Juli 2018
Autoren: Marcus Knupp und Michal Wozniak
Der Porsche Semper Vivus war das erste Hybridauto der Welt. Firmengründer Ferdinand Porsche entwickelte das Modell mit Verbrennungs- und Elektromotor bereits im Jahr 1900 zur Weltausstellung in Paris.
©Porsche AG
Bosch hat in Sachen Elektromobilität große Pläne: Bis zum Jahr 2020 will das Unternehmen zum weltweiten Marktführer in Sachen elektrischer Antriebskomponenten aufsteigen. Bislang sind weltweit mehr als 800.000 Fahrzeuge mit von Bosch hergestellten elektrischen Antriebskomponenten unterwegs. Vor allem in China sieht Bosch großes Potenzial, obwohl das Unternehmen dort bereits Marktführer ist. „Das Reich der Mitte ist der größte und am schnellsten wachsende Markt für Elektromobilität. Und zwar nicht nur bei Autos: In China fahren bereits über 100 Millionen elektrische Scooter“, erklärt Mathias Pillin, Bereichsvorstand mit der Verantwortlichkeit für Elektromobilität.
Pillin beobachtet schon länger, dass sich Elektromobilität zunehmend in einzelnen Märkten durchsetzt. Vor allem im Bereich der Pkw rechnet er zu Beginn der kommenden Dekade mit einem weltweiten Massenmarkt. Auf diesen Zug will Bosch aufspringen. „In China, den USA und Europa sind wir bereits seit mehreren Jahren mit mehr als 30 Produkten dauerhaft vertreten, unter anderem mit der elektrischen Achse“, sagt Pillin. Zudem entwickelt das Unternehmen mit Nikola Motors zurzeit die erste E-Achse für schwere Nutzfahrzeuge. Das Ziel hat Pillin klar vor Augen. „Bis 2021 wollen wir zwei elektrische Lkw-Modelle auf den Markt bringen.“
Auch Tim Hosenfeldt, beim Automobilzulieferer Schaeffler für Innovation zuständig, bestätigt das Potenzial der Elektromobilität. „Im Jahr 2030 werden weltweit 30 Prozent aller Neuwagen einen rein elektrischen Antrieb haben. Weitere 40 Prozent entfallen auf Hybride.“ Neben dem Leitmarkt China spielen laut Hosenfeldt auch Europa und Nordamerika eine Rolle, wobei es bei der Umsetzung große Unterschiede zwischen den Ländern gebe.
So wollen etwa die Niederlande schon 2025 eine Quote für Elektroautos von 50 Prozent erreichen und fünf Jahre später gar keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr neu zulassen. Bereits heute haben batterieelektrisch angetriebene Fahrzeuge dort einen Marktanteil von 1,9 Prozent an den Neuzulassungen, Hybride eingerechnet sogar von 6,9 Prozent. Zum Vergleich: In Deutschland hatten 2017 insgesamt lediglich 3,2 Prozent aller Neuwagen eine elektrische Antriebskomponente.
»Im Jahr 2030 werden weltweit 30 Prozent aller Neuwagen einen rein elektrischen Antrieb haben.«
Tim Hosenfeldt
Leiter Zentrale Innovation beim Automobilzulieferer Schaeffler
Elektromobilität ist noch elitär
Bestseller ist in den Niederlanden, in Finnland und in der Schweiz das Model S des kalifornischen Elektromobilitätspioniers Tesla. Hohe Einkommen im Zusammenspiel mit zum Teil üppiger finanzieller Förderung sind treibende Faktoren bei der Ausbreitung von Elektroautos.
Demgegenüber steht der deutlich höhere Anschaffungspreis: Fahrzeuge mit Elektroantrieb sind wesentlich teurer als ihre Geschwister mit Verbrennungsmotoren – für viele Käufer bislang ein wesentliches Hindernis. Weitere Hürden sind die begrenzte Reichweite und die oft noch unzureichende Ladeinfrastruktur. Ein Problem, das sich in kleinen Ländern wie der Schweiz einfacher lösen lässt als in großen Flächenstaaten.
Entsprechend unterschiedlich sind die Strategien im globalen Vergleich. Feste Zielvorgaben stehen neben vagen Versprechen. Mal stehen batterieelektrische Antriebe im Vordergrund, mal Hybride. Die Förderung richtet sich mancherorts an Privatkunden, andernorts profitieren Firmenkunden, Behörden oder der öffentliche Personennahverkehr.
China ist mit über 650.000 verkauften Elektroautos im Jahr 2017 der mit Abstand größte Markt, mehr als ein Viertel davon waren Nutzfahrzeuge. Damit die Entwicklung weiterhin so positiv bleibt, schreibt die Regierung in Peking ab 2019 Quoten vor, stellt ganze Busflotten um und schafft hierdurch die Nachfrage, die eine Produktion vor Ort lukrativ macht.
