April 2020
Autoren: Oliver Idem, Werner Kemper, Peter Schmitz, Charlotte Schneider und Edwin Schuh
Salzwasserlagune in der australischen Region Shark Bay. Diese liegt am westlichsten Punkt Australiens. Die Unesco hat sie zum Weltkulturerbe erklärt: wegen ihrer wertvollen Meeresfauna und -flora. © Tom Hegen
Spanien ist der Garten Europas: Dort wachsen Orangen, Zitronen, Gurken und Tomaten. In rauen Mengen. Und das wird zunehmend zum Problem, denn sie laufen dem traditionellen Trockenfeldbau von Weintrauben oder Oliven den Rang ab. Allein die Produktion von Orangen stieg zwischen 2013 und 2018 um mehr als 16 Prozent auf jetzt 3,6 Millionen Tonnen pro Jahr. Damit wächst auch der Wasserbedarf, denn vor allem Zitrusfrüchte und Gemüse sind ausgesprochen durstig.
Die Landwirtschaft steht inzwischen für 80 Prozent des Wasserverbrauchs in Spanien. Mit dramatischen Folgen: Schon heute ist das Land das trockenste Europas und leidet unter dem Raubbau an Flüssen und beim Grundwasser. Schätzungsweise eine halbe Million illegale Brunnen zapfen Reserven an. Düngemittel und Insektizide belasten das Abwasser, viele kleine Gemeinden können es kaum säubern. Die Vereinten Nationen erwarten, dass Spanien bis zum Jahr 2100 zwischen 24 und 40 Prozent weniger Wasser zur Verfügung stehen wird als heute. Viele Böden könnten bis dahin ausgetrocknet und versalzen sein – und das lässt sich nur schwer wieder rückgängig machen.
»Wir brauchen nicht nur eine Energie-, sondern auch eine Wasserwende.«
Martina Flörke, Professorin für Wasserwirtschaft an der Ruhruniversität Bochum
Nicht nur in Spanien, sondern in vielen Teilen der Welt wird das Wasser knapp. Laut World Resources Institute (WRI) waren im Jahr 2018 rund 17 Länder weltweit einem extrem hohen Wasserstress ausgesetzt (siehe Karte). Landwirtschaftliche, industrielle und kommunale Nutzung verschlingen dort jährlich mehr als 80 Prozent des zur Verfügung stehenden Wassers. 27 weitere Länder erhielten die zweithöchste Gefahreneinstufung.
Früher waren Wasserkrisen noch undenkbar, doch sie werden immer alltäglicher, so das WRI. Und es sei nicht nur der Klimawandel, der den Planeten austrocknet, betont Martina Flörke, Professorin für Ingenieurhydrologie und Wasserwirtschaft an der Ruhruniversität Bochum. Vor allem, erklärt die Expertin, liege es daran, dass die Menschheit besonders dort viel Wasser verbraucht, wo es von Natur aus eigentlich wenig gibt.
An kreativen Lösungen mangelt es nicht: sei es eine Trinkwasserrationierung auf täglich 50 Liter pro Person wie im südafrikanischen Kapstadt oder die Wasserlieferung per Tankzug in die indische Stadt Chennai. Das Problem: Solche Lösungen sind oft der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein und vertagen lediglich den Day Zero, also den Tag, an dem die Trinkwasserversorgung komplett versiegt.
Wasserexpertin Flörke fordert: Nachhaltigkeit muss die Hauptrolle beim Wassermanagement spielen. Denn gerade in ariden und semiariden Gebieten, in denen jetzt schon Wasserknappheit herrscht, werde sich die Situation aufgrund von Bevölkerungswachstum und Klimawandel zukünftig noch verschärfen. Berechnungen zufolge könnte im Jahr 2050 jede vierte Stadt weltweit von Wasserknappheit betroffen sein. „Wir brauchen nicht nur eine Energie-, sondern auch eine Wasserwende“, sagt Flörke.
Klar ist: ohne Wasser kein Leben. Deutsche Unternehmen können die effizienten und wassersparenden Technologien liefern, um weltweit ein smartes und nachhaltiges Wassermanagement aufzubauen. In vielen Ländern liefern sie schon heute die entscheidenden Stellschrauben, um die neue Kreislaufwirtschaft effektiver und effizienter zu machen: von der Quelle bis zur Kläranlage.
