Westmakedonien: Vorreiter der Energiewende in Griechenland

Griechenland hat sich eine ambitionierte Energiewende vorgenommen und will bis 2028 aus der Kohle aussteigen. Dabei soll ausgerechnet Westmakedonien zum Vorreiter werden – eine Region, die wie kaum eine andere im Land von der Kohle abhängt.

Januar 2022
Autorin: Michaela Balis

Westmakedonien

Die Kleinstadt Servia in Westmakedonien: Die Region hängt wie kaum eine andere im Land von der Kohle ab. Das dürfte sich bald ändern. © Henrik Sorensen/Posnov/Getty Images

„Wir wollen die erste grüne Region Griechenlands werden“, sagt Kalliopi Kiriakidou, Vizegouverneurin für Energie, Infrastruktur und Umwelt von Westmakedonien. Die Region hat sich damit ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Denn der bis 2028 geplante Kohleausstieg betrifft Westmakedonien wie kaum eine andere Gegend. Dort trugen Kohleabbau und -verstromung im Jahr 2017 noch mit mehr als 40 Prozent zum Bruttomehrwert bei. Nun soll die gesamte Wirtschaft innerhalb weniger Jahre umgestellt werden.

Um die Folgen für die lokale Wirtschaft zu lindern und Unternehmen Alternativen zu eröffnen, erarbeitete das griechische Ministerium für Entwicklung und Investitionen einen „Plan für den gerechten und entwicklungsfördernden Übergang“ (SDAM). Damit stehen neben öffentlichen Geldern auch Fördermittel aus EU-Töpfen zur Verfügung. „Zusätzlich wollen wir Kapital von privaten Investoren mobilisieren. Damit würde das Budget auf über 6,8 Milliarden Euro steigen“, sagt Ioannis Tzortzis, Vorsitzender des Juristischen Sachverständigenausschusses zum gerechten und entwicklungsfördernden Übergang. Steuererleichterungen, Zuschüsse und Kredite zu Sonderkonditionen sollen Kapitalgeber locken.

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Ansturm aus In- und Ausland

Auf die großzügigen Anreize darf hoffen, wer in sogenannte saubere Energien, Industrie und Handel, in smarte Landwirtschaft, in nachhaltige Tourismusprojekte sowie in Technologie und Ausbildung investiert. Seit Juni vergangenen Jahres sind nicht nur Pläne aus Griechenland, sondern auch aus dem Ausland willkommen. Eine ganze Reihe von Investoren will die Lücke in der Stromversorgung schließen – etwa mit Erdgas und erneuerbaren Energien. Die Anträge für Photovoltaikprojekte (PV) liegen bereits bei über 15 Gigawatt.

Mit dem großen Ansturm gehen auch Probleme einher. Der Sonderraumplan für die Errichtung von PV-Anlagen ist von 2007 und damit völlig veraltet. „Er muss dringend erneuert werden, um eine ungeregelte Entwicklung der PV-Projekte zu verhindern“, sagt Kiriakidou. Dabei gilt es, auch andere Bereiche wie die Agrarwirtschaft zu berücksichtigen. „Fruchtbare Äcker sollten nicht für PV-Anlagen genutzt werden, genauso wenig wie die Seen, die touristisch attraktiv sind“, betont Kiriakidou. „Es steht ausreichend Land für alle zur Verfügung – vorausgesetzt, eine ordentliche Raumplanung verteilt es richtig.“

Energieziele bis 2030

Der Nationale Energie- und Klimaplan (NECP, FEK B’ 4893/31.12.2019) hält die Energie- und Klimaziele Griechenlands fest:

  • Bis 2030 Verringerung der Treibhausgasemissionen um mindestens 42 Prozent im Vergleich zu 1990 und 56 Prozent im Vergleich zu 2005
  • Bis 2030 Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien am Bruttoendenergieverbrauch auf mindestens 35 Prozent und an der Stromerzeugung auf bis zu 64 Prozent
  • Bis 2030 Verbesserung der Energieeffizienz um mindestens 38 Prozent im Vergleich zu den Prognosen von 2007
  • Bis 2028 Kohleanteil an der Stromerzeugung gleich null

Infrastruktur in Westmakedonien soll ausgebaut werden

Noch interessanter seien für die Region „grüne Wasserstoffprojekte“, erklärt die Vizegouverneurin und verweist auf das acht Milliarden Euro schwere Projekt White Dragon. Dieses wird voraussichtlich bald zu den IPCEI-Projekten zählen. Die Abkürzung steht für Important Projects of Common European Interest und umfasst transnationale Vorhaben, die mit staatlicher Förderung die europäische Wettbewerbsfähigkeit stärken.

Damit der Strukturwandel in Westmakedonien gelingt, soll die regionale Infrastruktur schneller ausgebaut werden. Beispiele sind die Autobahn E65 und die Bahnstrecke Egnatia Railway zwischen Thessaloniki, Kozani und Igoumenitsa. In den Städten sollen zudem Erdgasnetze für die Fernheizung entstehen. Bisher kam die nötige Energie dafür aus der Kohlekraft. Aber die soll bald Geschichte sein – zunächst in Westmakedonien und dann im gesamten Land.

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