Februar 2020
Autor: Ulrich Umann
Die Installation „Flight Paths“ des Künstlers Steve Waldeck ziert eine knapp 140 Meter lange Passage zwischen zwei Bereichen des Hartsfield-Jackson International Airport in Atlanta. 107 Millionen Passagiere starten und landen hier jedes Jahr. © SAM HODGSON/NYT/Redux/laif
Als der mittelständische Stahlproduzent Bestar aus dem Sauerland Ende der 1990er-Jahre auf Standortsuche in den USA ging, verglich US-Geschäftsführer Dennis Wagner zahlreiche Städte – von Chicago über die gesamte Ostküste. „Unsere Kunden, Hersteller von industriellen Schneidwerkzeugen wie Sägen und Messer, sind über das gesamte Land verteilt“, erinnert er sich. Die meisten sitzen in den Staaten Ohio, Illinois und Pennsylvania, aber einige eben auch in Kalifornien, Washington State, Tennessee und New Jersey. Atlanta machte letztlich das Rennen: „Dafür sprach unter anderem der große Pool potenzieller Mitarbeiter mit internationalem Hintergrund.“
Invest Atlanta, die Ansiedlungs- und Wirtschaftsförderagentur der gleichnamigen Wirtschaftsmetropole, belohnt Besucher mit einem atemberaubenden Blick aus der 29. Etage eines Hochhauses mitten in Downtown. Es scheint, als wolle man Neuankömmlingen die Stadt zu Füßen legen. „Bei uns dreht sich alles um Kostenminimierung“, sagt Nathan Regan, Vizepräsident der Abteilung Wirtschaftsentwicklung. Er weiß, dass er mit diesem Argument den Nerv von so ziemlich jedem Firmenvertreter trifft.
Tatsächlich liegen die Ansiedlungs- und Unterhaltskosten für Unternehmensniederlassungen in Atlanta unterhalb der Vergleichswerte aus anderen US-Metropolen wie New York City, Boston oder auch San Francisco. Dabei ist es erstaunlich, dass Atlanta immer noch so günstig ist: Hier befinden sich die meisten Konzernzentralen – nach New York City und Boston.
Schnellcheck – So tickt Atlanta
Rasantes Tempo: Im Großraum Atlanta leben rund sechs Millionen Menschen – und damit mehr als die Hälfte aller Einwohner Georgias (insgesamt 10,5 Millionen Einwohner). Er ist einer der am schnellsten wachsenden Großräume der USA. 1)
Luft nach oben: Das BIP pro Kopf liegt in Georgia bei fast 56.300 US-Dollar. Mit diesem Wert liegt der US-Bundesstaat gleichauf mit Australien und vor Deutschland.2)
Moderate Steuern: Mit einer State Corporate Income Tax von 5,75 Prozent liegt Georgia im Mittelfeld. US-Spitzenreiter ist Iowa mit zwölf Prozent, South Dakota und Wyoming erheben keine Unternehmenseinkommensteuer. 3)
1) Zahlen von 2018, Quelle: U.S. Census Bureau; 2) Zahlen von 2018, Quellen: U.S. Bureau of Economic Analysis, IWF; 3) Zahlen für 2019, Quelle: taxfoundation.org
Direktflüge ins Ländle
Von Georgia aus steuern einige Top-500-Firmen ihre globalen Geschäfte: wie der Getränkegigant Coca-Cola, der Paketdienstleister UPS, die Heimwerkerkette Home Depot, der Energiekonzern Southern Company und der Landmaschinenriese AGCO. Dazu kommen noch einmal 150.000 kleine und mittelgroße Firmenniederlassungen – die Mischung scheint perfekt. Selbst die deutschen Autobauer Porsche und Mercedes-Benz haben ihre US-Hauptquartiere in Atlanta aufgeschlagen. Die Fluggesellschaft Delta ließ es sich daraufhin nicht nehmen, Direktflüge nach Stuttgart anzubieten, ebenso nach München, Frankfurt und Düsseldorf.
