Tofu statt Tier

Die Hersteller von Fisch- und Fleischersatz nehmen Asien ins Visier. Die Bedingungen dort sind höchst unterschiedlich: Die Fleisch liebenden Chinesen wünschen sich täuschend echtes Schweine­hackimitat. Inder sind oft Vegetarier, und Japaner essen gern Fisch.

Juni 2021
Autoren: Boris Alex, Jürgen Maurer, Christina Otte und Christiane Süßel

Timo Recker will die Welt verändern. Mit seinem Start-up Next Gen Foods möchte er schmackhafte Alternativen zu echtem Fleisch auf die Teller bringen – für das Klima. „Die Tierzucht steht weltweit für mehr CO2-Emissionen als der Individualverkehr“, weiß der Sproß einer deutschen Fleischdynastie (Lesen Sie hier das ganze Interview).

Mit Tindle Thy, einem auf Pflanzenbasis hergestellten Hühnerfleischimitat, erobert er seit Mitte März Singapur. Noch ist das Veggiehühnchen nur auf der Speisekarte von 20 ausgesuchten Restaurants zu finden. Doch von dem Stadtstaat aus soll es bald seinen Siegeszug auf dem ganzen asiatischen Markt antreten. Hier sind die Produkte noch nicht so verbreitet wie in Europa.

Das Potenzial ist groß. Rund die Hälfte des Fleischs weltweit lande auf asiatischen Tellern, erklärt Recker. Bis 2030 werde der Markt für fleischlose Produkte weltweit auf 85 Milliarden US-Dollar und in Asien immerhin auf ­13 Milliarden US-Dollar anziehen, rechnet der Jungunternehmer vor. Mit Tindle Thy will er als Marktführer mitmischen und in vier weitere asiatische Metropolen expandieren, unter anderem ins chinesische Hongkong.

Beyond Meat produziert schon in China

Chinas Markt für Fleischersatz gilt als einer der aussichtsreichsten weltweit. Als eines der ersten internationalen Unternehmen hatte ­Beyond Meat Mitte 2020 den Markteinstieg gewagt und pflanzenbasierte Rinderhackfleischprodukte in Starbucks-Filialen, Fast-Food-Ketten und Supermärkten der Alibaba-Kette Freshippo platziert. Im November 2020 kam testweise eigens für China entwickeltes veganes Schweinehack in fünf Restaurants in Shanghai auf den Tisch. Die US-Amerikaner bauen zudem eine eigene Produktion in der Nähe von Shanghai auf.

Nirgendwo wird mehr Fleisch gegessen als in China. Am liebsten essen die ­Chinesen Schweinefleisch, 2019 vertilgten sie fast die Hälfte der globalen Produktion. Doch die chinesische Führung will den Fleischkonsum reduzieren, und Chinas moderne Mittelschicht fragt zunehmend fleischlose Kost nach. Nestlé (Schweiz) und Omnifoods (Hongkong) sind im Markt vertreten, weitere Anbieter wie ­Impossible Foods (USA) und ­Pulmuone (Südkorea) stehen in den Startlöchern. Chinesische Player wie Starfield, Zhenmeat, Z-Rou und Whole Perfect Food setzen vor allem auf chinesische Traditionsgerichte wie Teigtaschen.

Inder sind offen für Fleischimitat

Neben dem Riesenmarkt China spielt auch der traditionell größte Markt für Veggieprodukte, Indien, eine zentrale Rolle. Hier gibt es schon seit Jahrzehnten eine entsprechende Lebensmittelampel. Der grüne Punkt gibt dabei nicht etwa den Nährstoffgehalt eines Produktes an, sondern, ob es für Vegetarier geeignet ist. Schätzungsweise ein Drittel aller Inderinnen und Inder ernähren sich fleischlos. Doch mit dem seit Jahren steigenden Lebensstandard wächst auch der Fleischkonsum, obwohl er mit schätzungsweise 4,5 Kilogramm pro Kopf immer noch sehr niedrig ist. Der Verzehr von Geflügel erreichte 2020 immerhin fast vier Millionen Tonnen. Gleichzeitig ist vegetarische und zunehmend auch vegane Ernährung vor allem in der Mittel- und Oberschicht im Kommen.

Um diese zahlungskräftige Kundschaft buhlen Hersteller wie Vezlay, Veggie Champ, Greenest Foods oder Good Dot mit ihrem wachsenden Angebot an vegetarischen und veganen Lebensmitteln und Fertiggerichten. Egal, ob Klassiker der indischen Küche wie Chicken Tikka Masala und Seekh Kebab oder westliche ­Gerichte wie Burger und Würstchen: Das Angebot an Speisen aus Fleischersatz steigt. Denn die Akzeptanz für solche Produkte ist laut einer Umfrage des Marktforschers Ipsos in Indien mit 63 Prozent besonders hoch.

Die Nachfrage habe durch die Covid-19-­Pandemie weiter zugelegt, weil die Konsumenten mehr Wert auf gesunde Ernährung legten, berichtet Abhishek Sinha, Geschäftsführer von Good Dot. Das 2016 gegründete Unternehmen zählt zu den Pionieren in Indien und verkauft seine Produkte nicht nur über den Einzel­handel und online, sondern betreibt inzwischen vegane Schnellrestaurants in Indien und Nepal. Der Markt für Fleischersatzprodukte soll weiter wachsen. The Good Food Institute India prognostiziert, dass der Umsatz in den kommenden fünf bis sieben Jahren auf eine Milliarde US-Dollar steigen könnte. Wenn Restaurantketten wie Pizza Hut, McDonald’s oder Burger King ihr Angebot ebenfalls erweitern, sind noch höhere Wachstumsraten möglich.