Juni 2019
Autorin: Sarah Sommer, wortwert
Wo liegt noch gleich Harsewinkel? Die Kleinstadt im ostwestfälischen Münsterland ist nicht jedem sofort ein Begriff. So ist es auch mit vielen anderen Standorten des Weltkonzerns von dort: Landmaschinenhersteller Claas ist mit mehr als 11.000 Mitarbeitern und fast vier Milliarden Euro Umsatz der weltweit viertgrößte Produzent von Mähdreschern, Traktoren, Ballenpressen und anderem land- wirtschaftlichem Hightechgerät. Das Unternehmen hat einen Exportanteil von rund 75 Prozent, betreibt Produktionsstätten und Niederlassungen in Europa, Russland, Amerika, China und Indien. Viele Standorte liegen in naturgemäß ländlichen Regionen: Das Unternehmen ist auch weit jenseits der großen Weltwirtschaftszentren vertreten, etwa auf den Marshallinseln, auf der mikronesischen Insel Guam, in der Mongolei, auf Haiti und in Togo. Zwischen dem Arbeitsalltag der 2.300 Mitarbeiter im Stammwerk in Harsewinkel und dem Alltag der Mitarbeiter an vielen anderen Standorten liegen buchstäblich Welten.
Modernes Familienunternehmen
Gemeinsame Werte weltweit leben
Beim Landmaschinenhersteller Claas arbeiten rund 11.000 Menschen aus den unterschiedlichsten Kulturen und Regionen der Welt zusammen. Ein Stück gemeinsame Identität liefert schon lange das internationale Mitarbeitermagazin, das in drei Sprachen übersetzt wird. Seit Kurzem ergänzt das Unternehmen das klassische Magazin durch eine Mitarbeiter-App, in der neben den Magazininhalten auch praktische Funktionen Platz finden wie der Zugriff auf lokale Kantinenpläne, auf das eigene Arbeitszeitkonto oder auf Kontakt- und Verfügbarkeitsdaten aller Mitarbeiter. So erreicht das Claas-Management auch diejenigen Mitarbeiter, die in ihrer täglichen Arbeit wenig Zeit vor einem Computerbildschirm verbringen. Mit besonders wichtigen Nachrichten meldet sich das Management per Push-Meldung direkt auf dem Smartphone.
CHANCENCHECK
Flurfunk 4.0
Diese aktuellen Trends der internen Kommunikation sollten Unternehmer kennen.
1. Print bleibt
Die klassische Mitarbeiterzeitschrift bleibt für viele Unternehmen wichtig – denn wo die gedruckte Zeitschrift des Arbeitgebers auf dem Couchtisch liegt, erreichen die Unternehmensbotschaften auch die Familie und das direkte Umfeld der Mitarbeiter.
2. Corporate Influencer kommen
Für Unternehmen wird es immer wichtiger, Mitarbeiter aktiv in die interne Kommunikation einzubinden, statt nur Informationen zu vermelden. Neue Formen der sozialen Medien erhalten über Social Intranets und interaktive App-Lösungen Einzug in die Unternehmen und übernehmen eine Funktion als Schnittstelle für Kommunikation, Kollaboration und Wissensmanagement.
3. Aufmerksamkeit ist knapp
Mitarbeitermedien stehen in Konkurrenz zu den vielen anderen Medien, die Mitarbeiter im Arbeitsalltag und privat nutzen. Inhalte müssen deshalb relevant sein für die einzelnen Mitarbeiter. Eine zeitgemäße „Verpackung“ der Inhalte wird immer wichtiger.
