Was bleibt
Russland bereitet sich seit Jahren auf die Fußballweltmeisterschaft vor. An elf Spielorten wurden neue Sportarenen gebaut oder bestehende aufwendig renoviert.
Nach der Weltmeisterschaft (WM) könnten vor allem Stadien in kleineren Städten zur Kostenfalle werden.
Juni 2018
Autoren: Boris Alex und Hans-Jürgen Wittmann
Das Luschniki-Stadion in Russlands Hauptstadt Moskau hat viele bewegte Jahre hinter sich. Seit 1956 dient die Arena als Austragungsort für internationale Sportwettbewerbe. Der Höhepunkt: die Olympischen Sommerspiele 1980. Diesen Sommer – und damit 62 Jahre nach der Eröffnung des Stadions – stehen das Auftakt- sowie das Finalspiel der ersten Fußball-WM auf russischem Boden an.
Wenn die vier Wochen Ausnahmezustand vorbei sein werden, finden sich in Moskau genügend Gelegenheiten, die Arena mit ihren rund 80.000 Sitzplätzen auch weiterhin zu füllen. Doch die russischen Provinzstädte stehen vor der Frage: Was tun mit den überdimensionierten Arenen? Zwar gibt es bereits Pläne für eine Nutzung nach dem sportlichen Großereignis. Doch wie die hohen Kosten für den Betrieb und den Unterhalt der WM-Stadien gedeckt werden können, ist meist noch unklar. Schätzungen zufolge belaufen sie sich je nach Stadiongröße auf jährlich 4,5 bis 5,7 Millionen Euro.
Nach Hochrechnungen des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK) haben deutsche Unternehmen bislang gut an dem etwa zwölf Milliarden US-Dollar teuren Fußballfest verdient. DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier schätzt, dass Anbieter aus den Bereichen Logistik und Infrastruktur zusätzliche Aufträge mit einem Volumen von zwei bis drei Milliarden Euro an Land ziehen konnten. Doch wie sieht es mit den Geschäftschancen nach der WM aus? Der deutsche Stadionentwickler Arenacom ist an mehreren Projekten in Russland beteiligt. CEO Thomas Speck rät Anbietern von Stadionmanagementlösungen, die Kostenstruktur im Auge zu behalten: „Es gibt Pläne für eine Nutzung der Stadien nach der WM. Deutsche Firmen sollten jedoch die begrenzten finanziellen Möglichkeiten der Spielorte berücksichtigen.“ Vor allem in kleineren Städten fehlen den Stadionbetreibern schlicht die finanziellen Mittel, um größere Summen in Nachnutzungskonzepte zu investieren.
In den russischen Metropolen sieht es da schon etwas besser aus. Fünf der elf WM-Städte beheimaten einen Verein aus der russischen Premjer-Liga. In Moskau und Sankt Petersburg werden wie bisher ortsansässige Fußballklubs die Stadien als Spielstätten nutzen. In der 2014 neu eröffneten Otkrytije Arena trägt Spartak Moskau seine Heimspiele aus. Das im Frühjahr 2017 fertiggestellte Sankt-Petersburg-Stadion beheimatet den Lokalmatador FK Zenit. Zudem werden in der Arena auf der Krestowski-Insel vier Spiele der Europameisterschaft 2020 ausgetragen. Im Moskauer Olympiastadion Luschniki, das nach umfangreichen Umbauarbeiten im November 2017 wiedereröffnet wurde, trägt Russlands Nationalmannschaft, die Sbornaja, ihre Heimspiele aus.
In Kasan nutzt der heimische Erstligist FK Rubin die bereits 2013 eröffnete Arena. Daneben sollen weitere Kultur- und Sportveranstaltungen für eine Auslastung der Sportstätte sorgen. Das komplett modernisierte Zentralstadion von Jekaterinburg soll nach der Fußball-WM als Austragungsort für die Heimspiele des lokalen Clubs FK Ural sowie für Leichtathletikwettkämpfe, Konzerte und Ausstellungen dienen. In Rostow am Don haben die Verantwortlichen nicht nur ein neues Fußballstadion für den hiesigen Verein FK Rostow errichtet, sondern gleich ein ganzes Sportareal mit Eisstadion, Handballarena und einem Ausstellungszentrum.
Das Fischt-Stadion im russischen Sotschi. Erbaut für die 22. Olympischen Winterspiele 2014, erhielt es im Sommer 2015 eine Komplettrenovierung – um als Fußballstadion für den Fifa Confed Cup und die Weltmeisterschaft wiederaufzuerstehen. Der Umbau gilt als Vorbild für die spätere Umnutzung anderer Stadien.
