Viele Wege zum Ziel?
Deutschland gilt in Sachen Industrie 4.0 als Vorreiter. Doch das bedeutet nicht, dass die Digitalisierung der Produktion überall nach deutschem Vorbild abläuft. Wer im Ausland mit dem Thema Geld verdienen will, sollte die Eigenheiten der Märkte kennen.
Februar 2018
Autoren: Peter Buerstedde, Eva Korfanty-Schiller, Michael Sauermost, Robert Scheid, Florian Steinmeyer, Anna Westenberger
In der Fabrik der Firma Rold am Rande von Mailand hat die Zukunft Einzug gehalten. Mitarbeiter überwachen die Fertigung mit Smartwatches, Tablets und Dutzenden Flachbildschirmen – in Echtzeit, denn alle Maschinen sind voll vernetzt. Der südkoreanische Mischkonzern Samsung hat die Produktionslinie im vergangenen Jahr hochgerüstet. Und die so entstandene Rold Smartfab ist keineswegs eine Technikspielerei, sondern harte Betriebswirtschaft.
Denn der Betrieb der Familie Rocchitelli, in dem seit dem Jahr 1963 Komponenten für Hersteller von Haushaltsgeräten wie Bosch, Whirlpool und Electrolux entstehen, hatte wie viele italienische Mittelständler in den vergangenen Jahren zunehmend mit Konkurrenz aus Deutschland, China und den USA zu kämpfen. Rold überdachte also seine Produktionsmodelle, wollte Anlagenleistung und die Effizienz der Produktion verbessern. Die Familie entschied sich zum Befreiungsschlag – und setzte auf Industria 4.0.
Ergebnis: Die Produktion wurde deutlich effizienter, legte um sechs Prozent zu, der Umsatz stieg um fast eine halbe Million Euro auf jetzt 42 Millionen Euro pro Jahr. Rold hat etwa 20 neue Mitarbeiter eingestellt und beschäftigt inzwischen mehr als 230 Menschen. „Es war ein Muss“, sagt Chief Innovation Officer Paolo Barbatelli, der seine Erfahrungen heute an andere Mittelständler weitergibt. „Einen Toten kann man nicht mehr digitalisieren.“
Sensibilität ist gefragt: Die Vision einer Zusammenarbeit von Mensch und Roboter in der verarbeitenden Industrie – 2017 vorgeführt auf dem CeBIT-Stand des Deutschen Forschungszentrums für Künstliche Intelligenz.
© dpa
Das Beispiel zeigt, dass die Vernetzung der Produktion vielerorts in vollem Gange ist. Die Ziele seien dabei weitgehend identisch, sagt Henning Kagermann, ehemaliger SAP-Chef und heute Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften. Die Fertigung soll durch digitale Prozesse effizienter werden, transparenter und weniger fehleranfällig. Der Weg zu diesen Zielen jedoch kann je nach Land völlig anders aussehen. „Wir sind bei der Entwicklung des Konzepts Industrie 4.0 bewusst von deutschen Stärken ausgegangen“, sagt Kagermann, der als einer der Erfinder des Schlagworts gilt.
Deutscher Fokus auf Maschinenbau
Die in Deutschland starken Industrieausrüster nutzen Industrie 4.0 daher auch als Markenzeichen für ihre Ingenieurskunst – was gleichzeitig den Blick auf Maschinenbau, Automation und die smarte Fabrik lenkt. Wer weltweit mit der Digitalisierung der Produktion Geschäfte machen will, darf jedoch nicht davon ausgehen, dass die Bedürfnisse überall gleich sind. International ist Industrie 4.0 als Gesamtvision der digitalen Wirtschaft oft weiter gefasst – und jedes Land hat seine eigenen Stärken und Schwächen.
Einige Länder seien Deutschland beim Endkundengeschäft deutlich voraus, sagt Kagermann. Nachholbedarf sieht er zudem beim Thema künstliche Intelligenz (KI), bei dem die USA und wahrscheinlich auch China einen Vorsprung hätten. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen deutsche Firmen bei der Entwicklung von Industrie-4.0-Lösungen daher über den Tellerrand schauen.
Markets International hat sich vier Länder vorgenommen, die exemplarisch für die unterschiedlichen Rahmenbedingungen und Ansätze im Bereich Industrie 4.0 stehen.
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