Juni 2017
Autor: Edwin Schuh
Das Prinzip ist kinderleicht: Smartphone rausholen, App öffnen, Standort und gewünschtes Ziel eingeben, bestätigen und in wenigen Augenblicken kommt der Wagen vorgefahren. Den Preis verrät die App schon im Voraus. Meist sind die App-Fahrten deutlich günstiger als reguläre Taxis. In São Paulo beispielsweise kostet die Fahrt mit dem US-amerikanischen Anbieter Uber vom Internationalen Flughafen ins Stadtzentrum umgerechnet 20 Euro, während klassische Taxis das Dreifache verlangen. Nicht nur für die Kunden ist das ein Segen: „Uber war meine Rückkehr ins Arbeitsleben“, sagt Marcio dos Reis aus São Paulo. Der 47-Jährige arbeitete in einem Telekommunikationsunternehmen, bis er in der Wirtschaftskrise seinen Job verlor. Nach zwei Jahren erfolgloser Jobsuche fing er an, mit seinem Auto für Uber zu fahren. „Wenn ich sechs Tage die Woche arbeite, verdiene ich abzüglich Benzin etwa 800 Euro“, erzählt er. Damit kann er seine Frau und seine drei Kinder versorgen und verdient etwas mehr als ein durchschnittlicher Brasilianer.
Uber ist in 81 Ländern vertreten und mit einem Marktwert von 68 Milliarden US-Dollar fast so wertvoll wie Volkswagen. Allerdings ist das Unternehmen vor allem in den USA dominant, in anderen Ländern liefert sich Uber oft einen heftigen Wettbewerb mit lokalen Anbietern. Von dem Boom profitieren vor allem die Kunden dank besserer und günstigerer Mobilität. Bei einheimischen Taxifahrern sind die neuen Anbieter dagegen in Verruf geraten.
Rosalino Moises aus Rio de Janeiro ist einer von denen, die Uber kritisch beobachten. Er fährt seit 15 Jahren Taxi, doch jetzt ruinieren die neuen digitalen Start-ups ihm das Geschäft: Als Uber nach Brasilien kam, haben sich seine Einkünfte halbiert, nun kommt er kaum noch über die Runden. „Man sollte die App hier auch verbieten wie in Deutschland“, sagt er. Schon mehrmals schloss er sich mit Kollegen zusammen, um gegen das US-Unternehmen zu demonstrieren. Vereinzelt kam es in Brasilien sogar zu Gewalt gegenüber Uber-Fahrern.
App-Vergleich
Die wichtigsten Mobilitäts-Apps für deutsche Reisende
USA, Australien: Uber, Lyft
Uber hat einen Marktanteil von rund 80 Prozent, Lyft kommt auf 20 Prozent. In New York ist Uber stärker, in Los Angeles und San Francisco beide Anbieter gleichauf. Lyft ist etwas teurer.
China: Didi
Die App ist in über 400 Städten verfügbar, der Marktanteil beträgt 99 Prozent. Didi bietet auch Carpooling mit Minivans an.
Indien: Ola, Uber
Ola kommt auf rund 50 Prozent Marktanteil, Uber auf 30 Prozent. Das Angebot umfasst auch Minivans, Hop-on-Busse, Rickschas und die Vermietung von Fahrzeugen mit Chauffeuren auf Stundenbasis.
Brasilien: Uber, 99, Cabify
99 ist etwas günstiger als die Konkurrenz und bietet auch Fahrten mit normalen Taxis mit Discount an. Uber ist in 41 Städten aktiv, 99 bislang nur in São Paulo, expandiert aber stark. Cabify will 2017 ebenfalls wachsen.
Südostasien: Grab
In Malaysia, Singapur, den Philippinen, Thailand, Vietnam und Indonesien ist Grab aktiv. GrabBike bietet Fahrten mit Motorradtaxis an, um im Stau schneller durchzukommen – eine Unfallversicherung ist inklusive.
Russland, Israel: Gett
Die App ist in 67 russischen und zehn israelischen Städten aktiv. Volkswagen investierte 2016 rund 300 Millionen US-Dollar in das israelische Unternehmen.
Naher Osten: Careem
Careem ist in 53 Städten aktiv. Für Frauen gibt es einen speziellen Service namens Ameera („Prinzessin“), bei dem Frauen fahren und ausschließlich Frauen mitnehmen. Die Scheiben sind stets verdunkelt. Careem darf in Saudi-Arabien keine Flughafenfahrten machen.