©Li Ming Xinhua/eyevine/laif
Staatliche Förderung reicht nicht aus
Ganz anders stellt sich die Situation in den sechs kleineren Austragungsorten dar. Dort werden die meist überdimensionierten Spielstätten schnell zur Kostenfalle. Betrieb, Unterhalt, Verwaltung – all das muss organisiert und bezahlt werden. Dabei erhalten die Regionen zwar finanzielle Unterstützung aus dem föderalen Topf. Doch diese reicht bei Weitem nicht aus, um den fortlaufenden Betrieb sicherzustellen.
Präsident Wladimir Putin hat das Sportministerium im Oktober 2017 angewiesen, ein detailliertes Konzept auszuarbeiten, was mit den Stadien nach dem Großereignis geschehen soll. Dabei soll der Fokus auf Fußballzentren für Kinder gelegt werden, um sie für den in Russland im Vergleich zu Eishockey nicht ganz so populären Ballsport zu begeistern.
In kleineren Austragungsorten ähneln sich die Konzepte für die künftige Nutzung der Stadien stark. Nach der WM werden zunächst die Sitzplätze in den Arenen verringert, um die Betriebskosten zu senken. In Kaliningrad beispielsweise soll der Zweitligist FK Baltika seine Heimspiele dann statt vor 45.000 Zuschauern nur noch vor 30.000 Gästen austragen. Die Stadien in Saransk, Samara, Wolgograd und Nischni Nowgorod werden ebenfalls deutlich verkleinert. Auch durch andere bauliche Maßnahmen sollen die laufenden Kosten gesenkt werden. In Samara gibt es etwa statt Naturrasen bald einen pflegeleichteren Kunstrasen. Die Arena in Wolgograd soll als zentrale Sportstätte der Stadt dienen, inklusive Schwimmbad und Leichtathletikstadion.
Vorbild Sotschi
Für die Zeit nach der Fußball-WM setzen die regionalen Stadionbetreiber zudem auf eine Mischnutzung der Sportstätten. In den Arenen sollen künftig Großveranstaltungen wie Leichtathletikwettbewerbe, Konzerte und Ausstellungen für einen regelmäßigen Besucherstrom sorgen. Die Stadien könnten aber auch für andere kommerzielle Zwecke zum Einsatz kommen, müssten hierzu allerdings entsprechend umgebaut werden. In Saransk sollen beispielsweise Hotels, Restaurants, Sporthallen und Fitnesscenter in einen Teil der Mordowia-Arena einziehen.
In Russland stellt sich die Frage nach der Nutzung von Sportstätten binnen weniger Jahre schon zum zweiten Mal. Bereits 2014 wurden in Sotschi die Olympischen Winterspiele ausgetragen. Schon damals diskutierten Politik und Wirtschaft, wie die extra hierfür errichteten Austragungsorte nach den Spielen genutzt werden können, zumal Sotschi als Sommerausflugsziel und weniger als Wintersportort bekannt ist. Angedacht war etwa, das Areal zu einem Innovations- und Start-up-Zentrum zu entwickeln. Aber diesen Plan verwarfen die Verantwortlichen aus Kostengründen frühzeitig. Nun soll der Ort als Trainingslager für die russische Nationalmannschaft dienen.
Das Olympiastadion von Sotschi, in dem lediglich die Eröffnungs- und die Schlusszeremonie der Winterspiele stattfanden, planten die Architekten bereits so, dass es auch als Fußballarena funktioniert. Im Sommer finden dort sechs WM-Partien statt. Der rund 40 Millionen Euro teure Umbau – unter anderem mussten das Dach entfernt und die Zahl der Sitzplätze erhöht werden – ist seit 2017 abgeschlossen. Den Fußballpraxistest hat das Stadion bereits bestanden: Im letzten Jahr war die Arena Austragungsort von vier Spielen des Fifa-Konföderationen-Pokals.
Der Bolschoi-Eispalast, in dem die olympischen Eishockeyturniere stattfanden, dient seit 2014 als Heimspielstätte des lokalen Klubs HK Sotschi und wird für Konzerte genutzt. Die übrigen vier Arenen der Winterspiele sind zum Teil so konzipiert, dass sie nach den Spielen theoretisch abgebaut und in einer anderen Stadt wieder aufgebaut werden können. Bislang ist dies aber nicht geschehen. Die Gebäude werden weiterhin als Mehrzweckhallen für Sport- und Kulturveranstaltungen genutzt, sind aber bei Weitem nicht ausgelastet. Damit die WM-Stadien nicht ein ähnliches Schicksal ereilt, hoffen die Betreiber auf Investoren mit Geld und Ideen, wie die Arenen künftig genutzt und vor allem unterhalten werden können, wenn der Fußballzirkus weitergezogen sein wird.
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