Ein wesentliches Standortargument war auch der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport. Er ist mit jährlich 107 Millionen abgefertigten Passagieren der am meisten frequentierte Flughafen der Welt. Von hier aus werden 76 internationale sowie 163 inländische Flughäfen angeflogen. Firmenvertreter können sich somit morgens auf die Reise in alle größeren US-Städte begeben und abends wieder zurück sein, perfekt für Management, Service und Vertrieb. Aber nicht nur Passagiere, auch Frachtgüter werden in der Luft, zu Lande und zu Wasser zuverlässig bewegt, weshalb Atlanta auch zu den größten Logistikhubs der USA zählt.
Günstige Bedingungen für Start-ups
Für Regan von Invest Atlanta ist es aber nicht nur die Logistikinfrastruktur, die Atlanta attraktiv macht, sondern auch die zahlreichen Start-ups. „Wir verzeichnen einen regen Zuzug junger Unternehmen, denen es im Silicon Valley oder in New York einfach zu teuer geworden ist. Bei uns dagegen ist es nicht nur leichter, die Kosten zu minimieren, auch das Geschäftsklima ist günstig.“
Atlanta hat noch einen weiteren Vorteil: In Sachen Finanztechnologie ist die Südstaatenmetropole vorn dabei und damit für Start-ups umso wichtiger, denen sich gute Geschäftsaussichten bieten. Schließlich werden zwei Drittel aller in den USA anfallenden Kreditkartenzahlungen über Rechenzentren in Atlanta abgewickelt. Konzerne wie First Data machen es möglich. In diesem äußerst sensiblen Bereich darf es keinerlei Ausfälle geben. Hoch im Kurs steht daher Cybersecurity, was hierauf spezialisierte Firmen nach Atlanta lockt.
INTERVIEW
»Bei Fintech ist Atlanta die Nummer eins.«
Interview mit John Woodward, Senior Director Global Commerce bei der Metro Atlanta Chamber.
Herr Woodward, sollten sich mehr deutsche Unternehmer in Atlanta nach Geschäfts- und Investitionsmöglichkeiten umsehen?
Deutschland gehört mit derzeit 400 Firmenniederlassungen in Georgia für uns seit langem zu den Top-Herkunftsländern für Direktinvestitionen. Fast 25.000 Personen sind bei ihnen beschäftigt. Zuerst kam die Automobilindustrie wegen niedriger Kosten, geringer Steuern und qualifizierter Arbeitskräfte in den Südosten der USA. So liegen Mercedes-Benz, Volkswagen und BMW jeweils nur zwei Autostunden von Atlanta entfernt.
Und andere Firmen zogen nach?
Genau. Einige von ihnen haben sich für Atlanta als wirtschaftliches und kulturelles Zentrum des Südostens entschieden. Doch deutsche Investoren kommen auch aus anderen Sektoren, der Hochtechnologie und Logistik, quasi ein Querschnitt des deutschen Mittelstands. Viele von ihnen nutzen Atlanta mit Atlanta als Basis für Geschäfte in den ganzen USA.
Auf welchen Service- und Produktmärkten in der Metro-Area hätten Unternehmen aus Deutschland gute Einstiegschancen?
Die besten Markteintrittsmöglichkeiten gibt es in unseren großen Branchenclustern. Bei der Fintech-Industrie ist Atlanta sogar die Nummer eins. Wir sind aber auch stark in den Bereichen Cybersecurity, Medizintechnik, digitale Medien, Smart Cities und traditionell auch im Supply Chain Management. Im Übrigen haben die Fachzeitschriften „Site Selection“ und „Area Development“ Georgia das sechste Jahr in Folge zur Nummer eins unter den US-Bundesstaaten gewählt. Kein anderer Bundesstaat hatte jemals eine solch hohe und beständige Wertschätzung erhalten.
