November 2018
Autor: Ulrich Binkert
Es begann mit einem Wirtshausgespräch zwischen Günther Blum und einem Kunden. Anfang der 1980er-Jahre war das. Der Werkzeugmaschinenbauer aus dem Allgäu wollte nicht so recht glauben, was er da hörte: Lichtschranken sollten in seinen Anlagen die Bearbeitungswerkzeuge überwachen, und zwar während des Betriebs? Der Vorteil war klar, damit ließe sich die Qualität der produzierten Werkstücke von vorneherein konsistent sichern. Optische Messsysteme erfassen auch dann noch korrekt die Länge eines Bohrers, wenn der warm wird und sich ausdehnt. Zudem erhält man damit mehr Informationen als mit herkömmlichen berührenden Messfühlern, die bis dahin ausschließlich im Einsatz waren.
Nur: „Am Anfang konnten sich die Werkzeugmaschinenbauer gar nicht vorstellen, dass man optische Systeme in diese dreckigen Prozesse reinbringt“, sagt Alexander Blum, Geschäftsführer der Firma Blum-Novotest in Grünkraut bei Ravensburg und Sohn des Firmengründers Günther. „Die Maschinennutzer haben ihre Teile hergestellt, dann gemessen und den Ausschuss aussortiert.“ Blum konnte seine Kunden, Werkzeugmaschinenbauer aus dem süddeutschen Raum, dann doch von den Vorteilen des Systems überzeugen. In der Folge eröffnete er ab Ende der 1990er-Jahre Niederlassungen im Ausland, zuerst in den klassischen Industriestaaten und mittlerweile in allen Ländern mit einem nennenswerten Bestand an Werkzeugmaschinen. Blum sieht sich als Begründer des Marktes für optische Messtechnik und beziffert seinen Weltmarktanteil auf über 80 Prozent. Und der Markt wächst weiter. Immer mehr Teile etwa in der Automobilindustrie müssen in größter Präzision gefertigt werden, und die Hersteller von Kniegelenken oder Triebwerkschaufeln verlangen Toleranzen im Mikrometerbereich.
»Wir leben von Referenzen.«
Frank Paulmichl,
Geschäftsführer der Paulmichl GmbH
Warum man aus dem fernen Südamerika in einem Ort wie Leutkirch – ebenfalls im Allgäu – anruft, ist dem Unternehmer Frank Paulmichl klar. „Wir leben von Referenzen“, sagt der Geschäftsführer der gleichnamigen Firma, die etwa drei von zehn Biogasanlagen in Deutschland mit Rührwerken und anderen Komponenten ausgestattet hat und auf zuletzt gut 40 Mitarbeiter gewachsen ist. Nun also Brasilien. Zuckerhersteller dort müssen ihre Fertigungsreste inzwischen vergären oder anderweitig verwerten und brauchen dafür Anlagen.
Ohne heimische Referenzen geht es nicht
Und die Konkurrenz am Zuckerhut, in einem Land, in dem die Autos schon vor Jahrzehnten mit Biosprit gefahren sind? „Die großen Anlagenbauer stürzen sich schon alle auf den Markt“, sagt Paulmichl, „nur hatte unser heutiger Kunde da Schiffbruch erlitten.“ Zu viel Verkauf von der Stange und zu wenig Beratung und Ausbildung – wie Paulmichl sie bietet. So wie er es auch in einem zunehmend schwierigen Heimatmarkt halten muss, um sich zu behaupten.
Auch bei reinen Dienstleistungen können die hohen Anforderungen von Kunden in Deutschland helfen. „Deutsche IT-Anbieter gewinnen im Ausland Kunden gerade aufgrund des strengen deutschen Datenschutzes“, sagt Peter Kranzusch vom Institut für Mittelstandsforschung in Bonn. Wie wichtig heimische Referenzen sind, zeigt sich gerade dann, wenn sie fehlen. „Mit der Krise in der Bauwirtschaft Anfang der 2000er-Jahre fanden deutsche Architekten schwerer ausländische Kunden, es fehlten die Referenzbauten“, so Kranzusch. Projekte wie Stuttgart21 oder BER, das sagt der Forscher nicht, dürften dabei auch nicht gerade helfen.
Ein klassischer Hidden Champion: Das Unternehmen Blum-Novotest aus Grünkraut bei Ravensburg. Die Firma sieht sich als Begründer des Marktes für optische Messtechnik. © Blum-Novotest GmbH
Die deutsche Logistik, von der Weltbank stets ganz oben eingestuft, ist derzeit in den Betrieben ihrer Kunden stark gefordert: Waren müssen in Zeiten von Industrie 4.0 weit effizienter fließen. In Fabriken und Lagern tüfteln die Experten an Lösungen, die oft besser sein müssen als etwa in den USA, wo es mehr Platz gibt. Das ist zumindest auf Leitmessen wie der Logimat in Stuttgart zu hören. Wenn ein deutscher Anbieter mit bestimmten Lösungen ins Ausland geht, so das selbstbewusste Statement an manchen Ständen, dann gibt es keine Konkurrenz – und wenn, dann komme die ebenfalls aus Deutschland.
So weit will Elmar Kistemann von der Firma Innolog aus dem rheinischen Baesweiler zwar nicht gehen, er sagt aber: „Unsere deutschen Kunden sind schon deshalb sehr fordernd, weil da auch in der Chefetage Leute sind, die sich genau auskennen und wissen, was sie wollen.“ Innolog verkauft IT-Lösungen zur Steuerung von Prozessen, die zum Beispiel das richtige Autoteil zur passenden Sekunde an den Montageplatz bringen. „Kunden aus dem nahen EU-Ausland sagen mir, dass die Zuverlässigkeit und Qualität ihrer deutschen Partner schon eine ganz andere ist.“
Deutsche Technik weltweit Standard
Ein Traum vieler Hersteller hat sich für Keller Lufttechnik erfüllt. Das Unternehmen aus Kirchheim unter Teck produziert Anlagen zum Absaugen von Stäuben und Dämpfen, wie sie beim Lackieren oder in Laserwerkzeugmaschinen entstehen. „Ford, GE, Cummins und andere namhafte US-Konzerne haben deutsche Filtertechnik in ihre Spezifikationen aufgenommen und machten sie so weltweit zum Standard in ihren Betrieben“, sagt Firmenchef Horst Keller. Auf diese Weise konnte Keller seine Anlagenexporte deutlich steigern: nicht nur in die USA, sondern auch in China, Indien oder Brasilien.
Die Grundlage war auch hier die Anfrage eines führenden Herstellers von Laserwerkzeugmaschinen, direkt aus der schwäbischen Heimat. „Die Firma Trumpf aus Ditzingen hatte unsere Entstaubungsgeräte im Einsatz und wollte sie auch für ihre Produktion in den USA just in time zugeliefert bekommen“, erinnert sich Keller. Mit dem Stützpunkt in den USA konnte Keller dies schaffen. Und nebenbei auch den Service anbieten, den Trumpf erwartete. Made in Germany eben.
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