»Wachstum ist nur mit Frauen möglich.«
Interview mit Stephanie Bschorr, Präsidentin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen (VdU) und geschäftsführende Gesellschafterin der Berliner Wirtschaftsprüfung HTG mit mehr als 100 Mitarbeitern.
August 2017
In Deutschland gilt seit Kurzem ein Gesetz, das durch mehr Transparenz die durchschnittliche Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen verringern soll. Unterstützen Sie dieses Gesetz?
Wir unterstützen die Zielsetzung dieses Gesetzes, halten die vorgesehenen Maßnahmen allerdings nicht für zielführend. Frauen verdienen in der Tat im Durchschnitt 21 Prozent weniger als Männer. Aber das ist das Mittel der Bruttostundenlöhne aus allen Branchen und Berufen, in das der schlecht bezahlte Minijob ebenso wie der gute Verdienst im Management einbezogen wird, um das Ganze dann nach Geschlechtern zu vergleichen. Weil Frauen viel häufiger im Niedriglohnsektor oder in Teilzeit arbeiten, während Männer in den Hochlohnbranchen und in Führungspositionen überrepräsentiert sind, kommt die hohe Differenz zustande.
»Ich habe es niemals als Nachteil empfunden, eine Frau zu sein, sondern eher als Vorteil – sei es bei der Führung von Mitarbeitern oder bei der Anpassung an neue Situationen.«
Anika Christophe, General Manager, Deutsche Leasing China
Das heißt, das eingeführte Auskunftsrecht zum Gehalt oder die empfohlenen Entgeltanalyseverfahren helfen nicht weiter?
Wir brauchen stattdessen viel mehr Frauen in Topjobs, vor allem im MINT-Bereich und in den Spitzenetagen der deutschen Wirtschaft, damit können wir den Gender Pay Gap senken.
Der VdU setzt sich seit Jahren für mehr Frauen in den Führungsebenen der Wirtschaft ein. Warum ist es im Interesse von Unternehmen, hier gezielt mehr Frauen zu gewinnen?
Nie war das Potenzial an hervorragend ausgebildeten Frauen größer als heute. Diese Frauen sind für jedes Unternehmen ein Gewinn – ganz besonders in Führungsfunktionen. Gemischte Führungsteams sind in unserer zunehmend global vernetzten und diversifizierten Wirtschaftswelt besser aufgestellt, weil sie viele verschiedene Kompetenzen, Fähigkeiten und Erfahrungen bündeln. Es sind heute vor allem kooperative und integrierende Führungseigenschaften gefragt, die auf mehr Flexibilität und Eigenverantwortung in flacheren Hierarchien setzen.
Zahlen & Fakten
Deutschland belegt im Ranking des Global Gender Gap Index des Weltwirtschaftsforums Rang 13. Anderswo sind die Gehaltsunterschiede zwischen Mann und Frau geringer, etwa in Island, Finnland, Norwegen und Schweden (Rang 1 bis 4) oder in der Schweiz (Rang 11).
Die meisten Führungsfrauen gibt es laut Wirtschaftsprüfung Grant Thornton in der Tourismusbranche (37 %). Immerhin 29 % der Führungskräfte in der Logistik sind Frauen, gefolgt von den Branchen IT, Bildungs- und Sozialwesen sowie Cleantech (je 28 %).
Welchen Einfluss haben aus Ihrer Sicht globale Trends wie die Digitalisierung auf die Entwicklung der Gleichberechtigung im Geschäftsleben?
Die Digitalisierung bietet ohne Zweifel große Chancen gerade auch für Frauen und könnte einen Schub für mehr wirtschaftliche Teilhabe bedeuten. Aber wir müssen sicherstellen, dass Frauen und Mädchen auch den entsprechenden Zugang zu digitaler Bildung bekommen, damit sie nicht nur als Nutzerinnen, sondern vor allem auch als IT-Entwicklerinnen aktiv gestaltenden Einfluss nehmen können. Hier klafft eine besorgniserregende Lücke zwischen den Geschlechtern, die sich unbedingt schließen muss.
Die digitale Inklusion war eines Ihrer Schwerpunktthemen auf dem Women20 Summit Ende April in Berlin. Die mediale Beachtung war enorm – gab es auch konkrete Beschlüsse?
Ja! Ein großer Erfolg der Women20 ist schon jetzt die vom VdU mitinitiierte gemeinsame Erklärung 14 namhafter Großkonzerne, die sich darin verpflichten, mehr Frauen in ihren eigenen Reihen zu fördern, aber auch mehr Dienstleistungen oder Rohstoffe von frauengeführten Unternehmen zu beziehen und damit das weibliche Unternehmertum zu fördern.
»Ich habe äußerst positive Eindrücke in der Golfregion gesammelt und hatte immer das Gefühl, man begrüßt es, der Vertreterin einer deutschen Bank zu begegnen.«
Eva Steinhaus, Director Export & Agency Finance, Commerzbank AG Dubai
Auch die Politik will Frauen künftig stärker fördern, oder?
Eine weitere konkrete Maßnahme ist die Initiative der US-Delegation der G20, einen gemeinsamen Fonds unter der Führung der Weltbank einzurichten, mit dem die selbstständige Tätigkeit von Frauen in Schwellen- und Entwicklungsländern gefördert werden soll. Die Idee des Fonds, der aus öffentlichen und privaten Geldern gespeist werden soll, ist auf dem Podium des Women20-Dialogforums mit Bundeskanzlerin Angela Merkel, der IWF-Chefin Christine Lagarde, First Daughter Ivanka Trump und Königin Maxima der Niederlande diskutiert worden.
Welche Erfahrungen haben Sie selbst als Geschäftsfrau weltweit gemacht?
Ich denke, die Welt hat erkannt, dass weltweites Wirtschaftswachstum nur mit Frauen möglich ist. Umso bemerkenswerter ist es, gelegentlich immer noch auf überholte Klischees zu stoßen. Auf einer internationalen Tagung hat meine Mitarbeiterin mich einem italienischen Wirtschaftsprüfer als Ihre Chefin vorgestellt. Seine Antwort: „With this blond curly hair – how can she be your boss?“ Aber das ist selbstverständlich die große Ausnahme!
Foto: Stephanie Bschorr vertritt 1.800 von Frauen geführte, vor allem mittelständische Unternehmen. Sie erwirtschaften zusammen 85 Milliarden Euro pro Jahr. | © picture alliance/dpa
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