Erfolgsfaktor 1: Macht abgeben
Mit der klassischen zentralisierten Kommunikationsstrategie, die viele Unternehmen noch verfolgen, sei diese Herausforderung jedenfalls kaum zu schaffen, sagt Montua. Einfach nur Informationen aus der Unternehmenszentrale auf Deutsch und Englisch um die Welt zu schicken, reicht also nicht. „Viele Unternehmen hoffen nun darauf, dass neue Kommunikationstechnologien wie Social Intranet, mobile Mitarbeiter-Apps und Kollaborationstools die Herausforderungen der internationalen Mitarbeiterkommunikation lösen können“, berichtet sie aus dem Beratungsalltag. Und es stimmt: Durch solche Werkzeuge ergeben sich neue Möglichkeiten. „Aber in erster Linie braucht es eine ganzheitliche Strategie und die nötige Geduld, um wirksame Kommunikationsnetzwerke im Unternehmen aufzubauen.“
»Das internationale Printmagazin bleibt ein verbindendes Element: Egal, wo die Mitarbeiter leben, sie nehmen das Magazin mit nach Hause, zeigen es ihrer Familie.«
Wolfram Eberhardt,
Kommunikationschef des Landmaschinenherstellers Claas
Erfolgsfaktor 2: Gemeinsame Werte hervorheben
Bei Landmaschinenhersteller Claas setzt man auf gemeinsame Werte und Ziele als verbindendes Element. „Viele unserer Mitarbeiter kommen aus der Landwirtschaft oder aus landwirtschaftsnahen Familien. Auch wenn sie an sehr unterschiedlichen Standorten leben und arbeiten, ist das ein verbindendes kulturelles Element“, sagt Kommunikationschef Wolfram Eberhardt. Claas’ White-Collar-Worker, also Büroangestellte, die keinen direkten persönlichen Bezug zur Landwirtschaft haben, fühlten sich dem gemeinsamen Ziel aber ebenso verpflichtet, erklärt Eberhardt. „Wir arbeiten in einer Industrie, die das Ziel hat, die Menschheit mit Nahrungsmitteln zu versorgen“, sagt er. „Bis 2050 müssen wir rund neun Milliarden Menschen auf dieser Welt satt bekommen.“ Viele seiner Kollegen finden es wichtig, mit ihrer Arbeit auf dieses Ziel hinzuarbeiten und etwas zu bewirken: sei es durch die Entwicklung und Forschung zu Hightechlandmaschinen, sei es durch die Entwicklung regionaler Lösungen für Landwirte. An allen Standorten legt das Unternehmen Wert darauf, Mitarbeiter langfristig zu binden. Eine so dezentrale Organisation produziere unweigerlich „Zentrifugalkräfte“, weiß Eberhardt. Will sagen: Wenn jeder zehnte Mitarbeiter einen chinesischen Pass hat, kann man nicht die Kommunikation allein aus der Firmenzentrale in Harsewinkel gestalten und steuern.
Erfolgsfaktor 3: Neue Technologien nutzen
Eines der wichtigsten Tools für die Umsetzung der internationalen, interaktiven Mitarbeiterkommunikation bei Claas ist das klassische Mitarbeitermagazin, das aber in mehrere Sprachen übersetzt wird. „Das Printmagazin ist ein verbindendes Element: Egal, wo die Mitarbeiter leben, sie nehmen das Magazin mit nach Hause, zeigen es ihrer Familie. Es liegt auf dem Couchtisch, erreicht alle Generationen.“ Ähnlich wie viele Unternehmen, in denen der Anteil der mobil arbeitenden Angestellten hoch ist und nicht alle Kollegen regelmäßig am Computer oder Laptop arbeiten, setzt Claas zudem auf die neuen Möglichkeiten der mobilen Kommunikation: Gemeinsam mit der Belegschaft hat die Unternehmenskommunikation eine eigene App entwickelt. Damit haben alle Mitarbeiter weltweit Zugriff auf Kontaktdaten ihrer weltweiten Kollegen. Sie können Informationen und Dokumente über die App austauschen, ihre eigenen Arbeitszeitkonten und Gehaltsabrechnungen kontrollieren, den lokalen Kantinenplan abrufen. „Die App ist zudem nahtlos verknüpft mit unserem Content-Management-System“, berichtet Eberhardt. Die Kommunikationsprofis und Manager in der Unternehmenszentrale, aber auch die aus den regionalen Niederlassungen können dort Inhalte einspielen, die für ihre Mitarbeiter relevant sind. Wichtige Nachrichten der Unternehmensleitung kommen per Push-Nachricht auf jedes angeschlossene Mobiltelefon. Die App sei eine Möglichkeit, die Unterschiede zwischen den White-Collar- und den Blue-Collar-Angestellten zu reduzieren, also zwischen Büroarbeitern und den Angestellten in der Produktion und „im Feld“. Auf einen ähnlichen Ansatz setzen Großkonzerne wie die Deutsche Bahn und die Lufthansa, die ähnliche Apps entwickeln wie das Familienunternehmen Claas.
