Dezember 2018
Autoren: Jenny Eberhardt, Katrin Grünewald, Robert Matschoß
Hightech für die Hortensien: Gartenzwerg Karl, das Maskottchen der Bundesgartenschau 2019 in Heilbronn. Deren Macher wollten den deutschen Klischeegnom zeitgemäß interpretieren. Also lassen sie Karl im 3-D-Drucker entstehen. Wer will, kann sich die Druckdatei im Internet herunterladen.
© Bundesgartenschau Heilbronn 2019 GmbH
Es duftet nach Bratäpfeln, gebrannten Mandeln und Glühwein, 50 Stände bieten deutsche Spezialitäten an: Nürnberger Lebkuchen, Dresdner Stollen, Kunsthandwerk aus dem Erzgebirge, Plauener Spitze und Kuckucksuhren aus dem Schwarzwald. Ein normaler Weihnachtsmarkt in einer deutschen Stadt, könnte man meinen. Nur: Dieser Markt befindet sich nicht in Deutschland, sondern auf der Daley Plaza im Herzen Chicagos.
Die Idee für den Christkindlmarket entstand 1996, als sich Vertreter der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer des Mittleren Westens (AHK USA–Chicago) und der Stadt Nürnberg in gemütlicher Runde versammelten. „Mit dem Christkindlmarket haben wir zu 100 Prozent einen Nerv getroffen, was Amerikas Wunsch nach Besinnlichkeit, Familie und christlicher Tradition angeht“, schwärmt AHK-Geschäftsführer Mark Tomkins. Für ihn ist der Markt nicht weniger als „America’s Greatest Open-Air Event in Christmas Time“. Das Konzept kommt an: Jährlich reisen rund 1,3 Millionen Besucher aus dem In- und Ausland eigens für den Christkindlmarket nach Chicago. Ableger gibt es unter anderem in Naperville und Milwaukee.
„Made in Germany“ auf dem Prüfstand
„Made in Germany“ gilt als Garant für Verkaufserfolg im Ausland. Das Label steht weltweit für Qualität und Zuverlässigkeit. Doch reicht das heute noch aus, um international zu punkten? Antworten liefern die 43 Auslandskorrespondenten von Germany Trade & Invest in der Sonderpublikation „Made in Germany auf dem Prüfstand“. Die Bestandsaufnahme zeigt: Das Label ist weiterhin stark, aber längst kein Selbstläufer mehr.
Weihnachtsstimmung made in Germany – der Christkindlmarkt und andere deutsche Volksfeste sind Exportschlager, ebenso wie deutsche Bratwurst und deutsches Kunsthandwerk. Doch gilt das genauso noch für Maschinen, Autos, Elektronik oder Dienstleistungen? Ist „Made in Germany“ auch nach dem Dieselskandal noch ein Gütesiegel? Schaden sich Unternehmen in Zeiten von America First, wenn sie zu deutlich betonen, dass ihre Produkte aus Deutschland stammen? Und was ist das deutsche Qualitätsversprechen wert, wenn chinesische Unternehmen immer öfter technologisch mithalten – dabei aber deutlich günstiger sind?
Seit die britische Regierung das Siegel „Made in Germany“ Ende des 19. Jahrhunderts erfunden hat – ursprünglich, um minderwertige teutonische Erzeugnisse zu brandmarken – hat es sich zum Sinnbild für höchste Perfektion entwickelt. Das ist auch weiterhin der Fall, betont Hans-Peter Hüssen, Chefredakteur von Germany Trade & Invest (GTAI). „Deutsche Produkte stehen weltweit für Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.“
Mit seinem Team hat Hüssen 2018 eine Studie zum Thema gemacht. Die 43 Auslandskorrespondenten von GTAI untersuchten in ihren Ländern, was das Erfolgsetikett „Made in Germany“ heute wert ist. Wie sich der Dieselskandal ausgewirkt hat. Ob die zig Millionen Euro teuren Verzögerungen bei Bauprojekten dem Image schaden. Nicht zuletzt: Inwiefern es in Zeiten globaler Wertschöpfungsketten überhaupt noch sinnvoll ist, auf eine Herkunftsangabe zu setzen.