Weniger Verschwendung in Spanien
Viele Experten fordern, gerade in der Landwirtschaft den Verbrauch zu drosseln. Obwohl weltweit nur 20 Prozent der Anbauflächen bewässert werden, ist die Landwirtschaft für rund 70 Prozent des Wasserverbrauchs verantwortlich. Dennoch geht es nicht ohne Bewässerung. Bewässerte Felder sind doppelt so ertragreich, und allein bis 2050 prognostiziert die Weltbank einen enormen Zuwachs der landwirtschaftlichen Produktion. Langfristig könnten effiziente Bewässerungstechnologien den Verbrauch senken.
Laut German Water Partnership (GWP) befindet sich der Markt für Bewässerungslösungen noch im Anfangsstadium. In trockenen Regionen arbeiten Bauern oft noch mit sehr ineffizienten Bewässerungsmethoden, sagen die GWP-Experten. Was bislang fehlt, sind demnach Anreize für Landwirte, auf teurere, aber effizientere Technologien umzustellen. Doch die Zahlen zeigen, dass der Markt gute Absatzchancen bietet: Laut aktuellen Zahlen von GWP wächst er durchschnittlich um jährlich knapp 20 Prozent.
Interview
Spanien ist durch den Klimawandel besonders verwundbar. Die Temperaturen sind dort in den vergangenen 30 Jahren überdurchschnittlich gestiegen. Die Bewässerungslandwirtschaft nahm zu, vor allem in Andalusien, Kastilien und Aragón. Allein von 2008 bis 2018 stieg die bewässerte Fläche um 11,8 Prozent. Das Statistikamt INE hat zuletzt im Jahr 2016 ermittelt, auf welche Systeme sich die knapp 15 Milliarden Kubikmeter verteilten. Am häufigsten setzten Landwirte Tröpfchenbewässerung ein (39 Prozent), gefolgt von Gravitationsbewässerung (33 Prozent) und Sprühbewässerung (27 Prozent).
Die Wasserpreise bilden kaum einen Anreiz für mehr Effizienz. Ihre Höhe ist zwar regional unterschiedlich, aber im europäischen Vergleich eher niedrig. Derweil steigt die Nachfrage nach nachhaltig erzeugten landwirtschaftlichen Produkten. In der Sustainable Agriculture Initiative haben sich Handelsketten und Nahrungsmittelhersteller mit großer Marktmacht zusammengeschlossen. In Spanien reduzieren Getränkehersteller wie Mahou San Miguel, Coca-Cola und Pepsico ihren Wasserverbrauch.
Neben Landwirten und Unternehmen kommt auch dem Staat eine wichtige Rolle zu. Für die Wasserversorgung und das Abwasser sind zwar ausgedehnte Netze vorhanden – allerdings sind sie oft veraltet und werden nur schleppend saniert. Von den Versorgungsleitungen sind 39 Prozent und von den Abwasserleitungen sogar 58 Prozent älter als 30 Jahre. Laut Fachverband AEAS geht in den Leitungen rund ein Fünftel des Wassers verloren. Zudem soll nur jede vierte der 2.300 Kläranlagen in einem guten Zustand sein. Insbesondere in kleinen Gemeinden fehlen Kapazitäten: Bisher verwenden Spaniens Kommunen gerade mal sieben Prozent der Abwässer wieder.
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© Sergey Ponomarev/NYT/Redux/laif
Von einer höheren Quote würde vor allem die Landwirtschaft profitieren. Zudem ist die Meerwasserentsalzung ausbaufähig: Derzeit wandeln 765 Anlagen fünf Millionen Kubikmeter Meer- in Trinkwasser um. Die Investitionskraft des Staates ließ allerdings ab 2009 wegen der Wirtschaftskrise nach. Von den knapperen Ressourcen profitierten eher die Straßen- und Eisenbahninfrastruktur als der Wassersektor, die Behörden nahmen die in den Mehrjahresplänen vorgesehenen Projekte oft verzögert in Angriff. Immerhin: In der Koalitionsvereinbarung kündigt die neue rot-rote Regierung noch für 2020 ein Wasserkreislaufgesetz an.
Neue Kapazitäten im Mittleren Osten
Viele wasserarme Regionen decken heute schon fast ihren gesamten Bedarf über die Meerwasserentsalzung. Das Problem: Die riesigen Anlagen sind energieintensiv und teuer. Viele Länder mit geringen erneuerbaren Wasserressourcen haben aber kaum eine Alternative. Neue Anlagen setzen auf den Einsatz von Solarenergie als Energieträger – eine ressourcenschonendere und langfristig günstigere Alternative. In Saudi-Arabien wird an einem Hybridmodell geforscht, das Solarstromproduktion und Meerwasserentsalzung kombiniert. Auch deutsche Unternehmen sind bei der Entwicklung neuer Lösungen vorn mit dabei: Das Berliner Start-up Boreal Light, 2019 mit dem KfW Award Gründen ausgezeichnet, hat mit seinem sogenannten Wasserkiosk eine günstige und netzunabhängige Entsalzungsanlage auf Solarstrombasis entwickelt.
