Februar 2019
Autor: Rainer Jaensch
GTAI-Korrespondent Rainer Jaensch fährt mit der U-Bahn zur Arbeit. Sein Schnappschuss gewährt einen Einblick ins bunte Treiben in Neu-Delhi. © GTAI/Rainer Jaensch
Die Verwaltung der indischen Küstenstadt Kochi lässt sich einiges einfallen, damit die Menschen die Metro benutzen. Sie hat zum Beispiel 78 Boote gekauft, um die Bewohner der umliegenden Inseln abzuholen und sie bis zum Metronetz zu bringen.
Mit dem Boot zur Metrostation: Überall in Indien forcieren die Behörden die Nutzung der Stadtbahnen. Pune, die aufstrebende Industriestadt südöstlich von Mumbai, ist mittlerweile zu einer Vier-Millionen-Metropole geworden. Auch fast 400 deutsche Firmen haben das Potenzial der Stadt erkannt: Lufthansa fliegt täglich von Frankfurt dorthin. Im August 2018 hat ein Joint Venture aus Siemens und der Tata-Gruppe den Auftrag für die Finanzierung, den Bau und Betrieb der Stadtbahnstrecke 3 erhalten. Die Stadtbahn wird auf einer Länge von 23 Kilometern auf einer erhöhten Trasse verlaufen und 1,2 Milliarden US-Dollar kosten.
Im fast fünfmal größeren Delhi bietet sich ein ähnliches Bild: Während der anschwellende Strom an Autos, Rikschas und Bussen die Straßen verstopft und seine Abgase die Gesundheit der Menschen beeinträchtigen, transportieren unter der Erde moderne U-Bahnen jeden Tag Millionen von Passagieren. Obwohl die Stadtbahn in Delhi erst seit dem Jahr 2002 fährt, gehört die indische Hauptstadt mit einem U- und S-Bahn-Netz von mehr als 300 Kilometern mittlerweile zu den größten Metrostädten der Welt. Nicht nur in der Hauptstadt können sich die Menschen von Stadtbahnen transportieren lassen, sondern auch in acht weiteren indischen Großstädten wie Bengaluru, Mumbai, Chennai und Hyderabad. In Ahmedabad, Nagpur, Pune und Noida werden momentan Stadtbahnen gebaut, in 16 weiteren sind Metroprojekte in Planung.
»Der Trend zur U- und S-Bahn ist hier nicht mehr aufzuhalten.«
Rainer Jaensch, GTAI-Korrespondent in Neu-Delhi
Der Handlungsdruck ist groß
Fakt ist: Die Regierung meint es ernst mit dem Ausbau des Metronetzes und empfiehlt für Städte mit mehr als zwei Millionen Einwohnern in ihrer Metro Rail Policy ein Stadtbahnnetz oder Alternativen. Der Handlungsdruck ist offensichtlich: Indische Metropolen gehören zu den Großstädten mit den weltweit längsten Pendlerschlangen und sind Spitzenreiter in Sachen Luftverschmutzung. Mit der zunehmenden Urbanisierung – das Gros der Landbevölkerung drängt in die Städte – dürften die Probleme noch gravierender werden.
Doch: Die Finanzierung der kapitalintensiven Projekte ist herausfordernd. Neben der Zentralregierung, die in ihren Budgets bisher jährlich umgerechnet rund zwei Milliarden US-Dollar für Metroprojekte bereitstellt, kommt eine finanzielle Unterstützung der jeweiligen Bundesstaaten hinzu. Zu den wichtigen Geldgebern zählen auch multilaterale Finanziers, vor allem die Japan International Corporation Agency und die European Investment Bank. Letztere hat sich bereits in Lucknow und Bengaluru engagiert und schaut nach weiteren Vorhaben. Private Investoren sind bei drei Public-Private-Partnership- (PPP-)Projekten dabei, unter anderem beim Stadtbahnnetz in Hyderabad: mit einer Länge von 45 Kilometern das weltweit größte PPP-Vorhaben dieser Art.
Kilometer lang ist die Metrostrecke in Delhi, auf der künftig Züge ohne Fahrer verkehren sollen. Auch in Mumbai, Bengaluru und Hyderabad sind ähnliche Projekte geplant.
war das Jahr, in dem in Kolkata die erste U-Bahn Indiens gebaut wurde. Heute umfasst das Stadtbahnnetz im gesamten Land
rund 500 Kilometer.
Kilometer Stadtbahnstrecke befinden sich in Indien gerade im Bau oder sind geplant. Eine der größten Netzerweiterungen erhält Chennai mit einer Strecke von 108 Kilometern.
Momentan sind in neun Großstädten Metrolinien auf einer Strecke von rund 500 Kilometern in Betrieb. Ungefähr dieselbe Länge ist in Bau, mehr als 900 Kilometer stehen noch auf der Planungsliste. Davon wird ein erheblicher Teil unterirdisch verlaufen – ein vielversprechendes Geschäft also für Spezialisten für Tunnelbohrmaschinen wie Herrenknecht. Das bestätigt auch Manoj Garg, Geschäftsführer von Herrenknecht India. „Die Aufträge für Phase zwei der Bengaluru-Metro und für das zweite Paket bei der Pune-Metro dürften bald erteilt werden. Ende 2019 können Phase vier der Delhi-Metro und Phase zwei der Chennai-Metro folgen.“
Trotz wachsender Konkurrenz, vor allem aus China, ist der deutsche Maschinenbauer Marktführer in Indien und hat in den vergangenen zwei Jahren Tunnel für die U-Bahnen in Chennai, Kolkata, Delhi und Bengaluru gebohrt. Aktuell arbeitet er an den Metros in Ahmedabad und Mumbai.
Nicht nur Herrenknecht ist im indischen Metrobau aktiv. Vossloh beispielsweise lieferte Weichen und Schienenbefestigungssysteme für die U-Bahn in Delhi. Zudem hat ein Konsortium rund um die Deutsche Bahn den Auftrag für Managementdienste beim Bau der Metrolinie 4 in Mumbai erhalten.
Doch manche Strecken sind eben auch nicht voll ausgelastet. Deswegen halten sich private Investoren bei PPP-Projekten häufig zurück. Fehlende Finanzierung könnte also dazu führen, dass nicht alle Stadtbahnvorhaben wir geplant durchgeführt werden können. Dennoch: Der Trend zur U- und S-Bahn ist wohl nicht mehr aufzuhalten.
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