Markenzeichen „made in Germany“: Hochwertige Verarbeitung. © Martin Kirchner/laif
Kein Selbstläufer mehr
Die Antwort fällt nicht eindeutig aus. „‚Made in Germany‘ genießt im Ausland nach wie vor einen hervorragenden Ruf, daran gibt es keinen Zweifel“, sagt Studienleiter Hüssen, aber: „Ein Selbstläufer ist das Label dennoch nicht mehr – Unternehmen sollten sich nicht darauf ausruhen. Sie müssen genau hinschauen, wo ein Einsatz sinnvoll ist.“
Nicht schwer fällt die Entscheidung bei deutschen Autos. Sie gelten als prestigeträchtig, vermitteln Wohlstand und Status. Das gilt vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern. In Indonesien hat GTAI-Experte Frank Malerius beobachtet, dass die Luxusgüter des Alltags aus dem Ausland kommen müssen, um die Umgebung zu beeindrucken, „am besten aus dem Westen“. Der Mercedes in der Einfahrt oder das Siemens-Haushaltsgerät machten mehr her als die chinesische No-Name-Kopie, sagt Malerius. Deutsche Unternehmen mit starken Marken sind sich dessen bewusst und bewerben ihre Produkte entsprechend – oft sogar in deutscher Sprache. Zum Beispiel in Argentinien und Kolumbien: In beiden spanischsprachigen Ländern wirbt Audi mit dem Slogan „Vorsprung durch Technik“. Volkswagen ist dort schlicht „Das Auto“, selbst in der Kinowerbung.
Skandale wie die Dieselabgasmanipulation oder die Kartellvorwürfe in der deutschen Autoindustrie beherrschten weltweit die Schlagzeilen. Sie hatten aber kaum Auswirkungen auf das Image von „Made in Germany“. Ja, in Kolumbien halten sich Kfz-Hersteller seit dem Abgasskandal mit Bezügen zu Deutschland zurück, „Das Auto“ wird jetzt nicht mehr explizit angepriesen. „In Italien war gerade anfangs in der Presse eine gewisse Schadenfreude gegenüber dem Musterschüler Deutschland zu spüren“, ergänzt GTAI-Korrespondent Robert Scheid.
»Deutsche Produkte stehen für Qualität, Zuverlässigkeit und Langlebigkeit.«
Hans-Peter Hüssen, Chefredakteur Germany Trade & Invest
Fehler machen menschlich
Anderswo aber machten die Negativschlagzeilen deutsche Unternehmen sogar sympathischer: Medien in Chile etwa berichteten mit einem Augenzwinkern über den Skandal, ließ er die sonst so korrekten Deutschen doch etwas menschlicher wirken. Manchmal, beobachtet Anne Litzbarski aus Santiago de Chile, schwingt sogar Anerkennung mit: „Diese Deutschen … sie haben gleich eine Software dafür entwickelt“, kommentiert ein chilenischer Unternehmer das Thema.
Wer jahrzehntelang positive Erfahrungen mit deutschen Produkten gemacht hat, sieht über einzelne Fehltritte hinweg. „Das über lange Jahre gewachsene Vertrauen haben die Negativschlagzeilen durch den Dieselskandal nicht erschüttern können“, beschreibt GTAI-Korrespondentin Miriam Neubert den Grundtenor in Spanien. „Made in Germany“ habe sich einfach als Qualitätsausweis etabliert.
Käufer in Rumänien und der Ukraine freuten sich sogar, dass deutsche Dieselautos nach dem Skandal billiger auf dem Markt verfügbar waren. In anderen Ländern gibt es schlichtweg Wichtigeres als Abgasmanipulation, Beispiel: Iran. Dort kommen Autokäufer wegen der US-Sanktionen meist gar nicht in die Verlegenheit, ein deutsches Auto zu kaufen. „Ohne Importrestriktionen wäre Deutschland im Fahrzeugsektor vermutlich Marktführer“, sagt GTAI-Mitarbeiter Robert Espey in Teheran. Der Abgasskandal interessiere kaum jemanden. „Nach iranischen Maßstäben sind die Emissionen deutscher Fahrzeuge auch mit deaktivierter Abgasreinigung die reinste Bergluft.“
In 36 von 43 Ländern verbinden Verbraucher mit deutschen Produkten hohe Qualität.