Norwegen, das Land mit den meisten verkauften Elektroautos in Europa (knapp 83.000 Stück im vergangenen Jahr), setzt auf staatliche Anreize. Zu üppigen Finanzhilfen beim Kauf kommen in dem skandinavischen Land Vergünstigungen im Verkehr wie kostenloses Parken oder die Benutzung von Busspuren. Das Ergebnis: Batterieelektrisch angetriebene Autos und Hybride haben zusammen einen Marktanteil von rund 52 Prozent.
Auf ein ähnliches Modell setzen auch viele andere Länder, wenn auch nicht immer im gleichen Ausmaß und selten mit ähnlich hohem Anteil erneuerbarer Energien in der Stromversorgung. Denn erst hierdurch wird die Umwelt deutlich geschont. Einen hohen Anteil von Wasserkraft an der Stromerzeugung haben neben Norwegen auch die Alpenländer Österreich und Schweiz.
Die Schweiz schafft dabei das Kunststück, fast ohne finanzielle Kaufanreize für Elektroautos auszukommen und mit einem Verkaufsanteil von 1,5 Prozent bei batterieelektrischen Fahrzeugen trotzdem vorn dabei zu sein. Der Grund: Der Fokus liegt an anderer Stelle. Die Anstrengungen zum Ausbau der Ladeinfrastruktur sind vergleichsweise hoch, wobei Bern wiederum auf private Akteure setzt.
Die beliebtesten Elektroautos
Elektroautos von BAIC sind am beliebtesten
Die Beijing Automotive Industry Holding hat im Jahr 2017 78.079 Stück der EC-Series verkauft. Der chinesische Hersteller setzte damit fast doppelt so viele Elektroautos wie im Vorjahr (+42 Prozent) ab.
Tesla Model S auf Platz 2
Mit 54.715 verkauften Model S im Jahr 2017 belegt Tesla den zweiten Platz bei den meistverkauften batterieelektrischen Pkw weltweit. Im Vergleich zum Vorjahr stieg der Verkauf um zwei Prozent.
Nissan Leaf
Bronze für den Nissan Leaf: Im vergangenen Jahr wurde das Auto 47.195-mal verkauft. Der Nissan punktet mit einer hohen Reichweite, nach Herstellerangaben schafft er bis zu 415 Kilometer.
Jaguar I-Pace
Der erste echte Tesla-Jäger aus Europa. Ab 78.000 Euro gibt es britische Sportlichkeit und bis zu 480 Kilometer Reichweite.
Für deutsche Unternehmen birgt der Markt der Elektromobilität zahlreiche Chancen. „Die deutsche Automobilindustrie muss bei Zukunftstechnologien vorn bleiben. Das gilt nicht nur für Hersteller, sondern auch für Tausende mittelständische Zulieferer“, unterstreicht Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertags.
Dabei müssen neue Netzwerke aufgebaut und Partner international gesucht werden. Chancen dazu bieten Forschungszentren wie das Stockholmer PMH Application Lab, an dem die Fraunhofer-Gesellschaft beteiligt ist, oder bereits bestehende Kooperationen großer deutscher Konzerne: So plant das Energieunternehmen Eon zusammen mit dem dänischen Mobilitätsanbieter Clever ein europäisches Schnellladenetz, das sich über sieben Länder erstreckt.
Vorreiter Japan
In eine ganz andere Richtung geht Japan. Die Ostasiaten bevorzugen bislang die Hybridtechnik, wollen mittelfristig aber eine Wasserstoffinfrastruktur aufbauen, die den Betrieb von Autos mit Brennstoffzellen im ganzen Land ermöglicht. Ein solcher Ansatz sei durchaus wichtig, sagt Schaeffler-Innovationsleiter Hosenfeldt. „Allein mit Elektroautos werden sich die Klimaschutzziele nicht umsetzen lassen. Wichtig ist daher Technologieneutralität. Forschung und Entwicklung dürfen sich nicht nur auf eine Linie festlegen.“ Um den immensen Aufwand einer mehrgleisigen Strategie bewältigen zu können, sei die intensive Zusammenarbeit der Akteure unumgänglich, so Hosenfeldt weiter. Und natürlich Durchhaltevermögen: Von der Konzeption erster Komponenten für elektrische Antriebe sind bei Schaeffler 18 Jahre vergangen, bis das Unternehmen 2017 mit einem vielfältig einsetzbaren Radnabenmotor die ersten Kunden gewinnen konnte.
Gut zu wissen
Das GTAI-Future Elektromobilität analysiert Nachfrage, Fördermodelle, Produktions- und Ladeinfrastrukturausbau in über 20 Ländern auf drei Kontinenten. Informieren Sie sich unter: www.gtai.de/elektromobilitaet.
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