Alles digital
Neue Technologien konsequent nutzen
Beim Automatisierungs- und Steuerungstechnikunternehmen Festo verbindet das Kommunikationsteam die Vorteile der klassischen Mitarbeiterzeitschrift mit den Vorteilen der interaktiven und mobilen Kommunikation: Bereits im Jahr 2017 startete Festo das internationale digitale Mitarbeitermagazin people.net. Ziel ist es, die rund 20.000 Mitarbeiter weltweit schneller über unternehmensrelevante Neuigkeiten zu informieren und sie durch unterhaltende Elemente stärker in die Kommunikation einzubinden. Mitarbeiter können soziale Formate wie Blogs und Kommentarfunktionen, interaktive Umfragen und Videoberichte nutzen und sich Inhalte individuell nach ihren Interessen zusammenstellen.
Erfolgsfaktor 4: Lokale Niederlassungen aktiv einbinden
Zu dem Familienunternehmen passe die direkte Art der Kommunikation ohne große Umwege sehr gut, findet Eberhardt. Um die App noch besser an lokale Gegebenheiten anzupassen und sie für die Mitarbeiter möglichst relevant zu machen, plant er in den nächsten Monaten lokale Workshops, in denen Mitarbeiter Wünsche und Kritik zu den Funktionen äußern können. Ein betriebliches Vorschlagswesen soll ebenso integriert werden. Dennoch bleibe auch der persönliche Kontakt im echten Leben wichtig: Für die Entwicklung von Zukunftsthemen rund um die Digitalisierung hat Claas ein „Greenhouse“ eingerichtet, das als Coworking-Space für Mitarbeiter aus aller Welt dient, die sich zu Digitalisierungsthemen austauschen.
Neue digitale Kommunikationswerkzeuge wie die Claas-App können also eine wertvolle Ergänzung zu etablierten Tools wie dem Mitarbeitermagazin und zur klassischen Face-to-Face-Kommunikation sein – sie sind aber kein Ersatz. „Der digitale Wandel wird von Mitarbeitern eingefordert“, sagt Philipp Bahrt, Experte für interne Kommunikation der SCM School for Management and Communication. „Sie wollen schnell und effizient kommunizieren und sich selbst auch aktiv in Debatten und Entscheidungen im Unternehmen einbringen.“ Statische Elemente wie Mitarbeiterporträts, einordnende Erklärtexte zu aktuellen Trends und analytische Beiträge, wie sie in klassischen Mitarbeitermagazinen üblich sind, bleiben dabei wichtig, haben Bahrt und Kollegen in ihren Studien immer wieder herausgefunden. „Aber die neuen digitalen Technologien bieten die Möglichkeit, diese Inhalte noch viel genauer auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter anzupassen und diese aktiver einzubinden“, sagt Bahrt.
SOFTWARE
Nützliche Helfer für Kommunikatoren
Es muss nicht immer gleich die aufwendig entwickelte eigene Mitarbeiter-App sein: Die folgenden Kommunikationstools helfen Unternehmen dabei, die internationale Mitarbeiterkommunikation interaktiver zu gestalten.
