Entscheidendes Element
Wasserstoff ist das Element der Zukunft und soll Wind- sowie Sonnenstrom speichern. Die Strategien für die Transformation sind von Land zu Land anders. Wir stellen sie vor. Diesmal: Indien.
Juni 2022
Autor: Boris Alex
Aus Wasserstoff und CO2 lassen sich in der sogenannten Fischer-Tropsch-Synthese Diesel- und Ottokraftstoffe herstellen, die normale Pkw-Motoren verbrennen können. Nutzt man als Basis grünen Wasserstoff, werden herkömmliche Verbrenner klimaneutral. Indian Oil will auf dem Gelände seiner Raffinerie in Mathura eine solche Produktionsanlage für grünen Synthesesprit auf Wasserstoffbasis bauen. © picture alliance/NurPhoto/Mayank Makhija
Auf Indiens Straßen lässt sich die Wasserstoffzukunft schon heute erleben: Toyota hat im März 2022 sein Brennstoffzellenfahrzeug Mirai – das japanische Wort für Zukunft – in der Hauptstadt Neu-Delhi präsentiert. Der Autokonzern will testen, ob die Technologie auch mit den klimatischen Bedingungen auf dem Subkontinent zurechtkommt. Und wenn es nach der indischen Regierung geht, wird der für die Brennstoffzelle benötigte Wasserstoff künftig auch in Indien produziert – und zwar aus Wind- und Sonnenenergie, denn das Land will beim grünen Wasserstoff eine Vorreiterrolle einnehmen.
Die Chancen hierfür stehen gut: Indien zählt bei erneuerbaren Energien seit Jahren zu den dynamischsten Märkten weltweit. Solar- und Windkraft machten im Februar 2022 mit gut 90 Gigawatt fast ein Viertel der netzgebundenen Kapazitäten zur Stromerzeugung aus. Bis zum Jahr 2030 sollen es 430 Gigawatt werden, verkündete der indische Premierminister Narendra Modi. Mit billigem Strom aus heimischen Solar- und Windkraftanlagen will Indien grünen Wasserstoff zunächst für den eigenen Bedarf, langfristig auch für den Export herstellen.
Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, denn noch gibt es keine Produktionskapazitäten in Indien. Damit sich das bald ändert, hat die Regierung ihre National Green Hydrogen Policy vorgestellt. Damit will sie den Unternehmen den Einstieg in die Wasserstoffwirtschaft schmackhaft machen. So müssen Produzenten von grünem Wasserstoff und Ammoniak für den benötigten Strom aus erneuerbaren Energien 25 Jahre lang geringere Durchleitungsgebühren zahlen, wenn die Anlage vor dem 30. Juni 2025 in Betrieb geht. Mit dieser und weiteren Erleichterungen für Investoren sollen bis 2030 Produktionskapazitäten von jährlich fünf Millionen Tonnen grünem Wasserstoff entstehen. Das Forschungsinstitut Council on Energy, Environment and Water schätzt das Investitionspotenzial bis dahin auf 44 Milliarden US-Dollar. Die Brokerfirma Edelweiss beziffert es bis 2050 sogar auf bis zu 427 Milliarden US-Dollar.
Die ersten Projekte stehen bereits in den Startlöchern. Der indische Mischkonzern Reliance Industries baut zurzeit für acht Milliarden US-Dollar einen Industriepark, der die gesamte Wertschöpfungskette der erneuerbaren Energien abdecken wird. Eine Produktionsanlage für grünen Wasserstoff ist ebenfalls geplant. Reliance will die Herstellungskosten für ein Kilogramm Wasserstoff bis zum Jahr 2030 von derzeit knapp sechs auf zwei US-Dollar senken und damit eine Parität zum grauen Wasserstoff aus Kohle und Erdgas herstellen. Auch der staatliche Gaskonzern GAIL will in die Produktion von grünem Wasserstoff einsteigen und ab 2023 täglich 4,5 Tonnen davon herstellen. Die Unternehmen setzen darauf, dass wichtige Abnehmerbranchen von Wasserstoff wie die Düngemittel- oder Stahlindustrie bald dazu verpflichtet sind, einen Teil ihres Bedarfs aus grünem Wasserstoff zu decken, und dass dadurch die Nachfrage rasch steigt.
Allerdings fehlt es für die Massenproduktion noch an Elektrolyseuren. Um die Kapazitäten möglichst rasch auszubauen, will die Regierung Geräte mit 4.000 Megawatt im Ausland beschaffen. Damit Indien nicht dauerhaft auf Importe angewiesen bleibt, könnte die Herstellung von Elektrolyseuren in das Industrieförderprogramm Production Linked Incentives aufgenommen werden. Dabei erhalten Unternehmen einen finanziellen Bonus, wenn sie in Indien produzieren, sowie Subventionen für den Aufbau von Fertigungskapazitäten und andere Investitionserleichterungen. Auch hier stehen schon die ersten Projekte in den Startlöchern.
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