Ausländer irritiert viel mehr, dass die sonst so pünktlichen und zuverlässigen Deutschen Großprojekte wie Stuttgart 21 oder den Berliner Flughafen BER nicht fertig bekommen. „In Südafrika wird bei Geschäftsterminen häufig Unverständnis darüber geäußert, dass Deutschland an so einem Infrastrukturvorhaben scheitert“, sagt ein deutscher Unternehmensvertreter. Die Finnen allerdings sehen Schlagzeilen zu BER und Stuttgart 21 gar mit Erleichterung, zeigen sie doch, dass Komplikationen bei Großprojekten offenbar nicht nur in Finnland vorkommen. Und in Australien sorgte die neue „deutsche Unpünktlichkeit“ lediglich für ein Schmunzeln.
Nicht mehr automatisch positiv
Obwohl die jüngsten Skandale also kaum Schaden anrichten konnten – ein Verkaufsargument ist „Made in Germany“ längst nicht mehr überall. Zum Beispiel in den USA: Die Manager in deutschen Unternehmensniederlassungen gehen mit dem Etikett ausgesprochen selektiv um. Auch in unserem Nachbarland Frankreich ist Vorsicht geboten: Französische Medien und die Politik stellten zu jedem erdenklichen Thema gern den Vergleich zu Deutschland an, sagt der dortige GTAI-Korrespondent Peter Buerstedde, und das komme bei den Franzosen gar nicht gut an. „Wer die deutsche Herkunft seines Produkts in Frankreich stärker hervorhebt, riskiert daher sogar eine eher negative Reaktion.“ Zudem gelte „Made in Germany“ in Frankreich als etwas angestaubt. Zumindest verglichen mit dem kreativen Image, das französische Unternehmen für sich selbst beanspruchen.
Vielerorts ist es auch eine politische Frage, ob der Hinweis „Made in Germany“ deutschen Unternehmen nutzt oder schadet. In Polen, berichtet Michal Wozniak, sei es inzwischen manchmal kontraproduktiv, das Label einzusetzen. Bei einigen Produktgruppen ziehen Adjektive wie „polnisch“ und „lokal“ mittlerweile besser. Dies liegt auch am nationalistischen Kurs der polnischen Regierung. In Griechenland hat das Ansehen Deutschlands unter der griechischen Finanz- und Wirtschaftskrise gelitten. Die deutsche Regierung ist aus Sicht vieler Griechen mitverantwortlich für die Spar- und Hilfspakete, die schmerzhafte Reformen nach sich gezogen haben.
Markenzeichen „made in Germany“: Langlebige Konstruktion. © Farhad Babaei/laif
Der allgemeine Ruf deutscher Erzeugnisse ist ein Faktor, daneben hat die GTAI-Studie zwei weitere ausgemacht, die bestimmen, ob es sich lohnt, die eigenen Produkte als made in Germany zu etikettieren. Der zweite Faktor: Es hängt sehr stark von der Branche ab. Deutsche Maschinen beispielsweise gelten unangefochten als die besten der Welt, entsprechend verkaufsfördernd wirkt die Herkunftsangabe. „‚Made in Germany‘ funktioniert sehr gut, das sollte man nicht ändern“, meint Ernesto Brokoff, der die argentinische Niederlassung des Hydraulikspezialisten Hydac leitet. Die GTAI-Studie zeigt: Ähnlich wie beim Maschinenbau sieht es auch in der Kfz-Branche aus, im Gesundheitswesen und bei Energie- und Umwelttechnik. „Ich bringe deutsche Technologie nach Indien“, lautete beispielsweise der Wahlslogan eines Politikers in Indien.
Weniger wirksam ist das Etikett der GTAI-Umfrage zufolge bei Nahrungsmitteln, Körperpflegeprodukten und Informationstechnik. In Frankreich beispielsweise hängt Deutschland bei Lebensmitteln eher der Ruf eines Massenherstellers an. Bei Informations- und Kommunikationstechnologien haben andere Länder die Nase vorn, Deutschland gilt oft als unkreativ.
Vor allem für Mittelständler wichtig
Der dritte Faktor ist der Bekanntheitsgrad. Große und etablierte mittelständische Unternehmen verzichten oft auf das Siegel. „Wir sind ein globales Unternehmen, deshalb geben wir die Herkunft unserer Produkte nicht gesondert an“, sagt der Sprecher der BMW Group in Tschechien, David Haidinger. Der Grund: Die Marke BMW ist aus seiner Sicht stark und bekannt genug. Ähnlich sieht es Philipp Ehrenfried, COO des Verpackungsmaschinenherstellers Schubert in Kanada. „Der Kunde weiß, dass die Maschine aus Deutschland stammt, dass er dafür gute Qualität und neueste Technologie bekommt.“
der GTAI-Korrespondenten sagen, dass deutsche Produkte im Ausland als teuer empfunden werden.