Für Tunesien könnte Meerwasserentsalzung in Zukunft überlebenswichtig werden, dabei hat das nordafrikanische Land weder Geld noch Energie im Überfluss – im Gegenteil. Die Schulden steigen, nicht zuletzt, weil mehr als 50 Prozent der Energie importiert werden müssen. Wasser ist genauso knapp: Mit nur 350 Kubikmetern Wasserressourcen pro Jahr und Kopf gehört Tunesien bereits heute zu den wasserärmsten Ländern der Welt, es verbraucht 95 Prozent des zur Verfügung stehenden Wassers. Bis 2050 soll sich laut einer Studie der Pro-Kopf-Verbrauch noch mal mehr als verdoppeln.
Die erste Meerwasserentsalzungsanlage hat 2018 auf der Insel Djerba den Betrieb aufgenommen, finanziert von der KfW und der französischen Agence Française de Développement. Betreiber ist der staatliche tunesische Wasserversorger Sonede. Zwei weitere Anlagen, in Zarat und Sfax, sind bereits im Bau. Noch 2020 dürfte der Auftrag für eine privat betriebene Anlage vergeben werden.
Der lokale Düngemittelhersteller Groupe Chimique Tunisien wird seine Produktionsstätten in Gabès künftig unabhängig vom nationalen Wassernetz per Meerwasserentsalzung versorgen. Acht internationale Unternehmen hatten sich für den Betrieb und den Bau der Anlage beworben, die Kosten werden auf knapp 50 Millionen Euro geschätzt.
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© Markus Kirchgessner/laif
Eine andere, bisher kaum genutzte Wasserquelle gilt einigen Experten jedoch als vielversprechender. Im Jahr 2018 wurden in Tunesien etwa 274 Millionen Kubikmeter Abwasser aufbereitet. Das ist das Aufgabengebiet des Office National de l’Assainissement. Allerdings fließt bisher weniger als die Hälfte des gereinigten Wassers wieder zurück ins Netz. Das soll sich nun ändern. Ende 2019 verkündete das Umweltministerium, dass bis zum Jahr 2028 alle Kläranlagen des Landes mit einer dritten Behandlungsstufe ausgerüstet werden sollen. Dann könnten Landwirte es zur Bewässerung nutzen. Die Landwirtschaft hat mit mehr als 80 Prozent den größten Anteil am Wasserverbrauch.
Für deutsche Unternehmen dürften sich gute Einstiegsmöglichkeiten bieten. Die meisten Projekte der deutschen Entwicklungszusammenarbeit in Tunesien beschäftigen sich mit Abfall, Abwasser oder Wasserversorgung. Erst im November 2019 haben die Auslandshandelskammer (AHK) Tunis und GWP mit deutschen Unternehmen den Markt erkundet. Neben Beratungsbüros und Technologieanbietern war auch ein IT-Unternehmen dabei.
Digitales Wassermanagement in Asien
Auch in der Wasserwirtschaft wird die Digitalisierung immer mehr zum Thema. Die komplette Wasserinfrastruktur zu vernetzen, von der Quelle über Wasserwerke, Unternehmen und Haushalte, bringt viele Vorteile. Intelligente Sensoren messen beispielsweise Druck und Durchflussmenge in Ver- und Entsorgungsnetzen und informieren frühzeitig über Leckagen.
Gerade in Städten mit hoher Flächenversiegelung helfen die Daten, Überlastungen im Kanalnetz frühzeitig zu erkennen. Für Regionen, die mit Starkregen kämpfen, sind solche Informationen wichtig für ein funktionierendes Wassermanagement. Der gesamte Wasserkreislauf lässt sich besser steuern – das verspricht neben mehr Effizienz, Qualitätssicherung und Kosteneinsparung vor allem eins: Verlässlichkeit.
Auf diese Weise neue Kapazitäten in der Wasserversorgung zu schaffen, ist zum Beispiel in Singapur ein großes Thema. Auch dort steigt der Verbrauch: Aktuell fließen knapp
1,63 Millionen Kubikmeter Trinkwasser durch die Wasserhähne des asiatischen Stadtstaats. Im Jahr 2060 sollen es fast doppelt so viel sein. Besonders drastisch steigt voraussichtlich die industrielle Nachfrage, auf dann etwa 2,3 Millionen Kubikmeter pro Tag – das sind 70 Prozent des gesamten Wasserverbrauchs.
