know-how? Zugang zu Ressourcen? Die Partnerschaft muss für beide Parteien vorteilhaft sein und wiederum muss jeder Teilnehmer auch zum Erfolg beitragen. Die letzten Bemühungen sollten in die Unternehmensstruktur, beispielsweise in die Schaffung geeigneter Personalstellen gesteckt werden.
Schließlich stellt sich die Frage nach der Art des Engagements: Ist ein kurzfristiges Entwicklungsprojekt besser? Oder eine längerfristige Kooperation oder gar Beteiligung? Experten raten generell dazu, dass Mittelständler sich auf die kurzfristigen und flexiblen Entscheidungswege bei Start-ups einstellen sollten. Denn gerade etablierte Unternehmen, in denen Mitarbeiter mehrere Hierarchieebenen beachten müssen, brauchen mitunter zu lange für Entscheidungen. Deshalb gilt: Setzen Sie verbindliche Deadlines. Dann hat der Mittelständler einen Abgabetermin, und der Gründer muss vorher nicht unruhig werden.
Ein letzter Tipp, an dem sich mittelständische Unternehmen orientieren können: Seien Sie offen dafür, dass sich auch während eines Projekts Dinge grundlegend verändern können. Denn Hand aufs Herz: Das kreative Chaos dürfte ein Grund sein, warum sich Mittelständler überhaupt mit den Jungunternehmern einlassen.
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