April 2020
Autorin: Marte van den Bosch
Hystock – ein Projekt des staatlichen Erdgasfernleitungsnetzbetreibers Gasunie – gilt in den Niederlanden als Energieprojekt der Zukunft. 5.000 Solarpanels wandeln Sonnenenergie in einer Power-to-Gas-Anlage in grünen Wasserstoff um. Bis zu 400 Kilogramm Wasserstoff produziert die Anlage täglich. Das so gewonnene Gas wird dann in einen Tankwagen gespeist und so auch zum Abnehmer transportiert. Ziel ist es, es später über die bestehende Erdgasinfrastruktur laufen zu lassen.
Hystock ist nur eines von zahlreichen Projekten, mit denen die Niederlande von der Erdgaswirtschaft auf grüne Wasserstoffwirtschaft umstellen wollen. Dafür setzen sich diverse Parteien mit verschiedenen Initiativen ein. Die Niederlande wollen ihren CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber dem Jahr 1990 nämlich um rund 49 Prozent senken. Dazu will die Regierung die Erdgasförderung bis spätestens 2030 stoppen und alle niederländischen Haushalte bis 2050 vom Erdgas entkoppeln.
Der niederländische König Willem-Alexander eröffnet die Wasserstoffanlage Hystock. Sie nutzt Ökostrom aus dem Netz, um Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zu trennen. © Patrick van Katwijk/dpa picture alliance
Als Energieträger der Zukunft spielt Wasserstoff dabei eine Schlüsselrolle. Die nötige Infrastruktur gibt es bereits, denn die bestehenden Gasleitungen eignen sich größtenteils auch für den Transport von Wasserstoff. Nur Anpassungen an Verdichterstationen und neue Gasanschlüsse sind notwendig. Gasunie plant, in Zukunft bis zu 90 Prozent der bestehenden Gasleistungen für den Wasserstofftransport zu nutzen. Aktuell stellt aber die Verfügbarkeit noch eine Hürde dar. „Wir erwarten, dass die Energieversorgung künftig zu mindestens 20 Prozent aus Wasserstoff besteht“, sagt Henk Abbing, CEO der Gasunie-Tochter Energystock, die sich auf Energiespeicherung spezialisiert hat.
Wasserstoff eignet sich zudem hervorragend als Langzeitspeicher für erneuerbare Energien, um beispielsweise Fluktuationen von Sonnen- oder Windenergie aufzufangen. Da die Niederlande bei der Energiewende stark auf Windenergie setzen, könnte hier ein perfektes Zusammenspiel gelingen.
»Wir erwarten, dass die Energieversorgung künftig zu mindestens 20 Prozent aus Wasserstoff besteht.«
Henk Abbing
CEO Energystock
Industrie steht im Fokus
Wasserstoff ist aktuell vor allem für die Industrie interessant. Durch die Nutzung von grünem Wasserstoff könnte sie ihren CO2-Ausstoß bedeutend vermindern. Konkrete Namen will Abbing zwar nicht nennen, aber Energystock habe bereits „mit verschiedenen Parteien Verträge unterzeichnet, die Wasserstoff an die Industrie liefern“. Darunter seien neue Player genauso wie große, etablierte Unternehmen.
Die Niederlande haben auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien viel aufzuholen. Im europäischen Vergleich hinkt das Land hinterher. Durch den Einsatz von Wasserstoff könnte die Wende leichter gelingen. Im Land gibt es bereits zwei größere Cluster, die sich dem Thema Wasserstoff widmen: in Südholland in der Nähe von Rotterdam und in der Provinz Gelderland rund um Arnheim. Über das ganze Land verteilt lassen sich Unternehmen durch regionale Initiativen und Projekte inspirieren. Schließlich sind die Niederlande nach Deutschland der größte Wasserstoffproduzent Europas: Jährlich werden etwa acht Milliarden Kubikmeter Wasserstoff hergestellt.
Regierung fördert Wasserstoffprojekte
Wasserstoff spielt auch im aktuellen niederländischen Klimaabkommen eine bedeutende Rolle. Um die Industrie nachhaltiger zu gestalten, stellt die niederländische Regierung im Jahr 2020 rund 60 Millionen Euro zur Verfügung. Diese sollen in die schnellere Umsetzung von Wasserstoffprojekten gesteckt werden.
Auch in der deutsch-niederländischen Absichtserklärung zur Energiewende, die Anfang Oktober 2019 unterzeichnet wurde, nimmt Wasserstoff eine zentrale Rolle ein. Die Niederlande stellen die Erdgasförderung in der Region Groningen ab 2030 ein, bislang hat auch Deutschland von dort Ferngas bezogen. Geplant ist eine gemeinsame Studie zu möglichen Einsatzgebieten von Wasserstoff. Außerdem will man sich auf europäischer Ebene engagieren, einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen zu entwickeln.
Fest steht: Um auf Wasserstoff als führenden Energieträger umzustellen, muss die Industrie in großem Maß umrüsten. Die Tragweite ist etwa vergleichbar mit der Umstellung von Kohle auf Gas in den 1960er-Jahren. Technologisch ist zwar alles möglich, aber die Kosten sind hoch. Mit ihrem Pilotprojekt Hystock will Gasunie nun die ersten Schritte in Richtung massentauglicher und wirtschaftlich rentabler Speicherung von Wasserstoff gehen.
„Die Niederlande sind nicht nur in der Entwicklung, sondern auch in der Umsetzung von Innovationen gut“, sagt Han Feenema, Geschäftsführer von Gasunie. Die Hystock-Installation ist aktuell die größte ihrer Art – und die Entwicklungen gehen bereits weiter. Die beiden Energiekonzerne Gasunie und Engie untersuchen aktuell, wie sie einen Elektrolyseur mit einer Kapazität von 100 Megawatt realisieren können, um Wasserstoff bald als funktionierende Alternative in der Energiewende zu etablieren.
Service & Kontakt
GTAI-Schwerpunkt zum Thema: www.gtai.de/energiewirtschaft
Weitere Informationen zu den Niederlanden finden Sie auf der GTAI-Länderseite.
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