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© Migeon/Le Figaro Magazine/laif
Derzeit deckt Singapur seinen Bedarf zu knapp 40 Prozent mit importiertem Wasser aus Malaysia – wobei sich der Stadtstaat verpflichtet hat, vom daraus aufbereiteten Wasser bis zu zwei Prozent an Malaysia zurück zu verkaufen. Ein 2011 neu verhandelter Vertrag sieht vor, dass Singapur täglich bis zu knapp einer Million Kubikmeter Wasser aus einem eigens dafür gebauten Reservoir in Malaysias südlichem Bundesstaat Johor abpumpen darf. Das kostet rund zwei Eurocent pro Kubikmeter. Ob Malaysia diese Wassermenge tatsächlich immer garantieren kann, hängt nicht zuletzt vom Klimawandel ab. Gerade in Johor sind in den vergangenen Jahren die Regenmengen deutlich unter dem langjährigen Mittel zurückgeblieben. Ende 2019 war das Reservoir nur noch weniger als zur Hälfte gefüllt.
Die übrigen 60 Prozent seines Wasserbedarfs deckt Singapur zur Hälfte aus eigenen Quellen, außerdem zu etwa einem Drittel über Wasseraufbereitung – wobei sich der Stadtstaat verpflichtet hat, bis zu zwei Prozent des aufbereiteten Wassers an Malaysia zurückzuverkaufen – der Rest kommt aus Meerwasserentsalzung.
Wenn das Abkommen mit Malaysia im Jahr 2060 ausläuft, will Singapur seinen dann deutlich höheren Bedarf zu 85 Prozent aus eigenen Quellen decken. Der Anteil der Wasseraufbereitung soll 55 Prozent und die Meerwasserentsalzung 30 Prozent ausmachen. Zudem setzt Singapur auf digitale Wasserzähler, sogenannte Smart Meter, die helfen sollen, den Verbrauch zu senken. Seit 1995 ist der tägliche Pro-Kopf-Verbrauch in Privathaushalten immerhin um rund 17 Prozent zurückgegangen. Bis 2030 will die Regierung ihn noch mal um gut neun Prozent drücken, auf dann nur noch 130 Liter pro Kopf. In einer ersten Phase ist dazu die Installation von rund 300.000 Smart Metern bis 2023 geplant. Etwa 90 Prozent davon in Privathaushalten, der Rest in Unternehmen. Mit ihnen wird es möglich sein, herauszufinden, wann der Bedarf regelmäßig in die Höhe schnellt, und Lecks in den Leitungen frühzeitig zu erkennen. Parallel muss auch der asiatische Stadtstaat in Wasseraufbereitung und Entsalzung investieren. Im laufenden Jahr gehen zwei neue Meerwasserentsalzungsanlagen in Betrieb.
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© I+M/Naturetech
Etliche deutsche Firmen sind bereits im singapurischen Wassersektor engagiert. Chancen bieten sich darüber hinaus vor allem, wenn es darum geht, Anlagen energieeffizienter zu machen, bei Rohrleitungen und Wassersammelbecken oder innovativen Kläranlagen, die weniger Klärschlamm und dafür mehr Biogas produzieren, sowie bei allen Arten von Mess- und Regeltechnik – um die Wasserqualität so gut wie möglich zu überwachen.
Kläranlagen aufrüsten in Kolumbien
Gerade einmal 20 Prozent der Abwässer werden weltweit geklärt. Laut einer aktuellen Studie der Weltbank wird die Verschmutzung des blauen Golds nicht nur in Entwicklungsländern zunehmend zum Problem. Die „Unsichtbare Wasserkrise“, so titelt die Weltbank, betreffe Industriestaaten und Entwicklungsländer gleichermaßen. Allerdings kommt es auf den jeweiligen Entwicklungsstand an, ob sich ein Land mit Dünger, Pestiziden, Nitratbelastung oder Verunreinigungen durch Mikroplastik und Pharmazeutika befassen muss.