Social Intranet
Die klassischen Intranetlösungen werden zunehmend von Social Enterprise Networks abgelöst. Der Vorteil: Mitarbeiter können eigene Inhalte produzieren und sich so aktiver in die Kommunikation einbringen. Bekannte Anbieter entsprechender Plattformen für unternehmensinternen sozialen Austausch auch für kleinere und mittelständische Unternehmen sind etwa Yammer, Sharepoint, Bitrix24 oder Viadesk.
Mitarbeiter-Chats
Chat- und Messenger-Programme wie Slack, Google Hangouts, Microsoft Teams/Microsoft 365 oder Circuit eignen sich vor allem, um den klassischen E-Mail-Verkehr zu reduzieren und die Kollaboration in standort- und abteilungsübergreifenden Teams zu fördern. Neben Chats bieten sie meist auch Funktionen für Videokonferenzen, Dokumentenaustausch und Bildschirmübertragung.
Projektmanagement-und Kollaborations-Apps
Apps zur Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit helfen dabei, Aufgaben, Workflows und Projektpläne für alle Mitarbeiter zugänglich zu machen und gemeinsame, standortübergreifende Projekte zu erleichtern. Trello, Stackfield, Wrike und Asana sind nur einige von vielen Angeboten auf dem Markt für Projektmanagementsoftware.
Erfolgsfaktor 5: Feedbackkultur pflegen
Das sieht auch Petra Gompper so. Die Digitalexpertin leitet die Redaktion des internationalen Mitarbeitermagazins people.net der Festo AG. Der Hersteller von Automatisierungs- und Steuerungstechnik mit Stammsitz in Esslingen am Neckar hat seine internationale Mitarbeiterzeitschrift im Jahr 2017 vollständig digitalisiert.
Das Unternehmen wollte damit vor allem die Inhalte schneller und besser an die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter an verschiedenen Standorten anpassen. Das Magazin setzt weiter auf gut erzählte Geschichten und relevante Informationen aus allen Unternehmensbereichen. „Durch die digitale Version der Mitarbeiterzeitschrift können wir die Inhalte aber nun noch besser auf die verschiedenen Zielgruppen zuschneiden und sie noch besser erreichen“, erklärt Gompper. Mitarbeiter können nun zum Beispiel gezielt nach Beiträgen zu bestimmten Themen und Personen suchen. Sie können an Quizspielen und Umfragen teilnehmen, Videos anschauen und Fachartikel und Meldungen kommentieren.
Internationale Kommunikation ist Chefsache
Rittal ist ein Systemanbieter für Schaltschränke und Stromverteilung und mit 9.300 Mitarbeitern das größte Unternehmen in der international aufgestellten Friedhelm Loh Group. Das Mitarbeitermagazin „Rundblick“ – so heißt es auch in der englischen Ausgabe – erscheint seit 1957 zweimal im Jahr. Auch im gruppenweiten Intranet und einem internen Blog für aktuelle Themen wird auf Deutsch und Englisch kommuniziert. Das wirksamste Mittel, um Mitarbeiter international einzubinden, ist aus Sicht von Kommunikationschefin Regina
Wiechens-Schwake allerdings die globale Führungskräftekommunikation. Einmal im Monat spricht Rittal-CEO Dr. Karl-Ulrich Köhler mit den Führungskräften weltweit in einer Video-Webkonferenz. Damit setzt er regelmäßig Impulse für den Dialog in der jeweiligen Muttersprache und die kulturell adäquate Vermittlung wichtiger Unternehmensthemen direkt durch die Führungskräfte vor Ort.
Service & Kontakt
Gut zu wissen
Aktuelle Studien und Trends der internen Kommunikation veröffentlicht die School for Communication and Management in Berlin:
www.scmonline.de
Die Studie „Die Zukunft des Mitarbeitermagazins 2019“ steht kostenlos als Download bereit unter:
www.kammanrossi.de
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