Dezember 2019
Autor: Heiko Steinacher
Auch in den USA haben E-Commerce-Anbieter abgelegenere Regionen für sich entdeckt. Wie in Deutschland wählen viele US-Kunden ihren Anbieter dort anhand der verfügbaren Lieferoptionen aus. Amazon meldete Ende April 2019, künftig allen Prime-Kunden Bestellungen innerhalb nur eines Tages zu liefern. Wenige Wochen später konterten die Einzelhandelsschwergewichte Walmart und Target und kündigten an, ihren Next-Day-Lieferservice bis Jahresende ebenfalls auf einen Großteil des Landes auszudehnen. Der Wettbewerb ist knallhart.
Ähnlich wie chinesische E-Commerce-Anbieter nimmt auch US-Platzhirsch Amazon die Logistik deshalb zunehmend selbst in die Hand. Das Unternehmen ist längst dabei, sein eigenes Logistikimperium aufzubauen, kauft Tausende von Kleintransportern, least Flugzeuge und ermuntert Kleinunternehmer, in den Logistikprozess einzusteigen. Die Entscheidung von Fedex, ab September 2019 keine Amazon-Pakete mehr auszuliefern, hat den einstigen Großkunden dennoch kalt erwischt. Fedex betont zwar, nur rund 1,3 Prozent seines Umsatzes mit Amazon zu machen. Doch der Logistiker habe eben längst realisiert, „dass aus einem falschen Freund ein Rivale geworden ist“, meint Richard Miller vom Finanzhaus Gullane Capital.
Durch die immer individuelleren und schnelleren Lieferungen ist auch die Umweltbilanz der Kurierdienste nicht so gut wie sie sein könnte – das gilt nicht nur für die USA. Zwar können Transportunternehmen ihre Ladungen und Routen besser planen als private Einkäufer, „doch vor allem Dienste wie Amazon Prime sind längst nicht so sparsam, wie sie sein könnten“, heißt es von der Verbraucherzentrale in Deutschland. Vor allem der logistische Aufwand der schnellen Lieferung in abgelegene Gegenden wirke sich besonders negativ auf die Umweltbilanz aus. Dazu kommt, dass viele Kunden am Tag der Auslieferung gar nicht zu Hause sind und der Postbote das Paket wieder mitnehmen muss – um es am kommenden Tag erneut zuzustellen.
Die USA probieren aus – Künstliche Postboten
Zustelldienst per Roboter oder Drohne gefällig? Zukunftsmusik? Das ja, aber getestet werden die neuen, wetterfesten Helfer bereits. In San Francisco dreht der von Postmates entwickelte, autonome Roboter Serve seine Runden. Sein Amazon-Pendant Scout liefert Testpakete aus. In Kürze werden auch die ersten Paketdrohnen abheben für den Testbetrieb. Zahlreiche Sensoren und künstliche Intelligenz sollen ihre Sicherheit stetig verbessern.
Er ist so groß wie ein Labrador, der selbstfahrende Lieferroboter Scout von Amazon. Der sechsrädrige Roboter liefert seit Jahresanfang Pakete an Kunden in einem Vorort von Seattle. Noch begleitet ihn allerdings ein Amazon-Mitarbeiter. © Uncredited
Rabatttage sorgen für Umsatz
Den größten Umsatz machen Onlinehändler auch in den USA während ihrer Rabatttage: Das sind vor allem der Black Friday und der Cyber Monday rund um Thanksgiving. Andere Nationalfeiertage wie der Presidents’ Day oder der Memorial Day lassen ebenfalls wesentlich mehr Artikel über die virtuelle Ladentheke gehen als im Rest des Jahres.
Amazon hat dabei seinen eigenen Rabatttag. Ob Elektronik, Wasserfilter, Schongarer oder DNA-Tests für zu Hause: Beim weltweit größten Onlineversandhändler klingelten im Juli 2019 die Kassen. Diesmal dauerte der Prime Day – exklusiv für Abonnenten des gleichnamigen Dienstes – 48 Stunden.
Der E-Commerce in den USA legt insgesamt kräftig zu: Nach einem stattlichen Vorjahreswachstum stiegen die Umsätze von Januar bis März 2019 erneut um mehr als zwölf Prozent auf nun fast 138 Milliarden US-Dollar. Knapp die Hälfte davon konnte allein Amazon für sich verbuchen.
Vor allem können die USA als Testfeld für kommende Trends dienen. Besonders stark wächst der Absatz über mobile Endgeräte. Prognosen des Marktforschungsunternehmens Forrester Research zufolge werden Transaktionen über Smartphones und Tablets im Jahr 2022 bereits mehr als 175 Milliarden US-Dollar Umsatz generieren. In der Mode- und der Möbelbranche werden derweil Omnichannel-Strategien wichtiger. Immer mehr Möbelhändler mit traditionellen Ladengeschäften bauen ihr E-Commerce-Angebot aus. Umgekehrt setzen immer mehr ursprünglich reine Onlinehändler auch auf klassische Ladengeschäfte.
»Kunden schätzen neue Technologien mit Mehrwert und wollen Interaktion auf allen Kanälen.«
Heiko Steinacher
GTAI-Korrespondent San Francisco
Der Onlinemöbelhändler Wayfair hat im Sommer und Herbst 2019 mehrere Pop-up-Stores und ein Geschäft in der Natick Mall in Massachusetts eröffnet. Der Grund: Viele Verbraucher recherchieren im Internet vorab nur zu gewünschten Produkten, kaufen sie dann aber in stationären Läden. Oder sie besuchen Showrooms und testen dort die Auslage. Wenn es ihnen gefällt, bestellen sie das gewünschte Produkt online und bekommen es nach Hause geliefert.
AR- und VR-Apps kurbeln den E-Commerce in den USA an. Overstock hat im Mai 2019 eine VR-App zur Simulation von 3-D-Modellen in Originalgröße auf den Markt gebracht. So lassen sich zum Beispiel Möbel vor dem Kauf in die eigenen vier Wände projizieren.
Der sogenannte Ansatz Try before you buy funktioniert auch gut im Bereich Business-to-Business (B2B). Das Marktforschungsunternehmen Forrester Research sagt voraus, dass der Onlinehandel zwischen Unternehmen bis zum Jahr 2023 auf 1,8 Billionen US-Dollar ansteigen und dann 17 Prozent aller B2B-Verkäufe ausmachen wird. Ende 2018 lag dieser Wert bei etwa 1,1 Billionen US-Dollar. Der Online-B2B-Handel soll demnach in den USA in den kommenden fünf Jahren im Schnitt um mehr als zehn Prozent pro Jahr zulegen. Bereits jetzt ist sein Volumen doppelt so hoch wie der E-Commerce im Bereich Business-to-Consumer. Kein Wunder also, dass immer mehr Unternehmen ihre eigenen B2B-Marktplätze entwickeln.
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