Kleine und mittlere Unternehmen hingegen nutzen das Versprechen der Marke „Made in Germany“ offensiver. „Der Vertrauensvorschuss ist groß“, sagt etwa Rolf Geissinger, der die brasilianische Niederlassung des deutschen Verpackungsmaschinenherstellers Optima aufgebaut hat.
Das größte Problem deutscher Produkte ist der hohe Preis. Zwar wissen viele Kunden, dass sie für ihr Geld einiges bekommen, am Ende fällt die Wahl dann aber doch oft auf ein günstigeres Konkurrenzangebot. „Selbst bei gutem Preis-Leistungs-Verhältnis sind Waren aus Deutschland einer breiten Schicht mit geringer Kaufkraft schlichtweg zu teuer“, beschreibt GTAI-Korrespondent Fausi Najjar das Dilemma in Tunesien. Selbst bei Investitionsgütern ist es Käufern in vielen Ländern wichtiger, kurzfristig Anschaffungskosten zu sparen, als langfristig günstiger zu produzieren. Für deutsche Exporteure heißt das immer häufiger: Sie müssen für ihre Produkte Finanzierungen anbieten.
Hohe Erwartungen an deutsche Waren
Erschwerend kommt hinzu, dass Konkurrenzprodukte vor allem aus China qualitativ immer weiter aufholen. Chinesische Produkte gelten weiterhin als billig, aber ihr Ruf in puncto Qualität hat sich in vielen Ländern stark verbessert. Gerade auf wettbewerbsintensiven Märkten wie den Vereinigten Arabischen Emiraten kommen deutsche Anbieter daher oft nur noch zum Zuge, wenn Spezialwissen oder Nischenlösungen gefragt sind und der Preis zweitrangig ist.
Markenzeichen „made in Germany“: Innovative Technik. © Henning Bode/laif
Um ihr Geld aus Kundensicht wert zu sein, müssen deutsche Produkte vor allem eins leisten: ihr Qualitätsversprechen einhalten. Deutsche Firmenvertreter in Südkorea bezeichnen „Made in Germany“ als Fluch und Segen zugleich. Segen, weil Kunden deutsche Produkte enorm schätzen. Fluch, weil sie gleichzeitig erwarten, dass die Geräte praktisch unzerstörbar sind. Und wenn es doch mal ein Problem gibt, dann soll der Hersteller sie kostenlos reparieren. Der Service nach dem Kauf, Aftersales genannt, ist in vielen Ländern wichtiger, als deutsche Hersteller wahrhaben wollen. Bei Maschinen etwa verlangen Kunden eine regelmäßige Wartung. Und bei einem Ausfall soll der Techniker bitte schön schnellstens verfügbar sein.
Es macht die Sache nicht besser, dass mit dem Etikett vielerorts Schindluder getrieben wird. Manche Unternehmen verkaufen Produkte als made in Germany, die eigentlich aus China, Osteuropa oder anderen Ursprungsländern stammen. „Da wird viel als deutsch verkauft, was es eigentlich gar nicht mehr ist“, bemängelt ein argentinischer Kunde, der Ausrüstungen für die Metall verarbeitende Industrie vertreibt.
Es muss drin sein, was draufsteht
Ähnliches berichten Vertreter im Nachbarland Chile, wo häufig das Modell auf dem Markt zu finden sei „Entworfen in Deutschland, hergestellt in China, verkauft von Chilenen“. Aber auch in Asien leidet das Vertrauen. „Der Kunde hier in Vietnam fühlt sich übers Ohr gehauen und wandert zur Konkurrenz ab“, klagt Wolfgang Friess, CEO bei TH True Milk, einem international erfolgreichen vietnamesischen Nahrungsmittelkonzern. „Wenn wir schon bei einer deutschen Firma einkaufen, dann wollen wir auch, dass das Produkt in Deutschland mit europäischer Disziplin und Gründlichkeit hergestellt wird. In China einkaufen können unsere Direktoren selber.“
In vier von zehn Branchen gelten die USA als größte Konkurrenz für deutsche Produkte.
„Made in Germany“ – Charakteristika, Rechtliches, Checklisten.
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