Viel Industrie – und die Medienbranche
Betätigungsfelder bestehen in Georgia darüber hinaus für die Bereiche Advanced Manufacturing, Luft- und Raumfahrt sowie Fahrzeugbau. Firmen arbeiten zudem bei ihrer Produktentwicklung eng mit Universitäten und Forschungseinrichtungen zusammen. Als Ausbildungs- und Forschungsstätte für Ingenieure sowie Fachkräfte für Logistik und Supply Management hat sich die Universität Georgia Tech in Atlanta sogar zu einer Art Benchmark für die gesamten Vereinigten Staaten entwickelt.
Geschäftschancen bieten sich außerdem in der Filmindustrie. Georgia trägt nämlich den Beinamen „Hollywood des Südens“, wie Regan von Invest Atlanta erzählt. „Bei uns wurde zum Beispiel die Serie ‚The Walking Dead‘ gedreht“, sagt er. Kein Wunder also, dass sich hier Filmstudios wie Turner, Tyler Perry und EUE/Screen Gems niedergelassen haben. Insgesamt erwirtschaftet die Filmindustrie allein in Georgia 9,5 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Vor diesem Hintergrund erscheint es nicht einmal mehr als Zufall, dass in Atlanta mit CNN das Nachrichtenfernsehen aus der Taufe gehoben wurde.
Auf einen Blick: wichtige Adressen in Atlanta
Deutsch-Amerikanische Handelskammer (AHK USA)
German American Chamber of Commerce of the Southern US, Inc.
1170 Howell Mill Road, Suite 300, Atlanta, GA 30318
+1 (404) 586-6800
www.gaccsouth.com
Invest Atlanta
133 Peachtree St., NE, Suite 2900
Atlanta, GA 30303
+1 (404) 880-9000
www.investatlanta.com
Metro Atlanta Chamber
191 Peachtree Street, NE, Suite 3400
Atlanta, GA 30303
+1 (404) 880-4100
www.metroatlantachamber.com
Georgia Chamber of Commerce
270 Peachtree St., NW, Suite 2200
Atlanta, GA 30303
+1 (404) 223-2264
www.gachamber.com
Georgia Department of Economic Development
Technology Square
75 5th Street, NW, Suite 1200
Atlanta, GA 30308
www.georgia.org
Georgia Department of Labor
148 Andrew Young International Blvd., NE
Atlanta, GA 30303-1751
+1 (404) 232-7300
www.dol.georgia.gov
Um neu eintreffende Firmen kümmert sich neben der Anlaufstelle für deutsche Unternehmen, der Deutsch-Amerikanischen Handelskammer (AHK) und Invest Atlanta auch die Metro Atlanta Chamber (MAC). Obwohl die MAC eine selbstverwaltete und mitgliederfinanzierte Einrichtung ist, stellt sie Beratungs- und Vermittlungsdienstleistungen kostenfrei zur Verfügung. „Je mehr Unternehmen sich im Großraum Atlanta niederlassen und miteinander in Geschäftsbeziehung treten, desto besser ist das wiederum für unsere Mitgliedsfirmen“, sagt Michael Theisen-Jones, mitverantwortlich für das Global Business Development bei MAC.
In jedem US-Bundesstaat, vielen Landkreisen und einigen großen Kommunen arbeiten eigene Wirtschaftsförderorganisationen, die Firmen ansprechen und sie bei der Ansiedelung unterstützen. Im Südosten der USA gilt die Wirtschaftsförderung als besonders zuvorkommend. John Woodward, Senior Director Global Commerce bei der MAC, verspricht deutschen Unternehmen „maßgeschneiderte Marktforschung, Personalanalyse, persönliche Beratung durch Branchenspezialisten, Vermittlung zur regionalen Wirtschaft, öffentlichen Verwaltung und zu Forschungseinrichtungen, Standortberatung sowie Relocation Assistance“. Kurzum: ein All-inclusive-Paket, bei dem die Deutschen nur noch zugreifen müssen.
Service & Kontakt
Ihr GTAI-Ansprechpartner für die USA
Robert Matschoß
+49 228 249 993 244
Weitere Informationen zum Land: www.gtai.de/usa
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