Globale Anti-Uber-Allianz
In China hingegen kämpfte Uber vergeblich um Marktmacht. Dort verbrannte das Unternehmen zwei Milliarden US-Dollar, bis es im August 2016 aufgab und sein Geschäft an den chinesischen Konkurrenten Didi verkaufte, der mit einem Marktwert von 34 Milliarden US-Dollar weltweit nach Uber auf dem zweiten Platz steht. Seitdem schmiedet Didi eine globale Anti-Uber-Allianz, die Erfolg zu haben scheint: Im Gegensatz zu dem amerikanischen Konkurrenten, der immer nach demselben Muster aggressiv in Märkte eintritt, investiert Didi in bereits existierende lokale Unternehmen. Der Vorteil: Die etablierten Anbieter kennen die regionalen Gepflogenheiten oft besser. So hat Didi 350 Millionen US-Dollar in das südostasiatische Unternehmen Grab investiert, das auch Fahrten mit dort üblichen Motorradtaxis anbietet. Weitere 500 Millionen US-Dollar investierte Didi in das indische Unternehmen Ola und 100 Millionen US-Dollar in das US-amerikanische Lyft, womit es Uber auch auf seinem Heimatmarkt attackiert.
Zuletzt steckte der chinesische Anbieter im Januar 2017 Geld in die brasilianische Mobilitäts-App 99. Mit einer Kapitalspritze von 100 Millionen US-Dollar soll 99 bis Jahresende an Uber vorbeiziehen. Bislang hat das amerikanische Unternehmen in Brasilien einen Marktanteil von 65 Prozent, 99 kommt auf einen Marktanteil von 15 Prozent. Brasilien ist für beide Anbieter besonders attraktiv: Mit neun Millionen Nutzern ist das Land nach den USA der zweitwichtigste Markt weltweit. 99 setzt aktuell auf Rabattaktionen und einen guten Service, um neben der Konkurrenz zu punkten. So bemüht sich das Unternehmen deutlich mehr um die Schulung der Fahrer als Uber. Im April trat noch ein dritter Kandidat in den Kampf um die Vorherrschaft in Brasilien an: Die spanische App Cabify kündigte ein Investment von 200 Millionen US-Dollar an, um sich zu etablieren. Damit investiert Cabify sogar mehr als seine beiden Konkurrenten Uber und 99.
ist Uber aktuell wert. Zum Vergleich: Volkswagen hatte zuletzt einen Marktwert von etwa 73 Milliarden Euro, Tesla kommt auf 47 Milliarden Euro. Damit hat Uber auch andere Internetgiganten wie Netflix, Ebay oder Paypal überholt.
Ausländer drehen eine Extrarunde
Als Deutscher im Ausland sollte man die neuen Möglichkeiten nutzen. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind in Ländern wie Indien oder Brasilien oft nicht gut ausgebaut, sodass viele Geschäftsreisende ohnehin auf Taxis angewiesen sind. Allerdings drehen die Fahrer mit dem ahnungslosen Ausländer gern mal eine Extrarunde oder verlangen einen Fantasiepreis. Noch ernster sind Expressentführungen, die gelegentlich bei Taxifahrten in Südamerika vorkommen. Fahrten per Mobilitäts-App sind deutlich sicherer, da Fahrer und Auto registriert sind und die Fahrt per GPS festgehalten wird. Ein weiterer Vorteil ist die automatische Zahlung per Kreditkarte über die App, dank der man nicht gleich bei der Ankunft am Flughafen Bargeld fürs Taxi braucht. Nach Fahrtende wird die Rechnung per E-Mail verschickt, was Geschäftsreisenden bei der Kostenabrechnung das Leben erleichtert. Inzwischen bieten viele Apps auch Firmenaccounts an, bei denen automatisch über das Firmenkonto abgerechnet wird.
Eigenes Auto wird überflüssig
Experten zufolge sind die Auswirkungen der neuen Mobilitäts-Apps auf den Stadtverkehr überwiegend positiv. Zwar könnten kurzfristig mehr Autos auf die Straßen kommen, da sich die öffentlichen Verkehrsmittel gegenüber den Privattaxis kaum noch lohnen. Allerdings wird es mittelfristig immer weniger notwendig, ein eigenes Auto zu besitzen. Dann wägen die Leute je nach Situation ab, ob sie lieber öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder ein Taxi rufen.
Der neueste Coup von Uber nennt sich Carpooling: Wer diese Option anklickt, lässt während seiner Fahrt andere zusteigen, die in dieselbe Richtung müssen. Der Preis wird geteilt, die Umwelt geschont.
Die große Zukunftsvision von Uber und den anderen App-Betreibern ist es, eine Flotte selbstfahrender Autos zu betreiben – damit würde Uber sich die Gehälter für die Fahrer komplett sparen. „Mit der Technologie der selbstfahrenden Fahrzeuge wollen wir die Städte sicherer, sauberer und zugänglicher machen“, sagt Uber-Chef Travis Kalanick. Für den Kunden wären komplett fahrerlose Taxifahrten Experten zufolge rund 70 Prozent günstiger. Sollte es so weit kommen, wird auch Marcio dos Reis wieder ohne Job dastehen.
GTAI-Ansprechpartnerin Brasilien
Jenny Eberhardt
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