Die deutsche Abwasserbranche blickt den zukünftigen Herausforderungen positiv entgegen. Europaweit sind deutsche Unternehmen Exportmeister. Allein 2017 lag das Exportvolumen der Branche bei fast einer Milliarde Euro. Made in Germany boomt: Gerade in Sachen Qualität, Service und Erfahrung setzen Unternehmen der Branche auf deutsches Know-how – und das auch bei der Entwicklungszusammenarbeit in der Wasserwirtschaft. In dem Programm Betreiberpartnerschaften, aufgezogen vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und dem GWP, unterstützen deutsche Wasserbetriebe wie Hansewasser Bremen oder die Berliner Wasserbetriebe Partner in Entwicklungs- und Schwellenländern.
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Wie groß der Bedarf an deutscher Wassertechnik ist, lässt sich in der Kläranlage Salitre in Bogotá besichtigen. Als eine Gruppe deutscher Firmen sie im Oktober 2019 im Rahmen einer Geschäftsanbahnung der AHK Kolumbien besuchte, waren die Experten überrascht: Die erst im Jahr 2000 in Betrieb genommene Anlage verfügt nur über eine primäre, chemische Abwasseraufbereitung – nicht aber über eine sekundäre, biologische Stufe. „Dies erhöht die Betriebskosten enorm, da viel für chemische Produkte ausgegeben wird“, sagt ein Teilnehmer.
Die bislang einzige Kläranlage in Kolumbiens Hauptstadt reicht bei Weitem nicht für ihre neun Millionen Einwohner aus. Salitre wird daher aktuell für rund 485 Millionen US-Dollar erweitert. Den Auftrag bekamen die Unternehmen Aqualia aus Spanien und Aktor aus Griechenland, auch das deutsche Unternehmen Flottweg ist im Geschäft: Es lieferte vier Dekanterzentrifugen für die Schlammentwässerung in der Kläranlage. „Das war unser bislang größter Auftrag im Bereich Kläranlagen in Südamerika“, berichtet Carlos Olivo, Vertriebsmanager für Spanisch sprechende Länder bei Flottweg.
Bei der Inbetriebnahme im Jahr 2021 soll der erweiterte Komplex Salitre immerhin 30 Prozent des Abwassers von Bogotá klären. Die restlichen 70 Prozent werden dann allerdings – wie bisher – ungereinigt in den Río Bogotá geleitet. Der Fluss, der sich am Rand der Metropole entlangschlängelt, ist verdreckt und gilt heute als toter Fluss. Seine Wasserqualität reicht nicht einmal für den industriellen Gebrauch aus, geschweige denn für die Landwirtschaft.
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© Endress+Hauser
Ein zweites Megaprojekt soll ab 2026 dafür sorgen, dass 100 Prozent des Abwassers der Hauptstadt gereinigt werden. Die im Süden von Bogotá geplante Kläranlage Canoas soll mit 16.000 Litern pro Sekunde die größte in Lateinamerika werden. Die notwendigen Investitionen von 1,5 Milliarden US-Dollar haben die Stadt Bogotá und die regionale Umweltbehörde Corporación Autónoma Regional de Cundinamarca bereits zugesichert. Die Ausschreibung ist für das erste Halbjahr 2020 geplant. Ziel: Der Río Bogotá soll zum Naherholungsgebiet werden, sein Wasser nutzbar für die Agrarindustrie sein.
Kolumbien hat im Wassermanagement noch großen Nachholbedarf. So wurden im vergangenen Jahr nur 49,5 Prozent des städtischen Abwassers aufbereitet. Mexiko erreichte eine Quote von 57 Prozent, Chile gar 100 Prozent. „Unser Ziel ist es, den Anteil bis 2022 auf 54 Prozent und bis 2030 auf 68 Prozent hochzufahren“, erklärte José Luis Acero, kolumbianischer Vizeminister für Wasser den Teilnehmern der deutschen Geschäftsanbahnungsreise.
Die zukünftigen Herausforderungen sind klar, der Druck auf die knappe Ressource steigt. Und der Wandel ist bereits in vollem Gange: Immer mehr Staaten erkennen, dass sie ihr Wassermanagement ganzheitlich umstrukturieren müssen, und investieren kräftig. Es lohnt sich für deutsche Unternehmen also, über den Tellerrand zu schauen. Zwar bleibt Europa bislang der wichtigste Markt der deutschen Wasserbranche. Die mittelständische Struktur der Branche kommt aber auch außerhalb der Europäischen Union sehr gut an. Gründe sind: ihre kurzen Entscheidungswege, die individuellen Systemlösungen und die Flexibilität in den Projekten. Das Exportvolumen deutscher Wasser- und Abwassertechnik nach China stieg zwischen 2016 und 2017 um 54 Prozent. Die Wasserwende hat also begonnen – deutsche Technologie kann einer ihrer Treiber sein.
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