Dezember 2019
Autoren: Waldemar Lichter und Bence Szilágyi
Attila Homonna steht für das Neue und Besondere in Ungarns Weinbranche. Eigentlich ist der 44-Jährige aus Debrecen gelernter Werbefachmann, hatte mit der Weinindustrie wenig zu tun. Bis zum Jahr 1999: Damals begann er in der berühmten Region Tokaj eigene Weine zu kreieren. Heute ziert sein Name die Weinkarten der Spitzengastronomie in Berlin, London und New York. Auch in seiner Heimat Ungarn betreibt Homonna ein Boutique-Weingut in Tokaj und berät zahlreiche Weingutprojekte, die zurzeit überall im Land wie Pilze aus dem Boden schießen.
Zugute kommt Homonna der starke Wandel, dem die ungarische Weinindustrie derzeit unterworfen ist. Denn die Branche arbeitet kräftig an ihrem Image: Überwiegend süß, mäßige Qualität, Massenware und billig – das sind die Attribute, die ungarischem Wein bisher anhaften. Dieser Ruf entstammt noch aus den Jahrzehnten, in denen ungarische Weinhersteller vor allem den eigenen Markt und die sozialistischen Brudervölker bedienten. In diesen Ländern ohne größere Konkurrenz konnten die ungarischen Weinanbieter damals an ihre Kunden praktisch liefern, was sie wollten.
Doch das entspricht mittlerweile nicht mehr der Realität. Ungarische Winzer setzen auf bessere Qualität und wollen damit den steigenden Ansprüchen der Verbraucher gerecht werden. Dennoch gleicht es immer noch einer Sisyphusarbeit, einen roten Kadarka aus Eger oder einen weißen Furmint vom Somló in Westeuropa zu vermarkten. Eine Ausnahme sind hier die kräftigen Rotweine namens Stierblut (Bikavér) und die weißen Tokajer, deren Qualität als süße Dessertweine vor allem im Ausland anerkannt ist.
Kékfrankos (Blaufränkisch): Die am meisten angebaute Rotweinsorte Ungarns und Österreichs ist vielseitig und bringt leichte und fruchtige, aber auch tanninreiche Weine mit Lagerpotenzial hervor. Sie ist der wichtigste Bestandteil von Bikavér (Stierblut). © Dagmar Schwelle/laif
Mit Edelmetall dekoriert
Dass Ungarn absolute Spitzenweine anbieten kann, zeigen viele internationale Preise, die ungarische Winzer für ihre Produkte inzwischen Jahr für Jahr erhalten. So hat die britische Fachzeitschrift „Decanter“ 2019 vier ungarischen Weinen die höchste Platin- und weiteren sieben die prestigeträchtige Goldmedaille verliehen. Fast alle stammen dabei aus der berühmten Tokaj-Region. Nachbar Österreich hat im jüngsten „Decanter“-Rating dagegen nur eine und Deutschland drei Platinauszeichnungen erhalten.
Die internationale Anerkennung macht deutlich, dass Ungarns Weinbranche längst mit der Zeit geht, auf Trends reagiert und viel Zeit und Geld in bessere Qualität steckt. Doch: So attraktiv das Exportgeschäft auch erscheinen mag, einer signifikanten Erhöhung der Ausfuhren stehen einige Hürden im Wege. So sind für ein rentables Geschäft die Liefermengen einfach noch zu klein. Es müssten außerdem große Marketinganstrengungen unternommen werden, um die ungarischen Produkte im Ausland überhaupt bekannt zu machen und ihnen ein besseres Image zu verpassen.
Für die meisten Weinhersteller ist das eigene Land deshalb immer noch der mit Abstand wichtigste Absatzmarkt. „Der größte Teil unserer Gäste trinkt vor allem ungarische Weine“, sagt Bence Gál, Restaurantmanager in Budapest. Ausländische Weine, etwa aus Frankreich oder Italien, werden laut dem Gastronom eher bei Feiern und Geburtstagen getrunken. Einen Großteil seiner Weinkarte machen deshalb ungarische Weine aus.
Auf ihrem Inlandserfolg ausruhen können sich ungarische Winzer jedoch nicht. Sie müssen zunehmend investieren, weil ihre Kunden immer anspruchsvoller werden und der Wettbewerb auf dem Markt dichter wird. „Die Qualität unserer Weine zu steigern, ist für uns das Wichtigste“, sagt Markus Schieber. Der geborene Schwabe betreibt in Szekszárd, einem der Zentren des ungarischen Weinbaus, zusammen mit seiner ungarischen Frau Anita ein Weingut.
INTERVIEW
»Die Nachfrage nimmt immer weiter zu«
Zsófia Laposa ist Inhaberin des Weinguts Laposa im ungarischen Badacsonytomaj.
Wie viel Wein produzieren Sie pro Jahr?
