Wenig Hoffnung am Kap
Im Februar hat Bundeskanzlerin Angela Merkel Südafrika besucht. Damals war Corona noch kaum ein Thema, das Land konnte sich Hoffnungen auf einen Aufschwung machen. Der ist nun weiter weg denn je, die Gesellschaft bleibt tief gespalten. Ein Stimmungsbild.
Juni 2020
Autor: Marcus Knupp
Stärken und Schwächen des Standortes Südafrika (SWOT-Analyse) © GTAI/Markets International
Das Jahr 2020 hatte wirtschaftlich gar nicht schlecht angefangen. Es gab Bewegung in der Energiepolitik, der bilaterale Handel mit Deutschland entwickelte sich gut. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel besuchte Südafrika im Februar. Alles schien sich positiv zu entwickeln. Und doch gibt es jetzt viele Probleme.
Mit 0,6 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt 2019 langsamer gewachsen als die Bevölkerung. Auch die Rede von Präsident Cyril Ramaphosa zur Lage der Nation am 13. Februar 2020 hat nicht die notwendige Aufbruchsstimmung gebracht. Dann kam die Coronakrise und setzte das Gesundheitssystem unter Druck. Die weltweiten Produktionseinbrüche und sinkende Rohstoffpreise erwiesen sich als zusätzliches Gift für Südafrikas Wirtschaft. Die neuen Herausforderungen verstärken nur, was das Land schon länger beschäftigt.
Lange Liste von Problemen
Die Rainbow Nation hat es zwar ohne Bürgerkrieg aus der Apartheid geschafft. Doch die Misswirtschaft der vergangenen zehn Jahre hat sie zurückgeworfen. Ein Beispiel dafür ist das Load Shedding. Es gilt als Unwort in Südafrika. Seit dem Jahr 2008 wird immer wieder in bestimmten Gebieten des Landes der Strom abgeschaltet – meist für mehrere Stunden. Das Phänomen ist symptomatisch für die Lage in einem Land, das sich selbst immer wieder im Wege steht. Es gibt genug Energiequellen: Kohle, Sonne, Wind, zukünftig wohl auch Erdgas. Es gibt eigentlich auch ausreichende Kraftwerkskapazitäten. Nur: Die Kraftwerke laufen nicht, wie sie sollten. Zu wenig wurde investiert, zu schlecht wurde instand gehalten. Der staatliche Versorger Eskom ist mit umgerechnet rund 28 Milliarden Euro verschuldet.
Kritiker kennen den Grund: Während der fast zehnjährigen Regierungszeit von Jacob Zuma haben sich Privatpersonen in einem nie zuvor gekannten Ausmaß bereichert, indem sie Einfluss auf staatliche Entscheidungen nahmen. State Capture nennen das die Südafrikaner: Posten und Aufträge gingen an eine kleine Gruppe von Nutznießer.
»Südafrika ist ein Land, das sich selbst immer wieder im Wege steht.«
Marcus Knupp,
GTAI-Redakteur Afrika/Nahost
Neue Führung will aufräumen
Seit Februar 2018 ist Cyril Ramaphosa Präsident. Der Mitstreiter Nelson Mandelas, wiedergewählt im Mai 2019, hat viel zu tun und kommt kaum voran. Zu zerstritten ist der regierende African National Congress (ANC), um Entscheidungen zu treffen. Reformen, neue Gesetze und Regularien stehen auf der Tagesordnung. Zwar liegen Pläne zur Sanierung maroder Staatsfirmen auf dem Tisch, doch es passiert wenig.
Südafrika ist mit sich selbst beschäftigt. Die Flügel des ANC streiten um die richtige Linie. In der größten Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) hat die alte weiße Führung nach Machtkämpfen wieder das Ruder übernommen. Die linken Economic Freedom Fighters (EFF) sehen Verstaatlichungen als Heilmittel.
Keine leichte Aufgabe für Ramaphosa, denn die Ungleichheit von Vermögen und Einkommen liegt weltweit an der Spitze. Die Kriminalitätsrate ist ebenfalls sehr hoch. Auch für die Wirtschaft ist das eine Belastung, denn sie muss ihre Anlagen besonders sichern, Arbeitskräfte leiden unter dem Treiben lokaler Gangs. Wohlhabendere verbarrikadieren sich in Gated Communities.
Und dann ist da noch die ungelöste Landfrage, ein Erbe der Apartheid. Wenige, meist weiße Farmer besitzen einen Großteil des Landes. Viele Kleinbauern teilen sich den kargen Rest. Das sorgt schon für Unfrieden, hinzu kommt die hohe Arbeitslosigkeit von rund 30 Prozent.
Ideologisch ist die Debatte also aufgeheizt. Kompromissbereitschaft ist gefragt, um die Wirtschaft des Landes in Gang zu bringen und die Krise zu überwinden.
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Der Wirtschaftsausblick von GTAI zu Südafrika – Wirtschaftsdaten, Kaufkraft, Konsum- und Lohnentwicklung sowie die Hürden für den Reformkurs
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