Zwischen 300.000 und 350.000 Flaschen. Die Nachfrage nimmt immer weiter zu, und wir wollen an dem Wachstum teilhaben. Deshalb bauen wir unsere Kapazitäten aus. Bald werden wir so zusätzlich 30.000 bis 50.000 Flaschen pro Jahr anbieten können, unter anderem Schaumweine, die wir in Tankgärung herstellen werden.
Sie investieren viel in Ihr Weingut. Auch in die Betriebsabläufe?
Ja, das ist notwendig, um kosteneffektiver zu arbeiten. So führen wir derzeit einige unserer Produktionsorte an einem Standort zusammen, um die Qualität zu erhöhen und konstant hochzuhalten. Außerdem verringern wir dadurch die Logistikkosten.
In welche Ausrüstungen und Technologien investieren Sie?
Die Technologie stammt aus Italien. Wir beauftragen einen Generalunternehmer, der die Planung übernimmt und eine Komplettlösung anbietet. Wir arbeiten gern mit italienischen Anbietern. Dort gibt es viel Auswahl, und die Produkte haben sich als zuverlässig erwiesen. Sehr wichtig ist für uns aber, dass auch Serviceleistungen vor Ort angeboten werden. Bei unserem Schaumweinprojekt sind ebenfalls italienische Berater beteiligt, die uns bei der Technologie und auch im Weinberg fachlich unterstützen. Es ist aber eine lockere Kooperation – wir kommen nur ein- bis zweimal im Jahr zusammen.
Auf welchen Märkten verkaufen Sie Ihre Weine?
Laposa hat sich bisher fast ausschließlich auf den ungarischen Markt konzentriert. Exporte sind bisher eher zufällig zustande gekommen. Das ändert sich aber gerade. Wir arbeiten intensiv daran, die Ausfuhren zu erhöhen. Dazu wollen wir in mehreren Ländern strategische Partner für eine langfristige Zusammenarbeit finden.
Italiener mischen mit
Wie Homonna ist auch Schieber ein Quereinsteiger. Eigentlich kam er vor zwanzig Jahren nach Ungarn, um dort ein landwirtschaftliches Gut zu betreiben und Ackerflächen zu bewirtschaften. Er übernahm in Szekszárd einen daniederliegenden Agrarbetrieb inklusive eines kaum genutzten Weinguts von 30 Hektar. Kurzerhand entschlossen sich Schieber und seine Frau, Winzer zu werden. Das Ergebnis: Er müsse zwar noch eine Menge investieren, sagt Schieber, aber die ersten Erfolge seien bereits sichtbar. Schiebers Rotweine haben inzwischen wichtige Preise gewonnen. Einige von ihnen sind in Budapester Michelin-besternten Spitzenrestaurants wie Costes oder Borkonyha gelistet.
Aufgrund des Erfolgs erweitert das Winzerpaar gerade seine Rebflächen. Um den Weinberg korrekt anzulegen, lassen sie sich – wie zahlreiche Nachbarn in der Region auch – von einem italienischen Spezialisten beraten. Zu den größten Investitionen gehört ein neues Betriebsgebäude am Rande eines Weinberges, in dem in wenigen Monaten Verarbeitungsanlagen, Pressen, Tanks und Abfüllanlagen untergebracht werden.
Die zunehmenden Investitionen in der Branche bieten auch für deutsche Ausrüster Absatzchancen. Ihre Anlagen haben einen exzellenten Ruf. Doch: Wer mit seinen Ausrüstungen und Anlagen bei Ungarns Winzern erfolgreich sein will, muss sich Mühe geben. Vor einem Neukauf lassen sie sich gern von Firmenvertretern über neue Entwicklungen informieren. Hier zählt vor allem Durchhaltevermögen: Ein Vertreter, der nur ein- oder zweimal erscheint und direkt verkaufen will, wird keinen Erfolg haben, ist sich Schieber sicher. Viele Winzer informieren sich vor Investitionen bei ihren Nachbarn, welche Anlagen diese nutzen, welche Erfahrungen sie damit gemacht haben. Wichtig, vielleicht sogar entscheidend ist auch, ob in der Nähe ein guter Service gewährleistet werden kann.
Viele Neuinvestitionen entfallen auf deutsche Ausrüstungen, doch der Wettbewerb ist dicht. Die Ungarn schätzen deutsche Qualität und die Langlebigkeit der Produkte, doch die Konkurrenz aus Italien sei ein Drittel billiger, sagt ein Winzer. Einer der wichtigsten Händler von Kellereitechnik, das Budapester Unternehmen Új Vinoservice Kft., vertreibt deshalb Ausrüstungen deutscher Hersteller. „Wir verkaufen gern deutsche Maschinen“, sagt Geschäftsführer András Pernecker, „weil sie sehr wenig Service brauchen.“ Eine Win-win-Situation für alle.
Service & Kontakt
Weitere Informationen zu Ungarn unter:
www.gtai.de/ungarn
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